Oldenburg (Michael Exner) Im langsam anlaufenden Wahlkampf für den 11. September gibt es in Oldenburg erneut Streit um Bürgerbeteiligung. Nach der Debatte um Stadtbezirksräte im vergangenen Jahr geht es nun um „Bürgerforen“ auf Stadtteilebene nach Osnabrücker Vorbild. Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD) hält von beiden Varianten nichts – und hat dabei neben seiner Partei alle Bürgervereine der Stadt hinter sich.
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Ausgegraben hatte das Thema im 2014er Oberbürgermeister-Wahlkampf der dortselbst deutlich gescheiterte CDU-Kandidat Christoph Baak – und damit umgehend scharfen Protest der Bürgervereine provoziert. Die nach Angaben ihres Dachverbandsvorsitzenden Harald Götting insgesamt 5500 Mitglieder starken 16 Bürgervereine kümmern sich in der sehr stark gegliederten Stadt traditionell um die Probleme vor Ort: klassisches Feld von Stadtbezirksräten, wie sie etwa Hannover, Braunschweig oder Göttingen (als Ortsräte) besitzen. Nach der Kommunalverfassung können Städte über 100.000 Einwohner solche politischen Subgremien unterhalb der Räte einführen.
Sonderlich erfolgreich war die Wahlkampf-Idee übrigens nicht. Experten führen den 70:30-Sieg des damaligen SPD-Landtagsabgeordneten Jürgen Krogmann gegen Baak auch darauf zurück, dass sich die Bürgervereine diesmal auf die Seite eines SPD-Mannes schlugen.
Nach der OB-Wahl brachte die CDU das Projekt in den Rat – gegen Neu-OB Krogmann, der derlei Überlegungen aus Kosten- und Effizienzüberlegungen eine Absage erteilte. Doch Linke und Grüne schlugen sich auf die Seite der CDU, und die Angelegenheit mündete in einem Auftrag für eine Art Probe-Konzept an die Verwaltung – im Allgemeinen ein Begräbnis erster Klasse.
Nun kommt der alte Wein in neuen Schläuchen wieder. Die Linken möchten Bürgerforen, auch die CDU hat in ihrem Kommunalwahlprogramm den Passus, dass die „Einführung des sogenannten Osnabrücker Modells geprüft werden“ solle. Und die Grünen (immer interessiert an Themen, die den ungeliebten OB Krogmann ärgern) sind auch wieder dabei. Diesmal wandert der Vorstoß erst in die Fachausschüsse – eher der Auftakt zu einem Begräbnis zweiter Klasse, zumal das Projekt unterhalb der offiziellen Linie in der CDU umstritten ist: Einige Fraktionsmitglieder sind in führenden Funktionen in Bürgervereinen aktiv; eine Dopplung, die schon mal für plötzliche Abwesenheit bei einer Ratsabstimmung über den Komplex gesorgt hat.
Die Stadt Osnabrück unterhält nach Test- und Probeläufen 2001/2003 in allen 14 Bezirken seit 2007 anstelle der früheren Ortsräte Bürgerforen. Dort können Bürger alle ortsrelevanten Anliegen vorbringen und Tagesordnungspunkte anmelden; zudem informieren Rat und Verwaltung stadtteilbezogen über ihre Pläne. Die Gremien tagen zweimal im Jahr auf Einladung des Oberbürgermeisters, der vor Ort ist und mit ihm in der Regel ein Mitglied des Verwaltungsvorstandes (so heißt dort die Dezernentenriege). Nach Angaben eines Osnabrücker Stadtsprechers werden die Foren im Schnitt von jeweils 45 Bürgern besucht, was auf Seiten der Stadt mit jährlich 5000 Euro Sachkosten und 1,3 Stellen der Gruppen A10/A9 in der Bilanz stehe – wobei wohl in dieser Rechnung die umgelegten Kosten von OB und allen anderen Beamten nicht inbegriffen sind.
Die Oldenburger Bürgervereine überzeugt das nicht. „Wir brauchen keine Stadtbezirksräte“, sagt Harald Götting, der die Arbeitsgemeinschaft aller Vereine leitet, „und wir brauchen auch keine Stadtbezirksräte light.“ Das Argument, Vereine seien im Vergleich zu politischen Subgremien weniger demokratisch legitimiert, weist er zurück: „Zu uns kann jeder mit Problemen und Anregungen kommen – ob Mitglied oder nicht.“
Rein von den Zahlen her erscheint das Osnabrücker Modell für Oldenburg nicht übermäßig attraktiv. 45 Besucher pro Veranstaltung, das macht bei 14 Foren und je zwei Tagungen jährlich 1260 Teilnehmer – gerade mal 260 mehr, als der größte Oldenburger Bürgerverein (Osternburg im Stadtsüden) an Mitgliedern hat. Und, was möglicherweise schon in Vergessenheit geraten ist: Der Oldenburger „Bürgerhaushalt“, ein auf drei Jahre angelegtes und rund eine Viertelmillion Euro teures Beteiligungsexperiment, wurde 2013 wieder eingestampft – aus Mangel an Bürgerbeteiligung.