Politik

Alte Mehrheit findet sich zu neuem Haushalt

Der neue Etat des Haushaltes der Stadt Oldenburg ist von Rekordvolumen, Überschuss und neuen Schulden gekennzeichnet.

SPD und Grüne haben in Oldenburg einen Etat mit Rekordvolumen, Überschuss und Schuldenplus beschlossen.
Foto: Anja Michaeli

Oldenburg (Michael Exner) Die Stadt hat zwar seit der Kommunalwahl kein rot-grünes Ratsbündnis mehr, bekommt aber dennoch einen rot-grünen Haushalt. Mit den Stimmen von SPD und Grünen beschloss der Rat am späten Montagabend fürs laufende Jahr einen Etat, der von Rekordvolumen, Überschuss und neuen Schulden gekennzeichnet ist. Die anderen großen Fraktionen stimmten dagegen. Der CDU waren die Ausgaben zu hoch, den Linken zu niedrig. Beide beschwerten sich zudem über angeblich zu späte Information und Zeitdruck. Ihr Vertagungsantrag scheiterte jedoch.

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Das beschlossene Paket knackt im Volumen (510 Millionen Euro) erstmals die Halb-Milliarden-Grenze. Der Ergebnishaushalt (der die laufenden Geschäfte abbildet) schließt das vierte Jahr in Folge mit einem Überschuss ab: diesmal mit 2,6 Millionen Euro. Auf der anderen Seite treiben die Investitionen (mit Schwerpunkt Bildungs- und Betreuungseinrichtungen) die Stadt im Finanzhaushalt zu einer Nettokreditaufnahme (das sind zusätzliche Schulden) von 9,5 Millionen und zum Schuldenrekord von knapp 233 Millionen. Der noch vor Jahresfrist von der Verwaltung für 2018/19 prognostizierte Einstieg in eine Entschuldung ist längst aus dem Blick geraten. „Wir leben im Moment von exorbitant hohen Einnahmen, die wir nutzen, um Zukunft zu gestalten“, mahnte Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD) zum Ende der Ratsdebatte, „aber wir müssen sehen, dass wir den Schuldenstand in den Griff bekommen.“

Der Haushalt in seiner rot-grünen Fassung orientiert sich im Wesentlichen am (von der Verwaltung zwischenzeitlich aktualisierten) Entwurf aus dem Rathaus. SPD und Grüne packten im Saldo 450.000 Euro bei den Ausgaben drauf und reduzierten so den Überschuss von 3,04 auf 2,59 Millionen Euro. Bedacht wurden dabei vor allem die Bereiche Kultur, Soziales und (Rad-)Verkehr. Zu einem Dauerbrenner entwickelt sich das Gezerre um das Filmfest. Oberbürgermeister Krogmann hatte (durchaus in der Tradition seines Vorgängers Gerd Schwandner) den städtischen Zuschuss höher angesetzt (90.000 Euro), SPD und Grüne strichen (sehr wohl in der Tradition ihrer Vorgänger) den Posten wieder zusammen (60.000). Die Wunden der Vergangenheit bluten noch immer.

Interessanter als die Details des Etats sind die Linien, die sich um den Beschluss abzeichnen. Während sich die SPD von Beginn an auf Verhandlungen mit dem Ex-Partner festgelegt hatte und laut Fraktionschef Bernd Bischoff mit der CDU nur gesprochen hätte, „wenn es mit den Grünen gescheitert wäre“, hatten die sich auch mit anderen Fraktionen ausgetauscht und die dabei gemachten Erfahrungen positiv bewertet. Dass sich rechnerische Mehrheiten in politische ummünzen lassen, sehen sie aber zumindest bei Finanzfragen skeptisch. „Dazu müssten sich auch CDU und Linke einigen“, sagte Fraktionssprecher Sebastian Beer.

Die neue Zusammenarbeit zwischen SPD und Grünen soll sich nach dem Willen beider Seiten aktuell auf den Haushalt beschränken, in diesem Punkt aber das gesamte Jahr über halten. Das Trennende, das eine Neuauflage des (am Ende allerdings zerrütteten) Bündnisses aus der vergangenen Ratsperiode verhindert hatte, besteht unverändert: etwa die geplante Verbindungsstraße zwischen nördlichen und westlichen Stadtteilen über den ehemaligen Fliegerhorst, deren Verankerung im Haushalt Oberbürgermeister Krogmann im Rat noch einmal ausdrücklich begrüßte. Dass die Grünen dennoch dem Haushaltspaket zustimmen, will Sprecher Beer nicht überbewertet wissen. „Es handelt sich um Planungskosten“, sagte er vor der Sitzung, „und wir möchten sehen, was bei der Planung rauskommt.“

Kommentar: Es läppert sich dahin…

Beim Oldenburger Haushalt sind nur die Zahlen spektakulär, der Umgang der Politik damit ist es nicht. Da ist nicht mal der Hauch eines Gestaltungswillens spürbar. Es läppert halt so dahin.

Wenn selbst in Zeiten vom Rekordhoch bei den Einnahmen und Rekordtief am Zinsmarkt im Finanzhaushalt noch fast zehn Millionen netto zusätzliche Schulden anfallen, die Stadt also nicht mal in die Nähe der Null gelangt und man auch die Fortschreibung des Schuldenanstiegs hinnimmt, dann ist das auch eine Art von Resignation. Man ergibt sich kollektiv in sein Schicksal. Das ist fast schon konsequent. Schließlich waren auch die Überschüsse im Ergebnishaushalt der vergangenen Jahre nicht das Produkt eigener Anstrengungen, sondern Windfall Profits der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung. (Anders ist übrigens auch der Bundesfinanzminister nicht zu seiner schwarzen Null gekommen.) Und die an Selbsthypnose grenzenden Beteuerungen, man müsse aber in der Zukunft darauf achten, die langfristigen Schulden in den Griff zu bekommen, ziehen sich seit Jahrzehnten durch die Etatdebatten. Passiert ist nichts, nur die Schulden sind gestiegen und steigen weiter.

Irgendwie muss das auch die neue Teilzeitmehrheit gespürt haben. Die rot-grüne Lackierung beim Haushalt ist blasser als in früheren Jahren, die Kosmetik war maßvoll. SPD und Grüne haben vom Drei-Millionen-Überschuss gerade 450.000 Euro verfrühstückt – bei einem 510-Millionen-Etat. Wer das, wie CDU-Durchstarter Christoph Baak, als Beweis dafür nimmt, Rot/Grün werfe das Geld aus dem Fenster, dokumentiert in anschaulicher Weise die Grenzen seines Differenzierungsvermögens – oder macht Wahlkampf; schlimmstenfalls beides. Am Rande: In der Regel wollen solche Kritiker nur andere Fenster. Und der CDU-Antrag, die Verwaltung möge ein Konzept für den Abbau der Nettoneuverschulung auf Null bis 2030 (!) entwickeln, ist kaum mehr als Flucht aus der Verantwortung. Da wird jemand gesucht, dem man später beim Aufschrei der Betroffenen spesenfrei die Schuld in die Schuhe schieben kann. Es gibt ausreichend Konsolidierungspapiere aus der Vergangenheit, bei denen man sich bedienen könnte – wenn man wollte.

Viel Hoffnung für die Zukunft macht das alles nicht.

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