Oldenburg (Michael Exner) Eine rote Ministerin aus der Bundesregierung wird die nächste Grünkohlkönigin der Stadt Oldenburg. Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles (46) soll bei der 60. Auflage des „Defftig Ollnborger Gröönkohl-Ätens“ am 6. März in der Niedersachsen-Vertretung in Berlin zur Nachfolgerin von CDU-Kabinettskollegin Johanna Wanka gewählt werden.
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Es ist der dritte Krönungsentscheid von Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD), der qua Amtes in dieser Frage das Sagen hat. Und traditionell ist dabei eine Menge Politik im Spiel. Dass die erste Königskür des damals neuen Oberbürgermeisters 2015 auf Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil fiel, war eine Dank-Adresse. Schließlich hatte der Ministerpräsident seinen Genossen durch dreifachen Einsatz vor Ort im Wahlkampf von 2014 massiv unterstützt.
Die folgende Wanka-Wahl war ein nicht ungeschickter Schachzug. Zum einen hat eine Universitätsstadt immer Erwartungen an eine Bundesministerin für Bildung und Forschung und speziell mit Blick auf die „European Medical School“, zum anderen grub die Entscheidung schon im zweiten Amtsjahr für eine Vertreterin der politischen Konkurrenz potentieller Kritik vorsorglich das Wasser ab. Dabei nahm Krogmann billigend in Kauf, die Kommunalwahl ein paar Monate später von einer Majestät anderer Farbe flankieren zu lassen. Das war nur auf den ersten Blick erstaunlich. Zum einen stand der bis 2021 gewählte OB nicht selbst zur Wahl; zum anderen hielt der ehemalige Landtagsabgeordnete und Parteivorsitzende offenbar die schwarze Dame im parteipolitischen Kartenspiel für eher ungefährlich. Das Thronjahr hat diese Einschätzung nicht widerlegt.
Mit seiner dritten Kür indes kehrt Krogmann zu einer nie konkret formulierten, aber erprobten Maxime zurück: dass man in Wahljahren lieber jemanden der eigenen Farbe krönt. Das gilt in diesem Fall gleich doppelt. Im Herbst 2017 ist Bundestags-, im Januar 2018 Landtagswahl. Und dass die neue Königin Wahlkampf kann, hat die ehemalige Juso-Chefin, Generalsekretärin und stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD mehrfach unter Beweis gestellt. Eine ordentliche Kohlrede dürfte die Katholikin aus der Eifel auch halten können, wobei die spröde Vorgängerin die Messlatte aktuell nicht allzu hoch gelegt hat.
Persönlich könnte die Regentschaft schicksalsbestimmend sein für eine Frau, die schon im Abituraufsatz als Berufswunsch „Hausfrau oder Bundeskanzlerin“ angegeben hat und der seit Jahren Interesse an der SPD-Kanzlerkandidatur für 2021 nachgesagt wird. Schließlich galt lange Zeit, dass man erst Oldenburger Grünkohlkönig werden musste, um danach richtig Karriere zu machen: etwa Gerhard Schröder (König 1992 / Kanzler 1998), Joschka Fischer (1996 / Außenminister 1998) Angela Merkel (2001 / Kanzlerin 2005), Christian Wulff (2005 / Bundespräsident 2010) und in Kürze auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Der Kohlkönig von 2008 steht vor der Wahl zum Bundespräsidenten.
Doch fallen Schatten auf das Bild. In jüngster Zeit haben etliche Majestäten nach ihrer Regentschaft Ämter oder Titel und bisweilen sogar beides verloren: etwa die Ex-Bundesminister Annette Schavan (CDU / 2009), Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU / 2010), Philipp Rösler (FDP / 2011) und natürlich Christian Wulff. Zuvor musste schon Sigmar Gabriel nur ein Jahr nach seiner Wahl zum Kohlkönig (2002) das Amt des niedersächsischen Ministerpräsidenten abgeben.
Aber da kann ja noch was kommen.