Filmfest

Filmfest: Von Kultkneipen und vollen Kinosälen

Festivalleiter Torsten Neumann, Filmemacher George Armitage, Audizentrum-Geschäftsführerin Christine Nickel und Shannon Armimage beim Audi Empfang vor dem Oldenburger Schloss.

Festivalleiter Torsten Neumann, Filmemacher George Armitage, Audizentrum-Geschäftsführerin Christine Nickel und Shannon Armimage beim Audi Empfang vor dem Schloss.
Foto: Lawrence Diederich

Anzeige

Oldenburg / am / ce / ck / ohm – Am Filmfest-Donnerstag wurden die Spielstätten Cine k, Exerzierhalle, Casablanca, EWE Forum Alte Fleiwa und theater hof/19 vom 22. Internationalen Filmfest Oldenburg in Betrieb genommen. Die Kinosäle waren weitgehend ausverkauft. Erste Highlights wurden gesichtet. Und auch die Zeit der Empfänge und Parties nahm gestern ihren gewohnten Lauf auf.

Das Audizentrum Oldenburg hatte unter anderem Kunden und Mitarbeiter zum Empfang mit Präsentation der neuen Automodelle in den Schlosshof geladen. Wegen des schlechten Wetters fand die Veranstaltung im Schloss statt. Anschließend ging es mit dem VIP-Shuttle in die Exerzierhalle. Gemeinsam mit anderen Filmfestgästen sollte mit „Grosse Pointe Blank“ der erste Film der Retrospektive auf das Werk von George Armitage geschaut werden. Leider spielte die Technik nicht mit und es musste auf das Casablanca-Kino ausgewichen werden. Hier lief der Film im Originalton. Bei der Party im „Marvins“ waren sich die Gäste auch in diesem Jahr einig, dass die Kneipe Kult ist. Insbesondere die internationalen Besucher des Filmfestes feierten bis in die frühen Morgenstunden.

Der Profi George Armitage hatte großes Verständnis und plauderte über seinen Film aus dem Jahr 1997. Festivalchef Torsten Neumann rettete die Situation und überredete die Gäste, ihm ins Casablanca zu folgen, denn dort lief der Film zeitgleich.

Der Profi George Armitage (rechts) hatte großes Verständnis und plauderte über seinen Film aus dem Jahr 1997. Festivalchef Torsten Neumann rettete die Situation und überredete die Gäste, ihm ins Casablanca zu folgen, denn dort lief der Film zeitgleich.
Foto: Anja Michaeli

Aber natürlich geht es bei einem Filmfest um Filme und davon gab es gestern schon einige, die gefielen.

„The Ecstasy of Wilko Johnson“: Spiel mit dem Tod

Wilko Johnson wurde bekannt als charismatischer Gitarrist der englischen Rockband Dr. Feelgood. Als 2013 bei ihm Krebs diagnostiziert wird, geben die Ärzte ihm nur noch wenige Monate. Und was macht ein Vollblutmusiker, wenn er weiß, dass er nicht mehr lange zu leben hat? Genau, er geht noch einmal auf Tour. Der Titel „The Ecstasy of Wilko Johnson“ ist Programm, denn die Dokumentation von Regisseur Julien Temple kommt wie ein Drogentrip daher. Da werden Livemitschnitte mit Ausschnitten aus alten Filmen und surrealen Einspielern gemischt, dass einem schwindelig wird. Und es wird Schach gespielt. Gegen den Tod versteht sich. Auch wenn man nicht alle Elemente versteht, steht doch eines fest: Dieser Film ist eine wunderbare Hommage an die Musik und das Leben. Und ein sehr liebevolles Portrait eines außergewöhnlichen Menschen. (ce)

„Ich bin tot, macht was draus!“: Ein Hoch auf die Männerfreundschaft

Die belgische Rockband Grand Ours ist schon in die Jahre gekommen, als endlich die erste US-Tour ansteht. Nachdem schon der Schlagzeuger wegen Rückenproblemen durch einen dauerflirtenden Jungspund ersetzt wurde, stirbt unerwartet der Sänger. Als dann auch noch der langjährige Lebenspartner des Verstorbenen, von dem niemand etwas wusste, auftaucht, überschlagen sich die Ereignisse und man findet sich plötzlich am nördlichsten Zipfel Kanadas wieder. Im Gepäck die Asche des Toten. „Ich bin tot, macht was draus!“ ist eine herrlich erfrischende Komödie mit großartigen Hauptdarstellern und sehenswerten Drehorten. Und mit ein bisschen Sex, nicht wenigen Drugs und ganz viel gelebtem Rock’n’Roll. Es ist bereits der zweite Film, den die Regie-Brüder Maladrin mit dem Schauspieler Bouli Lanners drehen, der völlig zu Recht sowohl in Belgien als auch in Frankreich ein Star ist. Der Film läuft noch einmal am Sonntag, 20. September, um 16.30 Uhr im Casablanca. (ce)

„The Strongest Man“: Man muss sie einfach mögen

Das besondere am Filmfest ist unter anderem, dass Regisseure, Schauspieler oder Produzenten nach dem Screening für Fragen zur Verfügung stehen. Hier bei The Strongest Man freute sich Filmemacher Kenny Riches über ein interessantes Gespräch.

