Oldenburg (zb) – Gesellschaftliche Entwicklungen spiegeln sich auch im Geschehen des Oldenburger Amtsgerichts wider. So wehrte sich manch ein Mieter gegen Mieterhöhungen, weil sie damit finanziell überfordert waren, wiederum andere beschäftigten vermehrt das Grundbuchamt, weil sie Wohnungen oder Häuser gekauft haben. Jürgen Possehl, Direktor des Amtsgerichts Oldenburg, zog eine Bilanz für 2015.
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„Wir spüren den vermehrten Zuzug nach Oldenburg, der mit erheblichem Eigentumswechsel verbunden ist. Auch die zahlreichen Neubauten machen sich beim Grundbuchamt bemerkbar. 16.640 Anträge sind im vergangenen Jahr im Grundbuchamt eingegangen, das waren 90 mehr als 2014“, berichtet Possehl. Aufgrund der wirtschaftlich guten Lage sind die Zwangsversteigerungen zurückgegangen. Auffällig sind hier jedoch die steigenden Verkehrswerte. „Das liegt an der akuten Wohnungsnot in Oldenburg. Viele Jahre wurden Häuser meistens unter ihrem Verkehrswert verkauft, neuerdings weit darüber.“
Gestiegen sind die Straf- und Bußgeldsachen gegen Erwachsene. Von 9722 Eingängen konnten 9675 erledigt werden. Ein Jahr zuvor waren es 9365 Eingänge, von denen 9358 abgeschlossen wurden. Als erfreulich bezeichnet Possehl die Entwicklung bei Jugendlichen und Heranwachsenden. Gab es 2014 noch 1155 Eingänge bei Strafsachen, waren es im vergangenen Jahr nur noch 1013, von denen 1048 abgeschlossen werden konnten. Die Zunahme der Strafsachen gegen Erwachsene stehe nicht in Zusammenhang mit Flüchtlingen, erklärte Possehl. „Flüchtlinge sind bei uns nicht deutlich in Erscheinung getreten.“
Während in 2014 die Zahl der Zivilsachen auf 650 Verfahren hochgeschnellt ist, waren es im vergangenen Jahr 396 Fälle. Urheberrechtsverletzungen im Internet sorgten für den Höchststand in 2014. Bei den Zivilsachen wurden zudem private Mietstreitigkeiten sowie alle sonstigen privatrechtlichen Streitigkeiten wie Verkehrsunfallsachen und Kaufrecht bearbeitet.
In der Familienabteilung des Amtsgerichts gingen 2015 insgesamt 1760 Verfahren zur Bearbeitung ein. Davon betrafen rund 30 Prozent Ehescheidungen, bei 41 Prozent ging es um Sorge- und Umgangsverfahren und in 22 Prozent der Fälle standen Unterhaltsstreitigkeiten im Mittelpunkt. Außerdem war das Familiengericht mit den Folgen der Flüchtlingsströme befasst. Allein in 145 Fällen ging es um die Vormundschaft von minderjährigen Flüchtlingskindern, die ohne Eltern in Oldenburg eintrafen. Für sie musste die Vormundschaft geklärt werden, was mit einem erheblichen zusätzlichen Arbeitsaufwand verbunden war.
Possehl stellte zum letzten Mal den Jahresbericht vor. Der 66-Jährige geht im September in den Ruhestand. Grund für ihn zurückzublicken und festzustellen, dass es im Amtsgericht rauer zugeht. „Das Klima ist härter geworden, die Sitten verrohen. Die Achtung vor dem Gericht lässt spürbar nach“, sagt er und führt das auch auf zahlreiche Fernsehsendungen zurück, die mit der Realität im Gerichtssaal nur sehr wenig zu tun haben. „So wollen immer häufiger Zuschauer in den Gerichtsverhandlungen mitreden“, berichtet er. „Was Frau Salesch in ihrer Gerichtsshow treibt, ist ein Zerrbild der Justiz. Offenbar halten es aber einige Leute für bare Münze“, bedauert er.