Oldenburg (vs) Mit dem vierteiligen „wild & leise“ der BallettCompagnie Oldenburg knüpft Ballettdirektor Antoine Jully dort an, wo er die vergangene Spielzeit am Oldenburgischen Staatstheater beendet hat: auf dem Tanz-Olymp. Handelt es sich bei „Jurassic Trip“ und „Is this it?“ um Wiederaufnahmen und bei „The dying poet“ um eine Neufassung, so ist mit dem teilweise gewechselten Ensemble und der gewachsenen Erfahrung von Antoine Jully besonders in dieser Konstellation im Großen Haus ein Tanzabend der Extraklasse entstanden, der vom Publikum mit langanhaltendem Applaus, Bravo-Rufen und stehenden Ovationen zu Recht gewürdigt wird. Langer und herzlicher Zwischenapplaus sowie starker Schlussapplaus auch nach dem vierten und letzten Teil „Bontsche Schwayg“, das vom Choreografen Barak Marshall in Oldenburg seine Uraufführung feierte.
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„Jurassic Trip“ führt in vergangene Zeiten und nahezu phantastische Welten, in denen Dinosaurier, Flugechsen und andere urzeitliche Lebewesen auf der Erde friedlich und kämpferisch weilten. Unterschiedliche Tierportraits, die von „Sumpfige Landschaft“ und „Im Meer jagenden Plesiosaurus“ bis zum „Angriff der Reptoren“ und dem „Mahl eines Brontosaurus“ reichen, zeichnet Antoine Jully in seinen ausdrucksstarken, temperamentvollen sowie zugleich gefühlvollen Bewegungsstudien. Das Ballettensemble agiert zu der Musik von Guillaume Connesson mit einer geschmeidigen Eleganz, enormer Präsenz und Dynamik, sowie einer zugleich athletischen Leichtigkeit, das beim Zuschauen und Staunen das Atmen fast in Vergessenheit gerät. Ob im Duo oder im Ensemble, die Tänzerinnen und Tänzer gleiten, springen, drehen und fliegen von gefühlvoll bis temporeich. Schleichende, kriechende, echsenhafte, ängstliche sowie kämpferische, ausschweifende und raumgreifende Bewegungsabfolgen gehen mit einer Leichtigkeit ineinander über. Die fließenden Übergänge von der Klassik zur Moderne sind in der Tanzsprache des Choreografen von hoher Ästhetik und Leichtigkeit geprägt. Die körperbetonten, schwarzen Trikots (Kostüme: Judith Adams) sind mit Schulter- und Rückenpolster versehen, die an die Knochenstruktur der prähistorischen Lebewesen erinnern. Sofie Thyssen und Antoine Jully haben die getanzten Bilder mit einer sehenswerten Lichtregie in Szene gesetzt.
Eleganz und Ausdruck in „The dying poet“ und „Is this it?“
In der Neufassung von „The dying poet“ von Antoine Jully, das im Jahr 2022 seine Premiere in Oldenburg feierte, zeigt Tänzer Lester René González Álvarez auf welch höchstem Niveau sich der Tänzer aus Kuba bewegt. Zu der gleichnamigen Musik von Louis Moreau Gottschalk gelingt es ihm mit seiner gewohnt beeindruckenden Eleganz, Körperbeherrschung und seinem Ausdruck die fließende Klaviermusik mit geschmeidigen und zugleich körperbetonten Bewegungsabfolgen mit großer Ästhetik zu untermalen. Langer Applaus für ein beeindruckendes Solo und dem von Anna Kirillova am Flügel live auf der Bühne interpretierten Klavierstück.
Zutiefst berührend und beeindruckend ist das Duett „Is this it?“ mit Nicol Omezzolli und Diego Urdangarin in der Choreografie von Antoine Jully aus dem Jahr 2017. Zur Musik des Sängers Asaf Avidan bewegt sich das perfekt harmonierende Duo in der Gratwanderung zwischen Einsamkeit und Zusammensein. Finden die Akteure zueinander oder bleiben sie für sich? Ein durchsichtiger Plexiglasstuhl als Requisite dient dem Duo als Objekt des Rückzugs und Innehaltens. Wer wagt den nächsten Schritt im Aufeinanderzugehen? Entscheidet der Kopf oder das Herz? War es das? Ästhetik, Eleganz, Ausdruck und Gefühl vereinen sich in der teils körperbetonten Choreografie auf höchstem Niveau.
„Bontsche Schwayg“ als Uraufführung in Oldenburg
Den Abschluss des gefeierten Tanzabends bildet „Bontsche Schwayg“ nach einer Romanvorlage von Jizchak Lejb Perez als Uraufführung von Barak Marshall. Der in Los Angeles geborene und dort sowie in Tel Aviv aufgewachsene Choreograf erzählt das tragische Dasein des Bontsche, der still und einsam gelebt hat und ebenso gestorben ist. In turbulenten Ensembleszenen voller Dynamik und Lebensfreude zeigen die Tänzerinnen und Tänzer in wechselnden Abfolgen bedeutende Momente seines Lebens. Dafür muss das Ensemble auch seine schauspielerischen Talente zeigen, was den Tanz leider stark in den Hintergrund treten lässt. Nicht jede Symbolik und Aktion ist verständlich und bedarf einiger Kenntnisse des jüdischen Lebens und seiner Tradition. So paart sich Tanz mit reichlich Klamauk, was die tänzerische Leistung nicht schmälert jedoch auch nicht zuträglich ist.
Vorstellungstermine und Eintrittskarten gibt es unter www.staatstheater.de.