Oldenburg

Auguststraße: Gespräch mit ADFC-Vertretern

Die geänderten Verkehrsregeln in der Auguststraße erhitzen die Gemüter.

Die geänderten Verkehrsregeln in der Auguststraße erhitzen die Gemüter.
Foto: Anja Michaeli

Oldenburg (am/zb) Die geänderten Verkehrsregeln in der Auguststraße erhitzen die Gemüter. Über die Sichtweise des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) unterhielt sich die OOZ-Redaktion mit dem zweiten Vorsitzenden Uwe Mahall und Alexander Hesse, Verkehrsgruppe des ADFC Oldenburg.

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OOZ: Nachdem in der Auguststraße die Verkehrsregeln geändert wurden (Autofahrer dürfen dort maximal 30 Stundenkilometer fahren und Fahrradfahrer die Fahrbahn benutzen oder mit maximal zehn Stundenkilometern den Rad-/Fußweg) wird über das Für und Wider gestritten. Wie denkt der ADFC darüber?

ADFC Oldenburg: Zur Ausgangssituation und der alten Regelung erhielten wir einen Brief einer Radfahrerin, die den grauenhaften Rad- und Fußweg beklagte. Beispielsweise seien dort Schulkinder mehrfach aufgrund des glatten Klinkerbelags gestürzt. Wer sich dieser Gefahr nicht aussetzen wollte und auf der Fahrbahn gefahren sei, wurde von den Busfahrern weggedrängt oder von Autofahrern „ausgehupt worden“. „Es war der reinste Krieg“, schrieb uns die Radfahrerin.

Unserer Meinung nach ist es ein Unding, den Radfahrern vorzuschreiben auf einem Fußweg zu fahren, der bei weitem nicht den gesetzlichen Mindeststandards entspricht. Außerdem bieten die beengten Straßenverhältnisse in der Auguststraße nicht genügend Platz, um einen Radweg zu bauen. Die jetzige, in der Frage beschriebene Lösung, ist nur ein Kompromiss, aber die derzeitige Rechtslage lässt keine andere Möglichkeit zu.

OOZ: Nach der Verkehrszählung von CDU-Fraktionsmitgliedern in der Auguststraße fahren rund 90 Prozent der Radfahrer weiterhin auf dem Rad-/Gehweg. Das bestätigt auch die Polizei, die dort bereits mehrfach gezählt hat. Warum trauen sich Radfahrer nicht auf die Straße?

ADFC Oldenburg: Was in der Statistik zu lesen ist – aber verschwiegen wird – ist, dass zur Spitzenzeit bis zu 20 Prozent der Radfahrer die Fahrbahn nutzen. Wir sehen im Kern folgende Gründe, warum sich Radfahrer nicht auf die Straße trauen:

1. Viele Radfahrer wissen einfach nicht, um die Möglichkeit der Fahrbahnbenutzung und den dadurch gewonnenen Sicherheitsgewinn.

2. Sie sind es seit Kindheit gewöhnt, nicht auf der Fahrbahn zu fahren. Dabei ist diese Regelung seit 1997 in der StVO verankert und seit 2010 besteht die Benutzungspflicht für Radwege nur noch in Ausnahmefällen. An Oldenburg ist das ein wenig vorbeigegangen. Jetzt werden allerdings alle Benutzungspflichten auf einen neuen Prüfstein gestellt, und wir sind uns sicher, dass die meisten Benutzungspflichten aufgehoben werden, weil sie den gesetzlichen Anforderungen nicht genügen. In der StVO ist definiert, dass das Fahrrad ein Fahrzeug ist, und Fahrzeuge im Regelfall die Fahrbahn zu benutzen haben. Die Benutzungspflicht darf nur dann angeordnet werden, wenn aufgrund besonderer örtlicher Verhältnisse eine Gefahrenlage vorliegt, die erheblich über das Ausmaß der üblichen Gefährdung hinausgeht, welchen mit der Teilnahme am Straßenverkehr einhergeht.

