Website-Icon Oldenburger Onlinezeitung

Hindenburg und Hinrichs: Ehrenbürgerschaften aberkannt

Foto: Anja Michaeli

Oldenburg / am – Paul von Hindenburg und August Hinrichs wurden von der Liste der Oldenburger Ehrenbürger gestrichen. Das hat der Stadtrat auf seiner gestrigen Sitzung beschlossen. Als Gründe wurden die antidemokratische Haltung und die Unterstützung des nationalsozialistischen Regimes und dessen Ideologie zum Nationalsozialismus genannt. Wegen unwürdigen Verhaltens kann die Auszeichnung der Ehrenbürgerschaft aberkannt werden.

Bündnis 90/Grüne, Die Linke, Piratenpartei und Mitglieder der SPD-Fraktion stimmten für den Antrag ab. Die Gruppe CDU/FW-BFO lehnte die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft ab. Oberbürgermeister Jürgen Krogmann sprach sich gegen die Aufhebung der Ehrenbürgerschaft für Hinrichs aus und enthielt sich bei Hindenburg.

Anzeige

Diesen Entscheidungen war eine Diskussion und Ratsentscheidung um die nach Paul von Hindenburg und August Hinrichs benannten Straßen in Oldenburg und eine wissenschaftliche Untersuchung der Universität Oldenburg vorausgegangen. Die Straßen werden laut Ratsbeschluss vom 29. Juni nicht umbenannt, erhalten aber zusätzliche Informationstafeln mit Hintergründen zu den beiden Personen (die OOZ berichtete).

Dem ehemaligen Reichspräsident und Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg (1847 bis 1934) wurde 1917 die Ehrenbürgerwürde verliehen. Hindenburg war ab 1925 Reichspräsident der Weimarer Republik. Er ernannte Adolf Hitler 1933 zum Reichskanzler und gilt als „Steigbügelhalter“. Er habe den Nationalsozialisten bewusst den Weg für ihr Regime voll Terror, Gewalt und Verfolgung geebnet, so die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Als antidemokratisch eingestellter Reichspräsident habe er gewünscht, das Parteienwesen und den Parlamentarismus zugunsten einer nationalen Einheit zu vernichten.

Der Schriftsteller August Hinrichs (1879 bis 1956) erhielt 1944 das Ehrenbürgerrecht. Er war von 1934 bis 1945 als Landesleiter der Reichsschrifttumskammer im damaligen Gau Weser-Ems der ranghöchste Kulturfunktionär in der Region. Wie Dr. Klaus Modick, beratendes Kulturausschussmitglied, schriftlich ausführte, habe Hinrichs es zu verantworten, dass zu seiner Amtszeit Carl von Ossietzky im KZ Esterwegen bestialisch gefoltert wurde und an den Folgen starb. In diese Amtszeit falle auch die Verhaftung des Oldenburger Landesrabbiners und heutigen Ehrenbürgers Leo Trepp.

SPD-Ratsfrau Ursula Burdiek betonte, dass Hindenburg durch sein Handeln keinen Vorbildcharakter habe und Hinrichs sich nie von seiner Rolle in der Nazi-Zeit distanziert habe. Er solle nicht als Schandbürger abgestempelt werden. Aber seine Lebensleistung reiche nicht aus, um die Ehrenbürgerschaft beizubehalten. FDP-Ratsherr Hans-Richard Schwartz wollte die Ehrenbürgerwürden nicht aberkennen. Er schlug vor, sich besser mit der Vita der beiden auseinanderzusetzen. Die Ehrungen seien Spiegelbilder der Geschichte. Außerdem forderte er Kriterien für zukünftige Entscheidungen. Oberbürgermeister Jürgen Krogmann betonte, dass eine Dokumentation zu dem Thema sichergestellt werden müsste und die Ehrenbürgerschaften nicht einfach nur gelöscht werden sollten. Er wolle August Hinrichs nicht gleichsetzen mit Hitler und Röver (Entziehung der Ehrenbürgerrecht im Jahr 1948) und erklärte so sein Abstimmungsverhalten.

Ratsfrau Petra Averbeck (CDU) sagte zur Entscheidung, dass Paul von Hindenburg wegen seiner dreijährigen Tätigkeit als Kommandeur der Oldenburger Infanterie (1893 bis 1896) und nicht seine Funktion als umstrittener Reichspräsident (1925 – 1934) gewürdigt worden sei. Der Entzug wegen unwürdigen Verhaltens von August Hinrichs sei auch bei den drei ersten Versuchen (1979, 1990 und 2001) nicht gelungen, es habe sich daran nichts geändert. Außerdem ende die Ehrenbürgerschaft ohnehin mit dem Tode der Person. Eine Aberkennung posthum wäre somit bedeutungslos. Würde dieser Einwand zutreffen, die Ehrenbürgerschaft verfiele automatisch nach dem Tod der Betreffenden, hätte man weder Hitler noch Röver die Ehrenbürgerwürde aberkennen können, meint Dr. Klaus Modick in einer Erklärung im Antrag zur Aberkennung. Im Übrigen hätte Oldenburg, nähme man diesen Einwand ernst, derzeit keinen einzigen Ehrenbürger.

Oldenburgs Ehrenbürger

1928 Dr. h.c. Helene Lange
1961 Prof. Bernhard Winter
1969 Prof. Dr. Dr. h.c. Karl Jaspers
1990 Prof. Dr. Dr. h.c. Leo Trepp
1992 Horst Janssen

1937 erhielten auch Adolf Hitler und NSDAP-Gauleiter Carl Röver die Ehrenbürgerrechte. Diese wurden 1948 vom Rat der Stadt Oldenburg wieder entzogen.

Rund 150 Städte haben Paul von Hindenburg als Ehrenbürger gewürdigt. Während beispielsweise in Berlin, Potsdam, Bochum und Berlin die Würde nicht aberkannt wurde, strichen Dortmund, Köln, Kiel, Rostock, Tübingen, Stuttgart und München den ehemaligen Reichspräsidenten von ihren Ehrenbürgerlisten.

Update, 14. Oktober, 10.35 Uhr

Im Nachgang schreibt Klaus Hinrichs (Enkel von August Hinrichs) zu der Stellungnahme von Dr. Klaus Modick: „Carl von Ossietzky wurde bereits Anfang 1933 verhaftet und ins KZ überführt, August Hinrichs war zu der Zeit noch nicht Landesleiter der RSK, Gau Weser-Ems. Ende 1934 wurde Ossietzky bereits ins Krankenrevier verlegt. Einflussnahme und/oder Verantwortung für das Schicksal Carl von Ossietszky ist August Hinrichs wohl kaum anzulasten.

Es hätte m.E. Dr. Klaus Modick gut zu Gesicht gestanden, wenn er schon aus Fairness seinem Schriftstellerkollegen August Hinrichs gegenüber Fehlinterpretationen richtig gestellt hätte. Er suggeriert in seinem Antrag eine Mitschuld August Hinrichs an Folterung und Tod Carl von Ossietzkys.“ Klaus Hinrichs verweist zudem auf die wissenschaftliche Arbeit von Anke Finster, die die Tätigkeit August Hinrichs als Landesleiter der Reichsschrifttumskammer im damaligen Gau Weser-Ems untersucht hat (Der oldenburgische Schriftsteller August Hinrichs, 1879 bis 1956, erschienen im Wachholtz Verlag).

Die mobile Version verlassen