Das besondere am Filmfest ist unter anderem, dass Regisseure, Schauspieler oder Produzenten nach dem Screening für Fragen zur Verfügung stehen. Hier bei „The Strongest Man“ freute sich Filmemacher Kenny Riches über ein interessantes Gespräch.
Foto: Christian Kruse

Dass er der stärkste Mann ist, beweist Beef, Sohn kubanischer Einwanderer, gleich zum Einstieg in die fabelhafte Komödie „The Strongest Man“, in der es um goldene Fahrräder und große Freundschaften geht. Der ängstliche und scheue Beef und sein philosophischer Kumpel Conan, der chinesische Koreaner, sind anders als andere, sind weder Helden noch Prinzen. Aber auch als Außenseiter haben sie ihre kleinen Träume, die gar nicht so einfach zu erreichen sind. Kleine Pleiten und großen Pannen führen zum größten Übel: Das goldene BMX-Rad von Beef wird gestohlen. Und irgendwas mit einem Huhn ist da auch. Melancholisches und Witziges geben sich in der Komödie mit viel Situationskomik und trockenem Humor die Hand. Den beiden Hauptdarsteller Robert Lorie und Paul Chamberlain als Beef und Conan könnte man stundenlang bei ihrem Treiben zuschauen, an manchen Stellen sie in den Arm nehmen. Der Film wurde zu Recht vom Sundance Film Festival als „You have to watch“ gelobt. Das Oldenburger Publikum belohnte die Leistung mit Lachern von der ersten Minute an. „The Strongest Man“ wird noch einmal am Samstag, 19. September, 16.30 Uhr im EWE Forum Alte Fleiwa gezeigt. (am)

„Crumbs“: Mehr als ein Drama aus Absurdistan

Allein schon die in Äthiopien aufgenommenen Bilder erstaunen – neben Urwälder und Wüsten auch die perfekten Kulissen eines postapokalyptischen Dramas: verlassene Vorstädte, kaputte Gleise, ein so verlassener wie gespenstisch anmutender Bowling-Club. In diese Kulisse schuf Regisseur Miguel Llansó eine absurd anmutende Story über letzte Reste einer Gesellschaft einige Jahrzehnte nach einem verheerenden Krieg, in der Plastikfiguren oder Michael-Jackson-Platten zu begehrten Tauschobjekten wurden. Über dieser ganzen Szenerie klebt wie Raumschiff Enterprise in den 60ern ein Ufo am Himmel, aus dem ein überdimensionaler Arm ragt.

Wie eine Reise in eine andere Welt sei für ihn das Filmemachen, berichtete Regisseur Llansó dem Casablanca-Publikum. Aber so fremd sich der Streifen noch beim Schauen anfühlt, so aktuell will Llansó die dem großartigen Charakterdarsteller Daniel Tadesse auf den Leib geschriebene Story verstanden wissen: Überall, nicht nur in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba, ist Ödnis angekommen. Einst so beliebte wie belebte Orte, sagte Llansó, an denen sich Leute treffen, reden, Kaffeetrinken, seien längst aus dem Stadtbild verschwunden, ersetzt durch „hässliche Orte“: Shopping-Malls, Geschäftszeilen. „Und das passiert überall: in Äthiopien, bei uns in Spanien, auch hier.“

Llansó hat mit seinem Langfilmdebüt mehr geschaffen als ein Drama aus Absurdistan. Zwar fällt es nicht leicht, den tiefen Sinn in der Story zu erkennen, wenn der Haupt-Charakter Gagano auf seiner Suche nach Santa Claus tatsächlich Erfolg hat. Aber am Ende hat man sich an alles gewöhnt. An den aus einem Michael-Jordan-Poster und Colaflaschen errichteten Schrein, an die Hexen, die vermummten Nazis und sogar an das Raumschiff. Ein Kandidat für den Publikumspreis. (ohm)

Filmfest-Party im Marvins

Filmfest-Party im Marvins

Vorheriger Artikel

Filmfest: „Ich fang dann mal an …“

Nächster Artikel

Filmfest: Strahlende Ehrengäste

Keine Kommentare bisher

Einen Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.