3. Aus Leserbriefen, Rückmeldungen und eigener Erfahrung wissen wir, dass sich immer noch einige Autofahrer rücksichtslos gegenüber Radfahrern auf der Fahrbahn verhalten. Es liegt nicht im Ermessen der Autofahrer andere Verkehrsteilnehmer durch Hupen und Drängeln zu maßregeln. Von daher kann man etwas Verständnis dafür aufbringen, dass Radfahrende sich auf die vermeidlich „rettenden“ Nebenanlagen flüchten. Alle Seiten müssen sich erst an die neue Situation „Radfahrer auf der Fahrbahn“ gewöhnen. Dass dies funktioniert, sieht man in vielen Städten, die hier schon weiter sind. Ein rücksichtsvoller Umgang miteinander ist von allen Verkehrsteilnehmern gefordert und sollte selbstverständlich sein.

OOZ: Offenbar gibt es zwei Gruppen von Radfahrern. Die eine beherrscht ihr Fahrrad perfekt und ist dementsprechend trainiert und fährt in Tempo-30-Zonen den Autos davon. Die andere Gruppe betrachtet das Fahrrad primär als Fortbewegungsmittel. Muss man die nicht unterschiedlich betrachten?

ADFC Oldenburg: Es ist falsch, dass es zwei Gruppen von Radfahrern gibt, die Übergänge sind fließend. Diese Spaltung ist reine Polemik und wird von der Politik betrieben. Eine große Gruppe von Radfahren benutzt, abhängig von der Verkehrssituation mal den Radweg und mal die Fahrbahn.

Wir vertreten die große Bandbreite an Radfahrern und teilen diese nicht in zwei Gruppen. Und gerade die schnelleren Radfahrer betrachten das Rad primär als Fortbewegungsmittel um von A nach B zu kommen.

Wir müssen jedoch auch an die Fahrer von Pedelecs denken, die problemlos 25 Stundenkilometer fahren können. Deren Anzahl steigt stetig. Somit nimmt die Durchschnittsgeschwindigkeit des Radverkehrs insgesamt zu, und es ist unverantwortlich dies auf zu enge Radwege verlagern zu wollen.

Von daher ist es gut, dass die Gehwege in der Auguststraße immer noch frei befahrbaren werden können, aber nicht müssen. Dass dabei auf Fußgänger Rücksicht genommen werden muss, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Sie sehen also: Wir haben alle im Blick.

OOZ: Die gegenwärtige Debatte trägt doch nur dazu bei, die beiden Gruppen auseinander zu dividieren. Sie haben vollkommen unterschiedliche Interessen. Wäre es nicht an der Zeit, beide Gruppen ernst zu nehmen, statt sie gegeneinander aufzuhetzen?

ADFC Oldenburg: Hetze betreiben die Politiker – allen voran die Christdemokraten. Wir nehmen alle Verkehrsteilnehmer ernst und versuchen nicht diese in zwei Gruppen zu spalten, die es so auch gar nicht gibt!

Übrigens alle Radfahrer haben nicht unterschiedliche, sondern gemeinsame Interessen: Gute und sichere Infrastruktur für Radfahrer, ob auf der Fahrbahn oder auf Nebenanlagen. Hier stellt sich die Verkehrsplanung neuen Herausforderungen. Das Motto ist: Gute Radwege brauchen keine Benutzungspflicht!

OOZ: In der Auguststraße haben wir es inzwischen ja auch mit einem ernst zu nehmenden Haftungsproblem zu tun. Da dürfen die Radler, die den Rad-/Fußweg nutzen, maximal zehn Stundenkilometer fahren. Das tut aber niemand, was im Fall eines Unfalls weitreichende Konsequenzen hätte. Finden Sie nicht auch, dass das eine fahrradfeindliche Regelung für jene ist, die sich dem Fahrzeugverkehr nicht aussetzen wollen?

ADFC Oldenburg: Wir halten es für Fußgängerfeindlich, schnellere Radfahrer auf deren Wege zu zwingen. Die StVO Regelung bezüglich der Schrittgeschwindigkeit ist allerdings völlig praxisfremd und bedarf dringend einer Nachbesserung. Erstmal ist es nicht einfach diese langsame Geschwindigkeit zu fahren, und zum anderen hat nicht jeder einen Tacho, um dies zu kontrollieren. Das Mischen von Fuß- und Radverkehr sollte ohnehin möglichst vermieden werden.

Der Gesetzgeber lässt jedoch keine andere Möglichkeit zu als den Gehweg durch das Schild „Radfahrer frei“ weiterhin freizugeben. Aber die Lage hat sich im Hinblick auf die Ausgangssituation, wie eingangs beschrieben, durchaus gebessert.

