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Kommentar: Entwicklung verschlafen

Auch in Oldenburg ist die Schadstoffbelastung zu hoch. Gemessen wird am Heiligengeistwall.

Auch in Oldenburg ist die Schadstoffbelastung zu hoch. Gemessen wird am Heiligengeistwall.
Foto: Anja Michaeli

Immer mehr Großstädte in Europa kämpfen mit Feinstaub und Stickoxiden und die EU erhöht den Druck auf sie, weil die gemessenen Werte die Gesundheit vieler Menschen bedroht. Wegen der zum Teil extremen Schadstoffbelastung hat die EU bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland angestrengt.

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Davon ist auch Oldenburg betroffen. Denn am Heiligengeistwall in unmittelbarer Nähe des einstigen Wallkinos herrscht auf 300 Metern ziemlich dicke Luft. Grund ist Stickstoffdioxid (NO2), dessen Grenzwert seit Jahren weit überschritten wird. Als Übeltäter sind hauptsächlich Dieselfahrzeuge ausgemacht.

Davon fahren in der Huntestadt knapp 29.000 herum und hinzu kommen auswärtige Fahrzeuge von Pendlern und Besuchern, die der Luft ebenfalls zusetzen. Denn nur die Gruppe der Euro 6 Norm soll weniger Schadstoffe ausstoßen und das sind lediglich knapp 5500 Kraftfahrzeuge, die in Oldenburg angemeldet sind.

Das Problem ist seit langem bekannt aber nicht ernst genug genommen worden. Denn die drohende Geldstrafe – auch für Oldenburg – rückt immer näher und die Lösungen scheinen fern zu sein. Gleichwohl lastet der Handlungsdruck auf der Stadt. Die blaue Umweltplakette könnte ein Weg zum Ziel sein. Doch noch fehlt die dazu erforderliche gesetzliche Grundlage, denn Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sind hier unterschiedlicher Auffassung. Sie befürwortet im Gegensatz zu ihm die Einführung der blauen Plakette.

Würde sie eingeführt werden, wäre Oldenburgs Innenstadt und deren Luft erheblich entlastet. Gleichwohl hätte die Stadt ein ganz anderes Problem, weil nicht nur die Besucher ausblieben sondern zum Beispiel auch die Handwerker. Die Letzteren haben sich schon zu Wort gemeldet, weil sie überwiegend mit Dieselfahrzeugen unterwegs sind und die Innenstadt für sie dann eine Tabuzone wäre. Sie und die Anwohner würden Ausnahmegenehmigungen erhalten, was den ursprünglichen Effekt einschränken würde. Und der Vorschlag, alte Fahrzeuge gegen neue zu tauschen, ist zwar sinnvoll, aber für viele – sowohl Handwerker als auch andere Dieselfahrer – nicht finanzierbar auch weil ihre Fahrzeuge einen enormen Wertverlust erleiden werden.

In solchen Situationen hoffen alle auf intelligente Lösungen. Doch wie könnten die aussehen? Auch in der Stadtverwaltung rauchen diesbezüglich längst die Köpfe. Selbst Großstädte wie Berlin oder Stuttgart, die mit exorbitant hohen Schadstoffwerten zu kämpfen haben, suchen bislang vergeblich. In Oldenburg wird das Thema weiterhin ganz oben auf der Agenda stehen und es bleibt zu hoffen, dass es angesichts des bevorstehenden Kommunalwahlkampfes nicht ideologisch erörtert wird. Bei dem Thema kann nur sachbezogen vorgegangen werden. Schließlich gilt es, verschiedene berechtigte Anliegen zu berücksichtigten.

Fakt ist, dass die Berliner Regierungsparteien bei diesem Thema untätig geblieben sind trotz aller frühzeitigen Hinweise und Warnungen von Wissenschaftlern. Anstatt die Entwicklung von bezahlbaren Elektroautos inklusive einer notwenigen Infrastruktur massiv voranzutreiben, hat die Kanzlerin es dabei belassen, die Energiewende zu verkünden und sich dafür auf die Schulter klopfen lassen. Die Energiewende, das zeigt sich jetzt auch in Oldenburg, muss vielmehr praktisch vollzogen werden.

Was für die Atom- und Kohlekraftwerke gilt, gilt eben auch für den herkömmlichen Autoverkehr. Die Voraussetzungen für ihr Ende – Stromtrassen beziehungsweise Tanksäulen – fehlen nach wie vor, obwohl die Erkenntnisse über die Folgen von Diesel- und Benzinfahrzeugen lange bekannt sind. Das dauernde Aussitzen von brennenden Problemen trifft jetzt die Bürger von Großstädten, die demnächst Strafzahlungen entrichten dürfen, weil verantwortliche Bundespolitiker die Entwicklung buchstäblich verschlafen haben. Drohende Strafzahlungen wird sich der Bund von den Kommunen zurückholen. Die Großstädte sind also in doppelter Hinsicht gebeutelt: Dicke Luft sowie eine Geldstrafe und ein Ende ist nicht in Sicht.

Ein Kommentar von Katrin Zempel-Bley.

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