Oldenburg (vs) Oldenburg ist die dritte Stadt nach den Uraufführungen in Düsseldorf und Berlin von „Gott“, dem neuen Schauspiel von Ferdinand von Schirach. Nach seinem Erfolgsstück „Terror“, bei dem das Publikum das Urteil über einen angeklagten Kampfjetpiloten fällen muss, ist auch bei „Gott“ das Publikum gefragt. In seinem neuen Stück mit aktueller Thematik wird die Frage nach Sterbehilfe gestellt und das Publikum stimmt über das Für und Wider ab, ob dem 78-jährigen Richard Gärtner der langersehnte Wunsch nach dem Tod erfüllt werden darf oder nicht.
Anzeige
Vor drei Jahren starb seine Frau und seitdem sieht er keinen Sinn mehr im Leben. Seine Kinder und sein Hausarzt versuchen, ihm diesen endgültigen Wunsch auszureden. Nun tritt der kerngesunde Richard Gärtner vor den Ethikrat und bittet, fleht förmlich darum, dass ihm sein Wunsch erfüllt werde. Seine Anwältin setzt sich energisch für ihn ein. Sein Hausarzt, der Vorsitzende der Ärztekammer, eine Rechtssachverständige und ein Bischof tragen ihre weltlichen, rechtlichen, ethischen und religiösen Standpunkte vor und versuchen den sichtlich gebeugten Mann von seinem Vorhaben abzubringen. Am Ende soll es das Publikum richten; nach einer kurzen Pause Bedenkzeit kommt es im Großen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters zur spannenden Abstimmung.
Inszenierung setzt auf die Kraft der Worte
Regisseur Peter Hailer setzt nach seiner Inszenierung von „Terror“ auch jetzt wieder auf die Kraft des Textes und der Worte. Eine Herausforderung, die das Ensemble ausgezeichnet meistert. Noch weniger Schauspielkunst kommt in dieser Inszenierung zum Einsatz, was auch konsequent ist, kommt es schließlich auf die Worte an. Lediglich Richard Gärtner, als Gast von Winfried Küppers gespielt, darf eindrucksvoll und berührend die Rolle des Mannes spielen, der nicht mehr leben möchte. Still und gebeugt sitzt er auf seinem Stuhl und muss zuhören, wie Andere über sein Leben sprechen und urteilen. Für Gänsehaut sorgen die wenigen Momente, wenn es aus ihm herausbricht und er am Ende den Bischoff anbrüllt, ob er sich denn für Gott hält.
Alle weiteren Rollen kommen überzeugend mit klarem Ausdruck daher, so dass es dem Publikum nicht leicht gemacht wird, an einer vielleicht vorher klaren Meinung zur Sterbehilfe festzuhalten. Nientje C. Schwaabe und Tobias Schormann sind die Mitglieder des Ethikrates; Anke Stedingk gibt als Rechtsanwältin Biegler den Ton an und fährt den Anwesenden gerne über den Mund; Thomas Birklein ist der Arzt, der Gärtners Wunsch auf Hilfe nicht nachkommen kann; Klaas Schramm tritt als Vorsitzender der Ärztekammer und vehementer Gegner der Sterbehilfe arrogant und selbstgerecht auf; Matthias Kleinert ist der Bischof, der schon mal von der Anwältin vorgeführt wird und Eva Spott als klare Juristin, die sich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar dieses Jahres beruft, dass lediglich die ärztliche Beihilfe zum Suizid erlaubt.
Selbstbestimmt Leben – und Sterben
Welche Argumente wiegen schwerer? Das Recht auf selbstbestimmtes Leben und damit konsequenterweise auch auf das des Sterbens? Denn im Persönlichkeitsrecht des Grundgesetzes ist das Recht auf selbstbestimmtes Leben festgelegt. Darf dann der junge Mann, der seinen Arbeitsplatz verloren hat, sich aus Verzweiflung selbst töten? Oder das junge Mädchen mit Liebeskummer? Wo bleibt da die Verantwortung der Mitmenschen?
Wem gehört unser Leben? Uns selbst? Dem Staat? Gott?
Die abschließende Abstimmung beim Premierenpublikum ergibt ein Unentschieden bei vier Enthaltungen. Bevor das Publikum zur Diskussion vor dem Theater den Saal verlässt, gibt es reichlich Applaus für das Ensemble und die Regie.
Die jeweiligen Abstimmungsergebnisse an den Theatern sind unter https://gott.theater/ zu finden. Weitere Informationen, Vorstellungstermine und Karten unter www.staatstheater.de, Telefon 04 41 / 22 25-111 und an der Theaterkasse.