Der Radverkehr musste sich auch vor der neuen Regelung an die Fußgänger anpassen und ggf. Schrittgeschwindigkeit fahren! Die Haftungsprobleme hätte es in ähnlicher Form gegeben. Dies wird von der Politik gerne verschwiegen.

Außerdem gibt es bereits seit vielen Jahren etliche Kilometer Fußwege die für Radfahrer freigegeben sind, davon redet niemand. Glücklich ist diese Lösung nie.

OOZ: Könnte es sein, dass manch ein Fahrradfahrer demnächst auf sein Rad verzichtet, und lieber wieder mit dem Auto fährt, wenn die Regelungen so bleiben? Denn immerhin 90 Prozent lehnen sie ab.

ADFC Oldenburg: Ganz im Gegenteil, die Regelung ist Grund, um endlich aufs Rad umzusteigen. Mit der verringerten Anzahl von Autos steigt die Sicherheit im Verkehr. Auch langsamere Radfahrer profitieren davon, denn sie müssen in Stoßzeiten den engen Weg nicht mehr mit den Schnelleren teilen. Nach einer Presse-Umfrage hat sich eine deutliche Mehrheit für die Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht ausgesprochen. Von 90 Prozent Ablehnung kann also nicht die Rede sein. Stellen Sie sich mal vor, was es für den Kfz-Verkehr bedeuten würde, wenn 90 Prozent der Oldenburger Radfahrer aufs Auto umsteigen.

Die Wahlmöglichkeit zwischen Fahrbahn und freigegebenem Gehweg ist auch in Oldenburg gängige Praxis und nicht ein Phänomen der Auguststraße. Obwohl es keine von uns angestrebte Lösung ist den Radverkehr mit dem Fußverkehr zu mischen, funktioniert es in Ausnahmefällen. Es bleibt eine Kompromisslösung.

OOZ: Mitunter entsteht der Eindruck, dass hier eine Ideologie verfolgt wird. Was gedenkt der ADFC zu tun, um die Fahrrad-Diskussion auf eine sachliche und vernünftige Basis zu stellen?

ADFC Oldenburg: Es wird nur von einigen Politikern, vorwiegend aus den Reihen der CDU, eine Ideologie verfolgt und nicht vom ADFC, der sich an den gesetzlichen Vorgaben orientiert und versucht die Belange aller Verkehrsteilnehmer zu berücksichtigen. Die CDU (und auch andere Parteien) spricht sich im Verkehrsausschuss überwiegend gegen die Interessen der Radfahrer aus und erweckt nun den Anschein, sich für die Belange der Radfahrer einzusetzen. Dabei versucht sie nur die Radfahrer in zwei Lager zu spalten, um sie in der Auguststraße auf einen unsicheren Fußweg zu zwingen.

Mit der Teilnahme an Bürgerveranstaltungen wie z.B. am Runden Tisch Bloherfelde, können wir für Aufklärung sorgen. Dort hatten die Bürger Gelegenheit ihre Fragen zur Radwegebenutzungspflicht dem ADFC und der Polizei zu stellen. Anschließend hat sich die Mehrheit der unterschiedlichsten Teilnehmergruppen für die Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht ausgesprochen, was ja nicht gleichbedeutend ist, mit dem Zwang die Fahrbahn zu benutzen. Es bleibt immer noch die Wahlmöglichkeit zwischen Radweg und Fahrbahn. Das ist vielen nicht klar. Der Radweg bleibt als solcher bestehen und darf mit gewünschter Geschwindigkeit befahren werden, sofern es sich nicht um einen für den Radverkehr freigegebenen Gehweg handelt, wie es zum Beispiel in der Auguststraße der Fall ist.

Durch Informationen und Gesprächen mit der Presse wollen wir die Diskussion auf eine sachliche Ebene bringen. Außerdem ist es nicht sinnvoll über geltende Gesetze zu diskutieren. Die Lokalpolitik kann schließlich nicht die StVO oder höchstrichterliche Rechtsprechung ändern, dieser Eindruck wird jedoch immer wieder erweckt.

Wir sehen es als unsere Pflicht an, Radfahrer und auch Autofahrer aufzuklären. Radwege fühlen sich oft nur subjektiv sicher an. Unfallstatistiken zeigen, dass das Fahren auf der Fahrbahn weniger Risiken birgt als der Radweg. Als Radfahrer wird man auf einem baulich angelegten Radweg schlechter vom Kfz-Verkehr wahrgenommen, als auf der Fahrbahn. Das wurde durch mehrere Studien belegt. Z.B. sind rechtsabbiegende Autofahrer, die Radfahrer auf dem Radweg übersehen, eine häufige Unfallursache.

