Jan Rennies mit dem Kopfhörer für Menschen mit vermindertem Hörvermögen.
Foto: Katrin Zempel-Bley
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Oldenburg (zb) – Einen beeindruckenden Weg ist Dr. Jan Rennies gegangen. Der gebürtige Stollhammer ist Wissenschaftler beim Fraunhofer-Institut und entwickelte jüngst mit seinen Kollegen der Projektgruppe Hör-, Sprach- und Audiotechnologie in Oldenburg einen speziellen Kopfhörer für die Firma Sennheiser. Und wie es aussieht, werden noch weitere Entwicklungen für besseres Hören für alle folgen.
Jan Rennies ging in Tossens zur Schule, nahm als Schüler beim Mathematikwettbewerb der Universität Oldenburg teil und belegte den ersten Platz. Später legte er ein glänzendes Abitur an der Zinzendorfschule ab, machte seinen Zivildienst beim CVJM in Nordenham, nahm am Schnupperstudium in Oldenburg teil und entdeckte dort den englischsprachigen Studiengang Engineering Physics an der Universität Oldenburg.
„Ich hatte Mathe, Physik und Englisch Leistungskurs und wusste nicht genau, ob ich in Richtung Naturwissenschaften oder Fremdsprachen gehen sollte“, erzählt er im Haus des Hörens in Oldenburg, wo die Projektgruppe mit den Hörforschern der Uni Oldenburg unter einem Dach arbeitet. „In diesem Studium ist Mathe und Physik aber auch Englisch gefragt. Ich konnte also alle meine Neigungen vereinbaren.“
Der 32-Jährige untersuchte in seiner auf Englisch geschriebenen Bachelor-Arbeit Fragen der Hörakustik und digitalen Signalverarbeitung, erhielt dafür die Note „sehr gut“ und den Wissenschaftspreis des Landes Niedersachsen für seine außerordentliche Leistung. Er schloss den Master an und bewarb sich beim Fraunhofer-Institut auf eine Doktorandenstelle. „Ich war 2008 der dritte Mitarbeiter in Oldenburg“, erinnert er sich. Heute hat er über 60 Kollegen.
Die Projektgruppe wurde 2008 in Oldenburg als Außenstelle des Fraunhofer Instituts für Digitale Medientechnik (IDMT) in Ilmenau in Thüringen gegründet. Über wissenschaftliche Kooperationen ist sie eng mit den Einrichtungen der Oldenburger Hörforschung verbunden und in dem Exzellenzcluster „Hearing4all“ vertreten. Ihr Ziel ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse über die Hörwahrnehmung des normalen und des beeinträchtigten Gehörs in technologische Anwendungen umzusetzen.
2013 wurde ihm der Doktortitel verliehen und inzwischen leitet der Wissenschaftler zwei Arbeitsgruppen. „Während eines Auslandssemesters in Dänemark sind meine beruflichen Weichen gestellt worden“, erzählt er. Dort habe er sich intensiv mit Akustik befasst. Was seinen Arbeitsplatz betrifft spricht er von einer spannenden Schnittstelle und freut sich über die Vielfalt. Denn er arbeitet einerseits mit Studierenden zusammen und andererseits mit großen Unternehmen, die ihre Produkte verbessern oder neue entwickeln wollen und dabei auf Leute wie Jan Rennies angewiesen sind.
So entstand der Kopfhörer, der speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit vermindertem Hörvermögen zugeschnitten und im Handel erhältlich ist. „Der kabellose Kopfhörer ermöglicht es erstmals, Einschränkungen des Gehörs zu kompensieren und gleichzeitig eine hohe Audioqualität sicherzustellen“, erläutert der Wissenschaftler. „Der Nutzer kann die Sprachverständlichkeit und den Klang so optimieren, dass beispielsweise das TV-Programm oder die Musikauswahl detailreich und klar wiedergegeben werden.“
Jeder Mensch habe in Bezug auf die Sprachverständlichkeit eine persönliche Klangpräferenz. Eine individuelle Klanganpassung komme deshalb jedem zugute. „Ab einem Alter von 50 Jahren nimmt zudem bei vielen Menschen das normale Hörvermögen ab. Die Übergänge zur Schwerhörigkeit sind fließend“, erklärt er weiter. „Unsere Studien haben gezeigt, dass durch die Signalverarbeitung, die wir in den Kopfhörer integriert haben, die Sprachverständlichkeit signifikant erhöht wird.“ Neben der Anpassung des Klangbildes optimiert der Kopfhörer automatisch die Lautstärke, beispielsweise bei TV-Sendungen mit starken Lautstärkeschwankungen. Eine manuelle Nachregelung ist somit nicht erforderlich. „Mit unserer Arbeit wollen wir breite Menschenmassen erreichen“, sagt er. „Möglichst jeder soll Zugang zu unseren Entwicklungen haben“.