Geschichte

Gelungener Griff in die Schatzkiste

Der Oldenburger Hafen in den 1950ern.

Der Oldenburger Hafen.
Foto: Bildarchiv des Stadtmuseums Oldenburg

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Oldenburg (zb) – Dr. Andreas von Seggern, Leiter des Stadtmuseums Oldenburg, hat tief in die Schatzkiste gegriffen und manch einen Bildschatz zu Tage befördert. Zu sehen sind sie in dem neuen Bildband „Oldenburg zwischen Mangel und ‚Wirtschaftswunder‘, die 1950er Jahre“, der eine neue Reihe von großformatigen Bildbänden mit Motiven aus dem Bildarchiv des Stadtmuseums begründet.

Der in Kooperation mit dem Isensee Verlag erschienene Band ist etwas Besonderes. So enthält er einerseits noch nie gezeigte Fotos aus dem Bildarchiv des Stadtmuseums und unternimmt andererseits keine Verklärung der damaligen Zeit und Umstände. So setzt von Seggern den Begriff „Wirtschaftswunder“ bewusst in Anführungsstriche, „denn tatsächlich handelte es sich um kein Wunder“, sagt er bei der Vorstellung des Buches. „Es waren Menschen, die den Wiederaufbau betrieben haben.“

„Die 50er – wohl kaum ein anderes Jahrzehnt der jüngeren deutschen Geschichte ist von Klischees so umrankt, nostalgisch verklärt auf der einen und maßlos verdammt auf der anderen Seite“, meint der Historiker. „Die 50er Jahre bilden das Fundament der historischen Meistererzählung von der Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik, auf den Säulen Wirtschaftswunder, Wohlstand für alle und Westbindung gründend. Andererseits gelten sie als Dekade der Restauration, der Entpolitisierung, des Rückzugs ins Private, kurz: als (Re-) Inkarnation deutscher Spießbürgerlichkeit“, fasst Andreas von Seggern das Jahrzehnt zusammen.

Die historische Forschung zumindest sei sich mittlerweile weitgehend einig: Hinter der Fassade einer Gesellschaft, die vor dem Hintergrund des zurückliegenden Schreckens des Krieges vor allem nach Ruhe und Sicherheit strebte und dabei die Vergangenheit weitgehend verdrängte, modernisierten sich die Strukturen weit mehr als lange Zeit angenommen.

Es ist daher kein Zufall, dass von Seggern und Verleger Florian Isensee für den Auftakt der neuen Bildband-Reihe gerade diesen Zeitraum ausgewählt haben. So versucht der Bildband über die 50er Jahre anhand von rund 100 ausgewählten Fotografien die Atmosphäre einer Stadt im Aufbruch einzufangen und Meilensteine der Stadtentwicklung nachzuzeichnen. Es geht also keineswegs um schöne oder gar ästhetische Motive. Es geht um Inhalte.

So gliedert er den Bildband in acht Teile: Stadtbild, Stadtentwicklung, Verkehr, Konsum, Ereignisse, Freizeit, Gesellschaft und Politik und ergänzt sie durch zwei sehr informative Aufsätze zum Thema „Der Weg ins westdeutsche Aufbaujahrzehnt“ und „Zwischen Mangel und ‚Wirtschaftswunder‘“. So hat der Betrachter die Möglichkeit, sein historisches Verständnis zu schärfen. „Ziel des Bildbandes ist es, Bilder sprechen zu lassen, ergänzt durch die Einordnung in den historischen Zusammenhang“, sagt von Seggern. Die zahlreichen Fotos unterstreichen zudem die Rolle des Stadtmuseums als kollektives Gedächtnis der Stadt.

Das Foto in der Lamberti-Kirche anlässlich der Trauerfeier für den Bundestagspräsidenten Hermann Ehlers 1954 ist deshalb beeindruckend, weil sich die gesamte Staatsspitze in Oldenburg versammelt hatte. Vizepräsident des Bundestages Carlo Schmidt war ebenso vertreten wie Bundeskanzler Konrad Adenauer und Bundespräsident Theodor Heuss sowie zahlreiche Minister, darunter auch Ludwig Erhard.

Und wer weiß schon, dass der weltberühmte Trompeter Louis Armstrong 1958 in der Weser-Ems Halle aufgetreten ist? Und dass das Oldenburgische Staatstheater mal einen sehr imposanten Eingang hatte, ist vielen vermutlich auch nicht bekannt. Der Bildband weckt bei den Älteren ganz sicher Erinnerungen und bei den Jüngeren vielleicht Erstaunen darüber, dass die Huntestadt trotz der inzwischen über 60 vergangenen Jahre auf fast allen Fotos wiederzuerkennen ist. Tatsächlich war die Stadt kaum zerstört. Auf jeden Fall klärt er auf über interessante Entwicklungen und Ereignisse.

Das Oldenburgische Staatstheater um 1960.

Das Oldenburgische Staatstheater um 1960.
Foto: Bildarchiv des Stadtmuseums Oldenburg

Der Pferdemarkt um 1955.

Der Pferdemarkt um 1955.
Foto: Bildarchiv des Stadtmuseums Oldenburg

VfB Oldenburg gegen Victoria Hamburg 1952.

VfB Oldenburg gegen Victoria Hamburg 1952.
Foto: Bildarchiv des Stadtmuseums Oldenburg

Produktion in der Fleiwa.

Produktion in der Fleiwa.
Foto: Bildarchiv des Stadtmuseums Oldenburg

Die Hauptstraße in Eversten um 1960.

Die Hauptstraße in Eversten um 1960.
Foto: Bildarchiv des Stadtmuseums Oldenburg

Louis Armstrong in der Weser-Ems Halle 1958.

Louis Armstrong in der Weser-Ems Halle 1958.
Foto: Bildarchiv des Stadtmuseums Oldenburg

Die Lange Straße in der Oldenburger Innenstadt.

Die Lange Straße in der Oldenburger Innenstadt.
Foto: Bildarchiv des Stadtmuseums Oldenburg

Heiligengeiststraße mit Blick in die Lange Straße.

Heiligengeiststraße mit Blick in die Lange Straße.
Foto: Bildarchiv des Stadtmuseums Oldenburg

„Oldenburg zwischen Mangel und ‚Wirtschaftswunder‘, die 1950er Jahre“ von Andreas von Seggern, Isensee-Verlag, 80 Seiten, broschiert, durchgehend farbig, Preis: 16 Euro.

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