OOZ: Wir danken für das Gespräch.

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4 Kommentare

  1. Daniel
    12. Februar 2014 um 17.56 — Antworten

    Warum wird hier eigentlich so getan, als wäre es ein Skandal, wenn sich Autofahrer mit Radfahrern die Fahrbahn teilen sollen, während es fast selbstverständlich scheint, dass sich Radfahrer den Rad- und Gehweg mit Fußgängern teilen?

    Es ist eher ein Skandal, dass Radfahrer hier jahrelang auf einen Weg gezwungen wurden, der nicht nur von Fußgängern genutzt wird, sondern offensichtlich auch noch durch mehrere Wartezonen von Bushaltestellen führt.

    Nein liebe CDU, so darf ein Radweg heute nicht mehr aussehen. Daher ist die Fahrbahn hier umso mehr der richtige Weg für Radfahrer!

    • Alex
      12. Februar 2014 um 19.24 — Antworten

      Die CDU denkt vielleicht, dass sie die 90% der Gehwegradler für sich gewinnt, bzw. die Autofahrer, die sich wahnsinnig darüber aufregen. Da sind sie aber auf dem Gehweg – ähm, Holzweg 😉
      Ein Skandal ist übrigens auch die benachbarte Fahrradstraße. Selbst dort radeln Menschen auf dem Gehweg, um Platz für die Autos zu machen. Das Problem ist auch schon seit mindestens Februar 2008 bekannt. Unternommen wurde dagegen aber nie etwas. Das muß man jedoch auch eben diesen Radfahrern anlasten, die den Weg freiwillige frei machen für Blech & Co.

  2. Jelte
    13. Februar 2014 um 1.08 — Antworten

    Dem ADFC ist hier vollkommen zuzustimmen: je mehr Radfahrende die Fahrbahn nutzen, desto sicherer wird diese für alle – das haben Verkehrswissenschaft und unzählige Praxisbeispiele einwandfrei gezeigt. Und umso sicherer und entspannter der gesamte Verkehr dort „fließen“ kann (kurzes Beschleunigen bringt da dank Ampeln und Abbiegern schon jetzt rein gar nix…), umso angenehmer, ruhiger und menschenfreundlicher wäre die Gesamtsituation. Ähnliches gilt im übrigen auch für die gesamte Stadt: eine fahrradfreundliche Verkehrspolitik käme in Zukunft allen Bewohnern zugute, denn überall dort, wo der Radverkehrsanteil hoch ist, veringern sich Luftbelastung, Lärm, Stress und Platzprobleme und es steigt der Wohlfühlfaktor….! Und an die Adresse der CDU/IHK/NWZ-Kampagne: was ist wohl besser für die Geschäftsinhaber der Stadt? Wenn Menschen sich wohl fühlen, oder wenn sie im Stau stehen? Glücklicherweise ist Ihre Kampagne nicht nur durchsichtig, altbacken und sachlich falsch, sondern irgendwie auch irrelevant, denn Fahrradnutzung und die Förderung des Radverkehrs befinden sich weltweit auf dem Vormarsch und sind zu recht die zukunftstauglichste Perspektive für den Stadtverkehr. Schlaf weiter, Oldenburg…

  3. DanielK
    13. Februar 2014 um 15.39 — Antworten

    Es wird aber auch gerne vergessen dass viele Studien und Praxisbeispiele die eine Verbesserung der Verkehrssicherheit durch die Straßennutzung von Autos und Radfahren ausweisen aber auch von gänzlich anderen Verhältnissen ausgehen (breite Fahrbahntrasse, markierter Bereich für Radfahrer auf der Straße, etc.), als die, die heute in der Auguststraße vorliegen.

    Es geht in der ganzen Diskussion einfach unter, dass bei der jetzigen Situation der Auguststraße (Verbindungsstraße zwischen Verkehrsknotenpunkten, Zustand des Geh- und Radwegs, Straßenbreite) es für keine Seite eine wirklich befriedigende Lösung geben. Solange es hier kein ganzheitliches Konzept gibt, haben beide Seiten jeweils gute Argumente für ihre jeweilige Sichtweise.

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