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Stadionentscheid: Zwischen Blutgrätsche und Hölle 2.0

Das Bauleitplanverfahren für ein neues Stadion kann jetzt starten.

Das Bauleitplanverfahren für ein neues Stadion kann jetzt starten.
Grafik: Initiative NordWestStadion

Oldenburg (Michael Exner) Mit der erwartet deutlichen Mehrheit hat der Rat am Montagabend per Grundsatzbeschluss den Weg zum Neubau eines Fußballstadions an den Weser-Ems-Hallen geebnet. Für die Vorlage von Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD) stimmten SPD (bei abweichendem Votum ihrer Ratsfrau Vally Finke), CDU, FDP/Volt und Linke, dagegen Grüne, Piraten und AfD.

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Der Beschluss beinhaltet zunächst nur den Beginn des Bauleitplanverfahrens und die Gründung einer „Stadion-Realisierungsgesellschaft“, die später auch Bau und Betrieb der Anlage übernehmen könnte. Die endgültige Entscheidung über das Projekt soll im Oktober fallen, wenn sämtliche Zahlen und Varianten ausformuliert sind. Die aktuellen Entwürfe sehen einen Bau an der Maastrichter Straße mit mindestens 7500 und alternativ 10 000 Plätzen vor mit einer Ausbaureserve auf bis zu 15 000. Die reinen Baukosten werden derzeit auf 34 Millionen beziffert (wobei sich der OB nicht auf eine Obergrenze festlegen wollte), der jährliche Zuschuss der Stadt zu den Unterhaltskosten soll je nach Stadiongröße und Vermarktungserfolg zwischen anderthalb und zweieinhalb Millionen Euro liegen.

Sämtliche Änderungsanträge der Grünen wurden von der schwarz-rot-lila-gelben Mehrheit abgelehnt. Darunter auch der (vermeintlich) listige Versuch, in letzter Minute einen Fallstrick einzuziehen: Der Vorschlag, den städtischen Anteil an Bau- und Finanzierungskosten analog vergleichbarer Vereinsförderung auf 30 Prozent zu begrenzen, hätte das Projekt schlicht gekippt – was CDU-Chef Christoph Baak mit dem lapidaren Satz entlarvte, das seien „keine Änderungs-, sondern Verhinderungsanträge“.

Die Diskussion um eine reine Fußballarena läuft in unterschiedlicher Lautstärke, seit vor über 30 Jahren das Aus für den Donnerschwee-Platz kam – was SPD-Fraktionschef Ulf Prange zur selbstkritischen Anmerkung nutzte, die Dauer könne man der Politik auch vorwerfen. Auslöser für den aktuellen Vorstoß des Oberbürgermeisters waren nach dem Aufstieg des VfB in die 3. Liga die Vorgaben des DFB, die auf Dauer professionellen Fußball im Marschweg-Stadion nicht zulassen.

Hätte es noch eines Beweises bedurft, dass die Stadion-Frage in der Stadt ein „polarisierendes Thema“ (Krogmann) darstellt, die Ratsdebatte vom Montag hätte ihn geliefert. Von „Blutgrätsche in die Stadtfinanzen“ (Sebastian Rohe von den Grünen) bis zur „Hölle des Nordens 2.0“ (Hans-Henning Adler von den Linken) packten Gegner wie Befürworter alles aus, was das verbale Arsenal so hergab. Angesichts der Schärfe der Debatte dürfte der (betont ruhige und nachdenkliche) Appell der SPD-Vorsitzenden Nicole Piechotta, das Stadion möge ein „Raum für alle“ werden, und die Stadtgesellschaft solle sich bei diesem Thema nicht auseinanderdividieren lassen, eher ein Wunschtraum bleiben.

Das zeigt sich auch in den Reaktionen der Interessengruppen nach der Entscheidung. Während die Initiative Nordweststadion das Votum des Rates als „echtes Mandat für die Zukunft des Fußballs in unserer Stadt“ bejubelte, geißelten die Gegner von der Bürgerinitiative Stadionbau in einem vorbereiteten Papier den Beschluss als „gravierenden Fehler“ und „Hochrisiko-Wette zu Lasten der Steuerzahler und des Breitensports“. Das lässt für die Zukunft der Debatte einiges erahnen.

Der Ratsentscheidung vorgeschaltet war die obligate Einwohnerfragestunde, die sich schwerpunktmäßig mit dem gleichen Thema befasste und deren Verlauf geeignet war, Zweifel an der Sinnfälligkeit dieser Institution anzumelden. Zum einen nutzen die (häufig interessengeleiteten) Bürgerinnen und Bürger gern die Gelegenheit, ihre Fragen mit ausufernden Einleitungen zu garnieren und auf diesem Weg ihre Meinung zum Lauf der Dinge kundzutun. Zum anderen verführt die Möglichkeit, dass bei allen Fragen nach der Stellungnahme der Verwaltung jede Fraktion eine Wortmeldung frei hat, nur dazu, dass unabhängig von der jeweiligen Frage die politische Debatte zum Thema vorweggenommen wird. Zwar mühte sich der (durchaus souveräne) Ratsvorsitzende Tim Harms (Grüne), die Auswüchse einzudämmen, doch der Erfolg hielt sich in Grenzen.

Wenn die Zahnpasta einmal aus der Tube ist …

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