Das ist schon ein Kreuz mit der Demokratie. Wer sie genießt, vergisst sie offenbar zu schätzen und letztlich zu bewahren. Andere kämpfen um sie, riskieren sogar ihr Leben. In Oldenburg beteiligten sich gerade einmal 50.801 Oldenburger an der Oberbürgermeisterwahl. Einer Direktwahl, bei der jeder Wahlberechtigte mitbestimmen kann, wer die Geschicke seiner Stadt lenken soll. Die Wahlbeteiligung ist ein Armutszeugnis für die Stadt Oldenburg und die Demokratie.
Den vier OB-Kandidaten ist es nicht gelungen, die Wähler zu mobilisieren. Dafür war der Wahlkampf viel zu unauffällig. Es wurde nicht polarisiert. Für die Bürger war es schwer herauszufinden, wer eigentlich wofür steht. Auf zahlreichen Podien herrschte vor allem Harmonie, es gab keinen inhaltlichen Schlagabtausch. Niemand tat dem anderen weh.
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Themen wie die Bahnumfahrung oder das Altpapier zogen nicht. Sie sind vollkommen überschätzt worden. Vielmehr gewinnt man den Eindruck, dass die Art und Weise, wie in Oldenburg zuvor monatelang über diese Themen diskutiert und debattiert wurde, die Bürger eher abgeschreckt hat und sie sich von der Kommunalpolitik entfernt haben. Auf eine offene Auseinandersetzung, in der Sachlichkeit, Fakten und gegenseitiger Respekt im Vordergrund stehen, hoffte man bei diesen Themen vergeblich. Die Gesprächskultur im Rat, in den Fachausschüssen und bei öffentlichen Veranstaltungen wirkte stattdessen oft abschreckend. Der bevormundende Charakter gehört in eine andere Zeit. Mündige Bürger müssen sich nicht von bestimmten Politikern sagen lassen, wo es langgeht. Das bekamen vor allem die Grünen zu spüren, die ein ganz anderes Wahlergebnis erwartet hatten und auf Platz drei bei der OB-Wahl abgerutscht sind.
Mehr Kommunikationsbereitschaft hätte auch dem Rathaus in den vergangenen acht Jahren gut getan. Oberbürgermeister Dr. Gerd Schwandner ist zwar als Experte für Kommunikation angetreten, doch tatsächlich hat er genau die stets gemieden. Öffentlichkeitsarbeit in Form direkter Kommunikation hatte Seltenheitswert. Was früher gute Sitte war, Redakteure frühzeitig und von sich aus über wichtige politische Entscheidungen bzw. neue Projekte zu informieren und sich mit ihnen inhaltlich auseinanderzusetzen, fand während der Ära Schwandner kaum noch statt. Zum Thema Altpapier oder Bahnumfahrung äußerte er sich nur dann, wenn es unbedingt sein musste. Der OB trat somit viel zu wenig und für die Bürger sichtbar in Erscheinung.
Bei der OB-Wahl geht es eben primär nicht um die Installation eines Grüß-Gott-August, sondern um eine ernst zu nehmende Position, die weitreichende Folgen für die Stadt Oldenburg hat. Vom neuen Oberbürgermeister wird die Entwicklung nicht nur der nächsten sieben Jahre abhängen. Er wird die Weichen für die mittelfristige Zukunft maßgeblich mitstellen, wird darüber entscheiden, ob die Stadt landes- und bundesweit eine Rolle spielt, ob sie gehört, beachtet und unterstützt wird und die nachbarschaftlichen Verhältnisse wieder intakt sind. Es geht also nicht um Peanuts, sondern um Zukunftsfähigkeit und dafür benötigt man nicht nur Kenntnisse sondern auch Erfahrungen und ein gut funktionierendes Netzwerk.
Die 130.000 wahlberechtigten Oldenburger haben es also in der Hand darüber zu entscheiden, wer die Geschicke ihrer Stadt in die Hand nehmen soll und können zeigen, was ihnen die Demokratie tatsächlich noch wert ist, selbst wenn sie am 12. Oktober bei der Stichwahl von dem Mittel der Enthaltung Gebrauch machen. Das ist schließlich auch eine politische Aussage.
Ein Kommentar von Katrin Zempel-Bley