Wirtschaft

Mit attraktiver Ausbildung Azubis gewinnen

Viele Betriebe buhlen um die besten Auszubildenden. Manch ein Unternehmen geht dabei leer aus. Auf einer Tagung in Oldenburg wurden Alternativen vorgestellt.

Viele Betriebe buhlen um die besten Auszubildenden. Manch ein Unternehmen geht dabei leer aus. Auf einer Tagung wurden Alternativen vorgestellt.
Foto: Katrin Zempel-Bley

Oldenburg (zb) „Berufsausbildung für alle“ lautete der Titel einer Veranstaltung des Instituts für Ökonomische Bildung (IÖB), der Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer (IHK), der Handwerkskammer Oldenburg (HWK) sowie des Vereins Wirtschaft im Gymnasium (wigy). Konkret ging es darum zu zeigen, wie Unternehmen Jugendliche bei der Berufsausbildung unterstützen können. Rund 50 Mitarbeiter aus Betrieben nahmen teil, um sich auszutauschen beziehungsweise von ihren Projekten zu berichten.

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Immer mehr Betriebe haben Probleme, ihre Ausbildungsstellen besetzen zu können. „Dafür gibt es verschiedene Gründe wie der demografische Wandel und der Wunsch vieler Schüler, Abitur machen zu wollen“, berichtet HWK-Hauptgeschäftsführer Heiko Henke. Tatsächlich sind es 41 Prozent. „Hinzu kommt die Tatsache, dass Kinder aus bildungsfernen und weniger privilegierten Familien es immer noch schwer haben, einen guten Schulabschluss zu erreichen“, gibt Dr. Rudolf Schröder, Professor für Ökonomische Bildung an der Universität Oldenburg, zu bedenken. So buhlen die Betriebe um gute Schüler und müssen am Ende dennoch lernschwache Jugendliche ausbilden oder auf Ausbildung gänzlich verzichten, was angesichts der Hochkonjunktur im Handwerk kontraproduktiv ist.

Betriebe müssen sich den Gegebenheiten anpassen

Heiko Henke spricht aber noch einen weiteren Grund an: „Die Betriebe müssen sich den aktuellen Gegebenheiten anpassen, um für Jugendliche überhaupt attraktiv zu sein.“ Konkret heißt das, wer Jugendliche fegen oder Kaffee kochen lässt und nur Ansagen macht und inhaltlich zu wenig zu bieten hat, der hat kaum noch Chancen, einen geeigneten Auszubildenden zu finden. „Mit Hilfe der sozialen Netze spricht sich heute blitzschnell herum, wie es in den Betrieben zugeht“, weiß Heiko Henke. „Wer sich also nichts einfallen lässt, der geht leer aus.“

Das bestätigt auch Geschäftsführer Dr. Thomas Hildebrandt von der IHK. „Die Betriebe brauchen engagiertes Ausbildungspersonal und eine attraktive Ausbildung, ansonsten fallen sie durchs Raster.“ Boris Jersch ist Chef eines Malereibetriebs in Oldenburg mit 35 Gesellen und fünf Auszubildenden und hat keine Probleme Azubis zu finden. „Wir sind kein Sozialunternehmen, wir müssen wie alle anderen auch wirtschaften“, stellt er klar. „Dennoch macht es keinen Sinn, sich im Jammertal der Tränen aufzuhalten“, findet er.

Zehn Prozent seiner Mitarbeiter haben einen Migrationshintergrund. Darüber hinaus stellt er auch sozial Schwache ein. „Die sind durchaus lern- und entwicklungsfähig“, weiß er aus langer Erfahrung und räumt ein, dass das auch mit einem Risiko verbunden sein kann. Die meisten Azubis schaffen aber ihren Weg und das liegt am Geist der Mitarbeiter. „Auf sie ist Verlass, sie sind hilfsbereit und binden die jungen Kollegen sofort mit ein. Viele kennen das gar nicht, dass ein Wort zählt und sie ernst genommen werden“, erzählt Boris Jersch.

Wie es in seinem Betrieb zugeht, hat sich offenbar herumgesprochen, denn er stellt auch Abiturienten ein, die bewusst in seinem Betrieb lernen wollen. „Die Mischung macht es“, ist er überzeugt. „Einige Jugendliche brauchen dringend Vorbilder, an denen sie sich orientieren können. Umgekehrt lernen die anderen auch durch die Lernschwachen. Es ist ein Geben und Nehmen.“

Weiterbildungsangebote werden stark nachgefragt

Es gibt mittlerweile mehrere Betriebe, die so vorgehen und gut damit fahren, heißt es auf der Tagung. „Zur Nachahmung empfohlen“, meint Heiko Henke und ist froh über die Veranstaltung, wo von praktischen und hoffnungsvollen Beispielen berichtet wurde. „Auch unsere Weiterbildungsangebote in den Kammern werden sehr stark nachgefragt“, sagt er weiter. „Es ist offenbar ein Ruck durch die Betriebe gegangen“, glaubt er. Auch Thomas Hildebrandt sieht das so. Allerdings wünscht er sich mehr Unterstützung durch die Schulen, die die Schulabgänger besser auf die Arbeitswelt vorbereiten sollten.

Prof. Dr. Hans Kaminski, Leiter des IÖB, bietet Lehrerfortbildung mit dem Fokus auf Berufsorientierung an. „Die Schulen bekommen immer mehr gesellschaftliche Aufgaben zugewiesen, sind aber dafür nicht entsprechend ausgestattet. Es fehlt an Lehrkräften und an Zeit“, kritisiert er und hofft, dass hier bald ein Einsehen stattfindet. Je mehr Jugendliche ohne Ausbildungsplatz blieben, umso größer würden die sozialen Probleme und entsprechend steigen die gesellschaftlichen Kosten, gibt er zu bedenken.

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