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Vom Sonderschüler zum Maschinenbauingenieur

Nick Kistowski hat viel mit Energie- und Umwelttechnik zu tun und arbeitet deshalb oft im Labor.

Nick Kistowski hat viel mit Energie- und Umwelttechnik zu tun und arbeitet deshalb oft im Labor.
Foto: Katrin Zempel-Bley

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Wilhelmshaven/zb – Vom Sonderschüler zum Maschinenbauer – das ist der Weg von Nick Kistowski. Der 31-Jährige musste so manchen Umweg gehen, weil sich niemand für seine Schreib-Leseschwäche interessiert hat und er deshalb in der 4. Klasse zur Sonderschule geschickt wurde. Heute studiert er an der Jade Hochschule in Wilhelmshaven Maschinenbau und schreibt seine Bachelorarbeit im Bereich Energie- und Umwelttechnik.

„Die Schule hat mir Spaß gemacht“, erzählt er. „Ich konnte aber nicht gut lesen und schreiben. In den anderen Fächern war ich gut. Trotzdem war ich ein Störfaktor und man kam in einem Gutachten zu dem Schluss, dass ich ein Sonderschüler bin.“ Noch nicht ganz auf der Sonderschule übersprang er eine Klasse. „Ich habe mich gelangweilt“, erinnert er sich. „Bis auf lesen und schreiben konnte ich alles und fühlte mich zum Glück nie minderwertig.“

Nick Kistowski schloss nach der 9. Klasse die Sonderschule ab. „Meine Noten waren schlecht, ich hatte genug von der Schule. Ich wusste immer, dass ich lernen kann, ein hohes Textverständnis habe, aber ich nicht gut genug schreiben kann“, sagt er. In einem Beratungsgespräch bei der Arbeitsagentur wurde ihm angeboten, den Hauptschulabschluss nachzuholen. Das tat der 31-Jährige und schloss ein Berufsgrundbildungsjahr an. Danach absolvierte er bei den Thyssen Nordseewerken über die Emder Ausbildungsgesellschaft eine Ausbildung zum Industriemechaniker.

„Ich habe nach meiner Lehre durchaus gespürt, dass die Leute Probleme mit meiner Sonderschulzeit hatten. Offen gesagt hat man es mir aber nur bei der Bundeswehr. Die Sonderschulzeit war stets mein Makel“, stellt er fest. Deshalb wollte er mehr lernen und begann eine Technikerausbildung. Während der Zeit hat er seine schulischen Defizite so richtig gespürt. „Plötzlich war von Algebra die Rede. Ich kannte das nicht. So war das auch in Physik und Chemie. Die Fächer hatte ich ja nie. Die Inhalte haben sich mir aber schnell erschlossen, ich hatte Spaß daran und schaffte die Ausbildung“, erzählt er.

Bis zum Ausbruch der Finanzkrise arbeitete er bei Enercon. Dann kam seine Entlassung. „Da hat es mir gereicht. Ich habe mich an der Jade Hochschule über Studienmöglichkeiten informiert und grünes Licht für ein Maschinenbaustudium erhalten“, schildert er seinen Umweg. „Hier ist es prima. Die Professoren begegnen uns auf Augenhöhe und betrachten uns nicht als Schüler. Ich habe mit den Inhalten überhaupt keine Probleme. Was ich nicht weiß, lese ich mir an.“ Heute fragt er sich, warum er als Kind keinen Förderunterricht erhalten hat und ihm diese Odyssee erspart geblieben wäre.

„In meinem Fall hat das Schulsystem komplett versagt, aber ich bin nicht verbittert. Ich wusste immer, ich kann das und schaff das“, erzählt er. Nick Kistowski engagiert sich heute als Mentor und hilft Studienanfängern, sich in der Hochschule zurecht zu finden. „Ich war auch schon Tutor für CAD und bin total froh darüber, dass ich mich für ein Studium entschieden habe.“

Dass er mal Sonderschüler war, daraus hat er nie einen Hehl gemacht. „Zum Glück hatte ich immer viel Selbstvertrauen“, sagt er und wünscht sich, dass Kinder in der Schule nicht mehr getrennt sondern individuell gefördert werden, um so spezielle Defizite abbauen zu können, ohne so viele Umwege gehen zu müssen wie er.

Nach seinem Hochschulabschluss möchte er sich seinen großen Traum erfüllen. „Ich will nach Australien. Ich habe viel über das Land gelesen und Filme gesehen. Es fasziniert mich. Mein Englisch, das ich mir auch selbst mit Hilfe von Online-Kursen beibringe, ist schon ganz gut. Ich war kürzlich zwei Wochen in England und habe es erfolgreich getestet“, freut er sich, greift seine Tasche und geht in die Vorlesung.

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