„Ein Blick – Ein Fenster“ lautet der erste Teil der neuen Choreographie der BallettCompagnie Oldenburg, der sich mit dem Leben von Fréderic Chopin und George Sand beschäftigt.
Foto: Martina Pipprich
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Oldenburg (vs) – Die zweite Uraufführung der BallettCompagnie am Oldenburgischen Staatstheater „Die Schönste aller Welten“ begeistert derzeit im Kleinen Haus das Publikum. Chef-Choreograph Antoine Jully zieht von tragisch bis heiter alle Register.
Zwei Teile hat auch dieser Ballettabend der neuen Compagnie in Oldenburg. Klassisch ist der erste Teil, wenn zu der Musik und zur Lebens- und Liebesgeschichte von Frédéric Chopin und George Sande getanzt wird. Im zweiten Teil tanzen und „sprechen“ die Tänzerinnen und Tänzer zu ihren Lieblingsmusiken, zu denen der Franzose eine lebendige und heitere Choreographie entwickelt hat.
Das Leben und die Liebe des zurückhaltenden Komponisten und der als Feministin kämpfenden Schriftstellerin steht in den ersten 50 Minuten im Mittelpunkt. „Ein Blick – Ein Fenster“ lautet die Überschrift. Einzelne Lebensabschnitte und Alltagssituationen wie das Komponieren oder das Schreiben werden auf die Bühne gebracht. Die Biographie des Paares wird nicht im Detail erzählt. Auf imaginären Schreibmaschinen wird getippt. Chopin hängt wie ein Gefangener zwischen seinen Klaviersaiten, die auf der Bühne als lange weiße Seile zu sehen sind. Auch die Tuberkuloseerkrankung von Frédéric Chopin wird symbolhaft vermittelt. Eine abstrakte Bildsprache hat Jully entwickelt. Die Tänzer wechseln die Rollen. Die Tänzerinnen tanzen Frédéric Chopin und George Sand wird auch von den Tänzern verkörpert.
Verschiedene Musikstücke untermalen die abstrakten Bewegungen. Antoine Jully lässt die Tänzer solo oder als Gruppe mal abstrakte, mal fließende Bewegungen ausführen. Der Kampf um neue Musik und das Eintreten für Frauenrechte sieht Jully als „gegen den Strom schwimmen“, was der Chefchoreograph in entgegengesetzte Bewegungsabläufe packt. „Der Körper will eigentlich woanders hin als der Kopf“, erklärt Antoine Jully seinen Arbeitsprozess. Das Publikum feiert das Ensemble nach dem ersten Teil. Tänzerisch auf gutem Niveau ist Ausdruckskraft leichte Mangelware. An die schwarz-weißen Rüschenhemden der Männer wollen sich meine Augen nicht gewöhnen.
Gebärdensprache als Ausdrucksmittel
„Favorite Words“ ist die Überschrift der farbigen tänzerischen Collage des zweiten Teils. Lebhaft, fröhlich und mit Leichtigkeit tanzt das junge Ensemble zu ihren Lieblingsmusiken aus den Ländern ihrer Herkunft. In Zusammenarbeit mit einer Lehrerin für Gebärdensprache tanzt das Ensemble Textzeilen mit Händen und Armen. Sind Tänzer daran gewöhnt mit den Beinen zu arbeiten, setzt Antoine Jully hier den Schwerpunkt auf die Arme. Erneut erfordert das ein Umdenken im Kopf der Tänzerinnen und Tänzer. Brassens, Sakamoto, Piaf, Conte und ein Text von Vian sind unter anderem zu hören. Der Spaß an diesem Teil des Abends ist dem Ensemble anzusehen. Ein kleines comicartiges Video zu ländertypischen Sehenswürdigkeiten ist ein kleines Bonbon für das Publikum.
Ist der erste Teil des Doppelabends etwas zu lang geraten, würde das Publikum von dem unterhaltsamen zweiten Teil mit Sicherheit gern mehr sehen. Viel Applaus bekommen die Tänzerinnen und Tänzer. Die Mischung zwischen Klassik und Moderne kommt an beim Publikum. Mit dieser Art von Choreographien kann Antoine Jully beide Seiten der Tanzfreunde erfreuen. Eine eindeutige Tanzsprache und Konsequenz ist bei dieser Art allerdings Fehlanzeige.