Oldenburg (zb) Zu einem Werkstattgespräch mit dem Titel „Neues Wohnen und Pflege für den ländlichen Raum“ hatten das Forum Gemeinschaftliches Wohnen, das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung in Kooperation mit dem Amt für regionale Landesentwicklung Weser-Ems nach Oldenburg in den Alten Landtag eingeladen. Rund 80 Teilnehmer aus Kommunen, von Pflege- und Gesundheitsverbänden, aus Politik, der Wohnungswirtschaft und Wissenschaft nahmen daran teil.
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„Wohnen und Pflege im ländlichen Raum gehören zu den größten Herausforderungen“, erklärte Landesbeauftragter Franz-Josef Sickelmann, der davor warnte, auf die Politik zu warten und stattdessen auf bürgerschaftliches Engagement setzt. „Die Probleme im ländlichen Raum sind seit Jahren absehbar und können nur gemeinsam bewältigt werden. Von der Kirche über den Schützenverein bis hin zu den Wohlfahrtsverbänden und der jeweiligen Kommune müssen sich alle zusammentun und herausfinden, was die Menschen im ländlichen Raum benötigen“, meinte er.
Es gibt bereits kreative Kommunen in Weser-Ems, die zusammen mit den Bewohnern Konzepte erarbeiten und realisieren. Denn viel Zeit bleibt nicht, um die Notstände aufzuhalten. So sind gegenwärtig in Niedersachsen 365 Hausarztstellen – insbesondere im ländlichen Raum – unbesetzt. In den nächsten zehn Jahren gehen weitere 1000 Hausärzte von rund 5000 in den Ruhestand. Außerdem werden dringend 3000 Pflegekräfte im Land gesucht. Zudem ist die Mobilität eingeschränkt und es fehlt im Alter an neuen Wohnformen, denn kaum ein älterer Mensch möchte am Endre seines Lebens ins Heim.
Dr. Josef Bura, Vorsitzender des Forums Gemeinschaftliches Wohnen, sprach sich für neue Wohn- und Pflegeformen aus. „Wir müssen Alternativen zu Heimen entwickeln, das Potenzial auf dem Land ist groß“, erklärte er. Er favorisiert ambulant betreute Gemeinschaften. Das heißt, die Menschen haben ihre eigene Wohnung, können aber auf Betreuung zurückgreifen und vor allem auf Nachbarschaft.
So wie in Vechta, wo die Sozialstation Nordkreis Vechta mit der Fachstelle Nachbarschaft ein lokales Unterstützungsnetzwerk aufgebaut, das auf der Tagung vorgestellt wurde. Es wird dort diskutiert, wie älteren Menschen dadurch der Verbleib im eigenen Zuhause trotz Unterstützungsbedarfs ermöglicht werden kann. „Gerade bei Älteren brechen soziale Netzwerke immer stärker weg“, machte Janine Devers von der Sozialstation Nordkreis Vechta deutlich. „Dennoch möchten sie ihr Zuhause deshalb nicht verlassen, weshalb wir auf verbindliche Nachbarschaft setzen.“
Konkret werden dort einerseits Bedarfe abgefragt und andererseits gibt es Menschen in der Nachbarschaft, die ihre Hilfe anbieten, so dass mit Hilfe einer Nachbarschaftsbörse beide Seiten zusammengebracht werden. Das Niedersächsische Sozialministerium fördert entsprechende Ansätze.
In 45 Einzelprojekten werden in allen Regionen Niedersachsens seit 2015 modellhafte Konzepte umgesetzt und daraus neue Erkenntnisse für zukünftige Herausforderungen des Wohnens und der Pflege abgeleitet. „Leider ist der Norden des Landes diesbezüglich noch ein weißer Fleck, weshalb wir uns mehr Engagement wünschen“, sagt Franz Josef Sickelmann.
Die Zeiten, in denen alles Gute von oben komme, seien vorbei, hieß es während der Veranstaltung. Es müsse verstärkt auf die Kraft der Zivilbevölkerung gesetzt werden. Die Bürger müssten ihre Belange in ihren Quartieren selbst in die Hand nehmen und das umsetzen, was tatsächlich ihren Bedürfnissen entspräche. Die Politik, so lautete eine weitere Forderung, brauche ein neues Verständnis, nämlich die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in diverse Vorhaben.