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Hebammenschule: Jede Geburt ist wie ein Wunder

Irmi Krause, Inge Hocke, Annika Brotzmann, Sabine Menke, Ines Eusebio Gonzales und Tammy Theilken sind begeisterte bzw. werdende Hebammen.

Irmi Krause, Inge Hocke, Annika Brotzmann, Sabine Menke (hintere Reihe von links), Ines Eusebio Gonzales und Tammy Theilken (vorne von links) sind begeisterte bzw. werdende Hebammen.
Foto: Katrin Zempel-Bley

Oldenburg (zb) „Jede Geburt, die ich bislang erlebt habe, ist für mich wie ein Wunder“, sagt Tammy Theilken aus Varel. Die 20-Jährige wird Hebamme und lässt sich zurzeit gemeinsam mit 14 anderen Frauen an der Hebammenschule des Klinikums Oldenburg ausbilden.

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So wie ihr geht es auch der 20-jährigen Annika Brotzmann und Irmi Krause (43). Alle drei Frauen wussten sehr früh, dass sie Hebamme werden wollen. „Es ist die Mischung aus medizinischem Wissen, der sehr intensive Umgang mit Menschen und die Faszination Leben“, sagen die drei Schülerinnen. Wobei Irmi Krause sich ihren Berufswunsch erst mit über 40 Jahren erfüllen kann. „Es war der Wunsch meiner Eltern, dass ich studiere“, erzählt sie. So wurde sie Sozialpädagogin, was ihr Freunde gemacht hat, aber es schlummerte noch der Wunsch in ihr, Hebamme zu werden. „Inzwischen habe ich drei Kinder, die mich nicht mehr rund um die Uhr brauchen. Da habe ich meine Chance genutzt und mich beworben.“

„Alle drei Jahre gibt es 15 Plätze an unserer Schule“, berichtet Inge Hocke, Leitende Lehrerin für Hebammenwesen. Der Beruf ist äußerst stark nachgefragt, doch die Ausbildungsplätze sind bundesweit rar. Ein bisschen ist der Ausbildungsplatz so wie ein Sechser im Lotto. Auch Annika Brotzmann aus Idar-Oberstein hat das so empfunden. „Ich habe mich überall beworben“, sagt sie und freut sich darüber, in eine andere Region gekommen zu sein.

Für Inge Hocke ist die Mischung der 15 angehenden Hebammen entscheidend. „17 Jahre müssen sie mindestens sein, über einen Realschulabschluss, soziale Kompetenzen, Geduld und Einfühlungsvermögen verfügen. Wir sind immer froh, auch ein paar ältere Frauen darunter zu haben. Das hat sich stets bewährt.“ Drei Jahre dauert die Ausbildung. 1600 Theorie- und 3000 Praxisstunden müssen bewältigt werden. Dass sich Theorie und Praxis ständig ablösen, finden die drei Frauen besonders gut. „Das, was wir in der Theorie gelernt haben, finden wir in der Praxis wieder und dadurch verfestigt sich das Wissen“, findet Tammy Theilken.

Hebammen betreuen das Geburtsgeschehen. Schon während der Schwangerschaft sind sie Ansprechpartnerin für die Schwangeren. Während der Geburt sind sie eine wichtige Hilfe ebenso wie danach. „Es passiert mir immer wieder, dass mich Frauen noch nach Jahren im Supermarkt ansprechen und sich für die Unterstützung im Kreißsaal bedanken“, berichtet Sabine Menke, eine von 23 Hebammen im Klinikum Oldenburg. Ihre Kollegin Ines Eusebio Gonzales bestätigt das. „Unter der Geburt sind wir sehr wichtig und für einige Frauen unvergessen.“

Auf dem Stundenplan stehen Fächer wie Anatomie und Physiologie, Gynäkologie und Geburtshilfe, Schwangeren- und Wochenbettbetreuung, Hebammentätigkeit, Kinderheilkunde, Ernährungslehre, Hygiene, Arzneimittellehre, Mikrobiologie, Chemie, Psychologie, Organisation im Krankenhaus sowie Berufs-, Staatsbürger- und Gesetzeskunde. Die Praxis erlernen Sie in medizinischen Abteilungen: im Kreißsaal, auf der Wochenstation, im Neugeborenenzimmer, auf der operativen und nichtoperativen Pflegestation, im Operationssaal oder in der Kinderklinik. Um auch Einblicke in die freiberufliche Tätigkeit zu gewinnen, gehen die angehenden Hebammen im sogenannten Externat in Praxen und Geburtshäuser.

