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Staatstheater: „Woyzeck“ erliegt im Social Media

Das Dramenfragment „Woyzeck“ von Georg Büchner mit Fabian Kulp als Woyzeck und Zainab Alsawah als Marie ist derzeit als Multimedia-Inszenierung in der Exerzierhalle des Oldenburgischen Staatstheaters zu sehen.

Das Dramenfragment „Woyzeck“ von Georg Büchner mit Fabian Kulp als Woyzeck und Zainab Alsawah als Marie ist derzeit als Multimedia-Inszenierung in der Exerzierhalle des Oldenburgischen Staatstheaters zu sehen.
Foto: Stephan Walzl

Oldenburg (vs) Georg Büchners „Woyzeck“ wird auch 2023, 110 Jahre nach seiner Uraufführung, regelmäßig auf die Spielpläne der Theater gesetzt. So auch jetzt im Oldenburgischen Staatstheater mit einer Inszenierung in der Exerzierhalle. Aber sie ist anders als gewöhnlich, denn in Oldenburg gibt es das Dramenfragment um den Soldaten, der für Geld seine Frau tötet, und zugleich Teil eines wissenschaftlichen Experiments ist, im Rahmen der Reihe Technical Ballroom zu sehen.

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Regisseur Kevin Barz bedient sich bei seiner Vorlage eines aktuellen Falles aus dem Jahr 2020, der in Russland geschah und vom Täter live im Internet gestreamt wurde. So steht das Thema Social Media und der damit verbundene Einfluss sowie die Manipulation und die Verführung von Menschen im Mittelpunkt seiner Inszenierung. Woyzeck und seine Frau Marie sind Marionetten einer digitalen Spielwiese, die zunehmend ihr Tun und Handeln negativ beeinflusst und bestimmt. Wie leicht geraten Menschen in diesen verführerischen Sog, sich in den sozialen Medien zu präsentieren und damit anscheinend leicht Geld verdienen zu können. Wie weit sind Menschen bereit, dafür zu gehen? Würden sie für Geld und bloße Anerkennung innerhalb dieser anonymen Gemeinschaft einen Menschen töten? Würden sie, ist die erschreckende Antwort.

Kevin Barz hat für seine Auseinandersetzung mit diesem Thema den Woyzeck und seine Marie als verführbare Menschen inmitten der sozialen Medien unserer Gegenwart gestellt, die in der Exerzierhalle mittels großer digitalen Projektionen omnipräsent sind und das Geschehen maßgeblich bestimmen. Dieses beeindruckende, digitale Bühnenbild wurde geschaffen von Thiemo Eddiks, Marthe Hensmann und Bogdan Orel. Wie im Original, hört Woyzeck Stimmen, die im Dinge befehlen. In Oldenburg sind es Stimmen aus einem Stream, die als Chat auf den Bildschirmen für das Publikum projiziert werden. Die weiteren Figuren des Dramas, die Ausruferin, der Tambourmajor, und Hauptmann und sowie der Doktor sind als äußerts gelungene Avatare auf den Bildschirmen präsent. Neben diesem Streaming ist auch das Gaming, also das Videospiel, und das Spiel mit der 3D-Brille ein großer Bestandteil der Oldenburger Inszenierung. Das Publikum darf sich selbst am Stück beteiligen und bekommt Tablets mit denen es in einem Chat das Geschehen auf der Bühne kommentieren darf, was allerdings keinen Einfluss auf den Verlauf des Stückes hat und somit ein nettes Gimmick bleibt aber auch völlig überflüssig ist. In mitten der Übermacht dieser digitalen Bilderflut haben es Fabian Kulp als Woyzeck und Zainab Alsawah als Marie schwer, mit ihrem Schauspiel zu überzeugen. Fabian Kulp in der Rolle des Getriebenen und als Opfer seiner Bestimmer in dem Menschenversuch schafft es trotz intensiven Spiels nur bedingt zu berühren und Zainab Alsawah bleibt blass als Art Beschützerin Woyzecks, die ihm vor dem physischen und psychischen Untergang bewahren will.

„Woyzeck“ in Oldenburg ein Multimedia-Spektakel

„Woyzeck“ erschien in diesem Jahr in Jugendsprache beim Reclam Verlag und ist 2024 als Abiturstoff im Deutschunterricht vorgesehen. So ist wohl auch zu verstehen, dass die Mehrheit des Premierenpublikums im jugendlichen Alter war und auch in den folgenden, zumeist bereits ausverkauften, Vorstellungen Schulklassen anwesend sein werden. Die zeitgenössische Verortung dieses Dramas von Georg Büchner und seine Übertragung auf die digitalisierte Welt von heute ist sicherlich eine Möglichkeit, diesen Stoff an die junge Generation zu bringen, die in der digitalen Welt zuhause und zum Teil auch verloren ist. Der lange Applaus hat gezeigt, dass ihnen dieses optische Spektakel gefallen hat. Nachhaltig beeindruckend ist so ein digitaler Theaterabend wohl eher nicht.
Vorstellungstermine und Karten sind unter www.staatstheater.de erhältlich.

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