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Dem Phänomen „Extremwelle“ auf der Spur

Extremwellen wurden lange Zeit als Seemannsgarn abgetan. Oldenburger Forscher haben einen Teil des Geheimnisses der Monsterwellen gelüftet.

Oldenburger Forscher sind den Geheimnissen der sogenannten Monsterwellen auf der Spur.
Foto: Daniel Dietrich / flickr.com; Lizenz: CC BY-SA 2.0

Oldenburg (zb/pm) Extremwellen wurden lange Zeit als Seemannsgarn abgetan. Doch als Satellitenbilder Anfang der 1990er Jahre ihre Existenz belegten, interessierten sich auch Wissenschaftler für dieses unerklärliche Phänomen. So auch Oldenburger Forscher, die dem Phänomen auf der Spur sind und einen Teil des Geheimnisses der Monsterwellen gelüftet haben. Der Doktorand Ali Hadjihosseini, Dr. Matthias Wächter sowie Prof. Dr. Joachim Peinke haben jetzt eine Methode zur kurzfristigen Vorhersage von Extremwellen entwickelt.

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Experten gehen davon aus, dass bis zu zehn Schiffsunglücke pro Jahr auf die Wellenungetüme zurückzuführen sind, die allerdings nicht zu verwechseln sind mit Tsunamis, deren Ursache Erdbeben sind. „Bei der Extremwelle handelt es sich vielmehr um eine einzelne Welle, die plötzlich auf offener See auftritt und mindestens doppelt so groß ist wie die Wellen in ihrer Umgebung und die keine Zeit lässt zu reagieren“, erklärt Wächter. „Sozusagen Wasserberge mit einer Höhe von bis zu 30 Metern, die bei einem Aufprall enorme Kräfte entwickeln und buchstäblich kleinere Schiffe verschlucken und größere manövrierunfähig machen“, erläutert der Physiker. Doch bis heute weiß niemand, wie sie entstehen.

Der Versuch, Extremwellen vorherzusagen, scheiterte bisher häufig an dem Problem, dass sich das Phänomen nicht mit linearer Mathematik beschreiben lässt. Die Oldenburger Wissenschaftler haben nun einen anderen Weg ausprobiert. Sie entwickelten eine statistische Methode, die sogenannte Multipunkt-Statistik, mit der sich Extremwellen vorhersagen lassen. Konkret erfassten die Experten Wellenhöhen an verschiedenen Messpunkten zu unterschiedlichen Zeiten, hauptsächlich mithilfe von Bojen. Daten erhielten sie unter anderem aus Japan. Das Land ist von dem Phänomen stärker betroffen.

Dr. Matthias Wächter erforscht Extremwellen.
Foto: privat

Um die Fülle von Messdaten analysieren zu können, wendeten sie einen Trick aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung an, den sogenannten Markow-Prozess. Der Haupteffekt liegt darin, dass selbst wenn nur ein Teil der Vorgeschichte eines Ereignisses bekannt ist, eine ebenso gute Entwicklungsprognose möglich ist wie bei der Betrachtung des gesamten Hergangs. Dieser Kniff ermöglichte es den Forschern, ihre Messdaten zu vereinfachen, ohne auf wichtige Informationen verzichten zu müssen.

„Das war der entscheidende Schritt“, sagt Wächter, der davon ausgeht, dass die Forschung eines Tages für mehr Sicherheit auf hoher See sorgen wird. Bisher liegt die Vorhersage für einzelne Wellen allerdings nur im Bereich einiger Sekunden, was viel zu knapp ist, um als Seemann noch reagieren zu können. „Das allgemeine Risiko von Extremwellen lässt sich allerdings schon gut bestimmen“, berichtet Wächter weiter. Darüber hinaus könne die Multipunkt-Statistik auch für die Vorhersage anderer Phänomene eingesetzt werden, beispielsweise Windböen. Eine entsprechende Forschung am Institut für Physik läuft bereits.

Das Folgeprojekt endet 2017. Dann gibt es einen Abschlussbericht. Ob bis dahin weitere Erkenntnisse vorliegen oder sogar eine Vorwarnung für Schiffe in Sichtweite ist, kann Wächter derzeit noch nicht sagen. Er würde es begrüßen, wenn Betroffene die Forschung unterstützen würden. Da denkt er zum Beispiel an Reedereien. Viel Unterstützung erfahren die Oldenburger Physiker derzeit von speziellen Communities, die sich ebenfalls mit statistischer Physik befassen. Das sind unter anderem Leute aus den USA und Australien.

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