Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht Deutschland für die verschiedenen aktuellen Krisen gerüstet. „Wir in Deutschland kommen da durch“, sagte er in seiner Neujahrsansprache.
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„Wir kommen auch mit Gegenwind zurecht“, so Scholz weiter. Viele hätten Sorgen, weil die Welt „unruhiger und rauer“ geworden sei. Doch Deutschland stehe besser da, als es viele vor einem Jahr vorausgesagt hätten. „Es ist anders gekommen, weil wir uns gegen den Wirtschaftseinbruch gestemmt haben, weil wir Energie gespart und rechtzeitig vorgesorgt haben“, ergänzte er.
Zudem forderte der Kanzler auch Veränderungsbereitschaft ein und verwies auf Investitionen in die Infrastruktur und europäische Reformen. Die Neujahrsansprache im Wortlaut: „Liebe Mitbürgerinnen und liebe Mitbürger! Wenn ich im Land unterwegs bin, sagen mir gerade auch viele Ältere: „So geballt, so Schlag auf Schlag habe ich das alles noch niemals erlebt.“ – Kaum war Corona halbwegs vorbei, brach Russland mitten in Europa einen unerbittlichen Krieg vom Zaun. – Kurz darauf dreht uns der russische Präsident den Gashahn ab. – Und im Herbst gab es auch noch den brutalen Terrorangriff der Hamas auf Israel. So viel Leid, so viel Blutvergießen. Unsere Welt ist unruhiger und rauer geworden. Sie verändert sich in geradezu atemberaubender Geschwindigkeit. Auch wir müssen uns deshalb verändern. Vielen von uns bereitet das Sorgen. Bei einigen sorgt das auch für Unzufriedenheit. Ich nehme mir das zu Herzen. Und zugleich weiß ich: Wir in Deutschland kommen da durch. Erinnern Sie sich, wo wir vor einem Jahr standen? Drei, vier, fünf Prozent Wirtschaftseinbruch hatten uns viele Expertinnen und Experten vorausgesagt. Viele befürchteten, die Preise würden immer weiter steigen. Es gab die Sorge vor Stromausfällen und kalten Wohnungen. Es ist anders gekommen. Die Inflation ist gesunken. Löhne und Renten steigen. Die Gasspeicher sind für diesen Winter randvoll. Es ist anders gekommen, weil wir uns gegen den Wirtschaftseinbruch gestemmt haben. Weil wir Energie gespart und rechtzeitig vorgesorgt haben. Wir alle – gemeinsam. Wir kommen auch mit Gegenwind zurecht. Das macht die Herausforderungen unserer Zeit nicht kleiner. Aber das gibt Mut, dass wir ihnen gewachsen sind. „Wer, wenn nicht Ihr in Deutschland kriegt das hin?“ – das sagen mir viele um uns herum in Europa und auf der Welt. Und da ist etwas dran. Noch nie hatten so viele Frauen und Männer in Deutschland eine Arbeitsstelle wie heute. Das sichert unseren Wohlstand. Das gibt uns die Möglichkeit, kraftvoll in die Zukunft zu investieren. Und das müssen wir auch. Denn wer in diesen Tagen mit der Bahn unterwegs ist oder vor einer maroden Brücke im Stau steht, der merkt: Unser Land wurde zu lange auf Verschleiß gefahren. Deshalb investieren wir jetzt: in ordentliche Straßen und eine bessere Bahn. – In eine saubere Energieversorgung und in besseren Klimaschutz. – In gute Arbeitsplätze – und zwar in Wirtschaftszweigen, in denen Deutschland schon immer Weltspitze war. Genauso wie in Branchen, wo wir Nachholbedarf haben, zum Beispiel bei der Herstellung von Computer-Chips oder Batterien. All das ist vor dem Hintergrund des weitreichenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts von Mitte November nicht einfacher geworden. Nicht alle Vorhaben, die wir in den Blick genommen hatten, werden wir umsetzen können. Aber wahr ist zugleich: Wir investieren auch im kommenden Jahr eine Rekordsumme in unsere Zukunft. Und unterm Strich entlasten wir auch weiterhin all diejenigen, die jeden Tag aufstehen und zur Arbeit gehen. Die unser Land am Laufen halten. Von morgen an zahlen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland 15 Milliarden Euro weniger an Steuern. Eine vierköpfige Familie mit einem normalen Einkommen hat dadurch im nächsten Jahr mehr als 500 Euro zusätzlich zur Verfügung. Zusammen mit der Steuersenkung in diesem Jahr macht das über 1.600 Euro mehr. Dazu kommen das höhere Kindergeld, das Wohngeld und nicht zuletzt die Senkung der Beiträge zur Sozialversicherung für all diejenigen, die wenig verdienen: Die Pakete ausfahren oder Supermarktregale einräumen. Die vorher ihre Kinder zur Schule bringen und nach der Arbeit noch den Haushalt schmeißen. Über sie liest man nicht jeden Tag in der Zeitung. Aber mir ist es wichtig, dass ihre Leistung gesehen und anerkannt wird. Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Auch in Zeiten wie diesen gibt es Dinge, auf die wir uns verlassen können. Die uns stark machen: Wir haben Freunde – in Europa und rund um den Globus. Partner, mit denen ich mich Tag für Tag darüber abstimme, wie wir unsere Sicherheit in Deutschland und Europa gewährleisten. Stark macht uns die Europäische Union. Wenn die EU geschlossen auftritt, dann handelt sie für mehr als 400 Millionen Bürgerinnen und Bürger. In einer Welt mit acht, künftig sogar mit zehn Milliarden Menschen ist das ein echtes Pfund. Darum ist es so wichtig, dass Europa geeint und gestärkt aus der Europawahl im kommenden Jahr hervorgeht. Denn Russlands Krieg im Osten unseres Kontinents ist ja nicht vorbei! Die kriegerische Auseinandersetzung im Nahen Osten auch nicht. Und in den USA stehen im kommenden Jahr Präsidentschaftswahlen an, möglicherweise mit weitreichenden Konsequenzen – auch für uns hier in Europa. Kurz vor Weihnachten haben wir uns in der Europäischen Union nach sieben Jahren des Stillstands auf eine tiefgreifende Reform des Europäischen Asylsystems geeinigt. Künftig können wir die Außengrenzen Europas besser kontrollieren. Und auch an den Grenzen zu unseren Nachbarländern hat die Bundespolizei ihre Kontrollen verstärkt. Das wirkt. Schon in den vergangenen Wochen ist die Zahl derer, die über diese Grenzen kommen, spürbar gesunken. Stark macht uns auch unsere Demokratie. Es ist noch gar nicht allzu lange her, da haben mutige Frauen und Männer auch hier in Deutschland für freie Wahlen gekämpft. Vor 35 Jahren war das, als in der DDR die friedliche Revolution begann. Mitzureden und mitzuentscheiden – das ist ein kostbares Gut. Diskussionen über den richtigen Weg gehören dazu. Das Ringen um faire Kompromisse ebenfalls – auch wenn ich auf manch laute Debatte in den vergangenen Wochen und Monaten durchaus hätte verzichten können. Zur Wahrheit gehört aber auch: Ganz ohne Diskussionen über den richtigen Weg funktioniert Demokratie nicht. Nichts wird besser, wenn wir nur übereinander reden, anstatt miteinander. Stark macht uns unsere Bereitschaft zum Kompromiss. Unser Einsatz füreinander. So wie in vielen Teilen Deutschlands, die in diesen Tagen unter dem schrecklichen Hochwasser und seinen Folgen leiden. Ich denke an alle Betroffenen, denen wir selbstverständlich helfen und die wir in diesen schweren Stunden nicht alleine lassen. Und ich danke all den Frauen und Männern von der Feuerwehr und Bundeswehr, vom THW, den Rettungsdiensten, und den vielen freiwilligen Helferinnen und Helfern, die mit ganzer Kraft gegen das Hochwasser kämpfen. Herzlichen Dank an Sie alle für Ihren Einsatz! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, uns macht auch die Einsicht stark, dass jede und jeder gebraucht wird in unserem Land – die Spitzen-Forscherin genauso wie der Altenpfleger, die Polizistin genauso wie der Paketbote, die Rentnerin genauso wie der junge Auszubildende. Wenn wir uns das klarmachen, wenn wir uns gegenseitig mit diesem Respekt begegnen, dann brauchen wir keine Angst zu haben vor der Zukunft! Dann kann das Jahr 2024 ein gutes Jahr werden für unser Land. Auch wenn manches anders kommt, als wir uns das heute, am Vorabend dieses neuen Jahres, vorstellen. Ihnen und Ihren Liebsten wünsche ich von ganzem Herzen ein gesundes, ein friedvolles, ein frohes Neues Jahr!“
dts Nachrichtenagentur
Foto: Aufzeichnung der Neujahrsansprache von Olaf Scholz am 29.12.2023, via dts Nachrichtenagentur