Am Ende ihrer Ausbildung legen sie ein Staatsexamen ab. Die Prüfung beinhaltet einen praktischen, schriftlichen und mündlichen Teil. Der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung berechtigt zur Führung der Berufsbezeichnung Hebamme. Ein Beruf mit sehr viel Verantwortung, denn eine Hebamme leitet die Geburt ab Wehenbeginn völlig selbstständig. Laut Gesetz besteht die Hinzuziehungspflicht einer Hebamme. Das heißt, ein Arzt darf nur im Notfall eine Geburt ohne Hebamme durchführen.

Bei problemlosen Geburtsverläufen ist ein Arzt nicht erforderlich. Im Klinikum Oldenburg finden wegen der angeschlossenen Spezialkliniken häufig kompliziertere Geburten statt. „Für uns ist es aber optimal, alle möglichen Fälle zu erleben, denn das ist schließlich die Realität“, sagt Irmi Krause. „Je mehr wir kennenlernen, umso besser sind wir auf unsere berufliche Zukunft vorbereitet.“

Gerade weil es mitunter komplizierte Geburten sind, ist die Situation entsprechend schwer. Da müssen Hebammen nicht nur ihr fachliches Wissen einsetzen, sie müssen sich auch ganz und gar auf die Gebärenden und ihre emotionale Lage einlassen. „Natürlich sind die oft angespannt und ängstlich“, sagt Sabine Menke, die nicht mehr weiß, bei wie viel Geburten sie geholfen hat. „Wir kommen extrem nah heran an die Frauen und müssen alles tun, um sie unter der Geburt optimal zu begleiten“, sagt Inge Hocke. „Außerdem müssen Hebammen erkennen, ob der Geburtsverlauf pathologisch wird und entscheiden, ob ein medizinisches Eingreifen notwendig ist.“

Das Tätigkeitsfeld direkt nach der Geburt umspannt die Beurteilung des Neugeborenen, die Pflege und alle erforderliche Untersuchungen von Mutter und Neugeborenem unmittelbar nach der Geburt, einschließlich der Kindervorsorgeuntersuchung U1. Auch anschließend sind Hebammen im Einsatz, um Frauen im Wochenbett und ihre Säuglinge zu betreuen. Vom Stillen über Pflege und Ernährung bis hin zu Rückbildungsgymnastik reicht ihr Aufgabenspektrum. Und so schön jedes Wunder im Kreißsaal auch ist, den Hebammen entgeht nicht, dass die Neugeborenen unterschiedlich an den Start gehen.

„Es gibt Paare, die sind einfach nur glücklich und freuen sich auf ihr Leben mit ihrem Kind. Es gibt aber auch das Gegenteil und alles dazwischen“, erzählen die Schülerinnen, und die erfahrenen Hebammen bestätigen das. „Manchmal wird uns schwer ums Herz. Da machen wir uns schon Gedanken um das Baby“, sagt Ines Eusebio-Gonzales.

Es kommt auch vor, dass ein Baby unter der Geburt stirbt. „Das sind sehr harte Momente“, finden die Schülerinnen. Damit umgehen zu können, ist auch Teil ihrer Ausbildung. „Wie alle medizinischen und pflegenden Fachkräfte müssen auch wir lernen, eine gewisse Distanz zum Geschehen aufzubauen. Wir dürfen nicht zu viele traurige Gedanken mit nach Hause nehmen“, weiß Inge Hocke aus langjähriger Erfahrung. „Außerdem bekommen wir ganz viel Anerkennung und Dank von den Frauen. Das gibt uns Kraft und Zuversicht für die nächste Geburt, egal, wie sie verläuft.“

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