Eine große Mehrheit der Deutschen hält staatliche Hilfe beim Bau bezahlbaren Wohnraums für angebracht, steht aber einzelnen Maßnahmen durchaus skeptisch gegenüber. Das geht aus einer neuen Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) hervor, schreiben die Funke-Zeitungen.
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Befragt wurden 1.630 Teilnehmer, die sich in den nächsten zehn Jahren grundsätzlich einen Umzug oder Wohnungserwerb vorstellen können. Um Kosten zu sparen, sehen die Teilnehmer der deutschlandweiten Befragung vor allem ein mögliches Absenken von Baustandards kritisch. 63 Prozent lehnten geringere Auflagen in dieser Hinsicht ab. Fast die Hälfte der Umfrageteilnehmer (46 Prozent) kann sich auch nicht vorstellen, die Zahl der Pkw-Stellplätze zu begrenzen oder gänzlich ohne Tiefgarage zu bauen. Auch auf Keller und Abstellräume möchten 41 Prozent der Deutschen lieber nicht verzichten, ebenso auf geringere Klimaschutzvorgaben (40 Prozent) – selbst dann nicht, wenn sich damit einige Tausend Euro Baukosten sparen ließen.
Wohnungsbau in Deutschland gilt auch im europaweiten Vergleich als besonders teuer. Einer Analyse des Immobiliendienstleisters CBRE zufolge mussten Bauherren Ende des vergangenen Jahres durchschnittlich mit gut 5.150 Euro pro Quadratmeter beim Bau einer neuen Wohnung kalkulieren. Damit lag Deutschland im europaweiten Vergleich vor Frankreich und Finnland an der Spitze. Deutlich günstiger konnte zum Beispiel in den Niederlanden (4.240 Euro), in Schweden (3.710 Euro) und in Österreich (3.030 Euro) gebaut werden.
Auch wegen gestiegener Kosten waren die Wohnungsbauzahlen in Deutschland zuletzt eingebrochen. Die Bundesregierung versucht mit unterschiedlichen Maßnahmen gegenzusteuern. Der IW-Köln-Untersuchung zufolge halten die Deutschen staatliche Unterstützung beim Bau von bezahlbarem Wohnraum grundsätzlich für geboten (82 Prozent Zustimmung). 68 Prozent der Befragten sprachen sich demnach vor allem für zinsreduzierte Kredite von Förderbanken und eine geringe Grunderwerbssteuer (56 Prozent) aus, um Wohnungsbau erschwinglich zu halten. Auch mit einer einfacheren Ausstattung (52 Prozent), mehr Baulandausweisungen (38 Prozent) oder höheren Wohngebäuden (34 Prozent) können sich viele anfreunden.
Schätzungen zufolge könnten der Bundesrepublik bis 2027 gut 830.000 Wohnungen fehlen. Studienautor Christian Oberst vom IW Köln sagte, er halte einen Mix von Maßnahmen für entscheidend, um den Wohnungsbau wieder anzukurbeln. Als Beispiele nannte er unter anderem steuerliche Sonderabschreibungen, zinsreduzierte Kredite und schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Dass die Deutschen einem möglichen Absenken von Baustandards kritisch gegenüberstehen, überrasche ihn nicht, sagte der Wissenschaftler weiter. „Deutsche werden im Allgemeinen als sehr risikoscheu charakterisiert“, so Oberst. Das spiele dann eben auch bei Bauvorhaben eine Rolle. Für die Baubranche ergebe sich daraus der Auftrag, Kosten, Nutzen und Risiken von Standards zu erklären.
Deutschlands oberster Immobilienverband ZIA drängt jedoch auf Entschlackungen: „Einige Bundesländer setzen zum Beispiel gerade die starren Vorgaben für Stellplätze aus. Das ist genau der richtige Weg. Denn wir müssen insgesamt bedarfsgerechter planen und uns auf das konzentrieren, was wirklich nötig ist“, sagte ZIA-Hauptgeschäftsführerin Aygül Özkan dieser Redaktion. Baustandards seien im Hinblick auf Sicherheit, Gesundheit, Umweltschutz oder Qualität unverzichtbar. Nicht jede einzelne Vorgabe genüge allerdings diesem Anspruch. Laut ZIA würden sich etwa Vorgaben zu Türschwellen widersprechen. Einerseits solle barrierefrei ohne Türschwellen gebaut werden, andererseits gebe es aber wegen des Abflusses von Regenwasser doch Schwellenvorgaben für Türen.
dts Nachrichtenagentur
Foto: Hochhaus-Baustelle (Archiv), via dts Nachrichtenagentur