Oldenburg (am) Oldenburg hat schlechte Luft. Das ist den Messnetzdaten des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Hildesheim, das für das Lufthygienische Überwachungsnetz Niedersachsen zuständig ist, zu entnehmen. Die Verkehrsstation, die am Heiligengeistwall in Oldenburg steht, weist die höchste Stickstoffdioxid-Belastung (NO2) in Niedersachsen auf. Obwohl die endgültige Validierung der Daten noch aussteht, hat sich am gestrigen Donnerstag der städtische Ausschuss für Stadtgrün, Umwelt und Klima mit dem Thema beschäftigt.
Anzeige
Nachdem 2010 eine Überschreitung des Jahresgrenzwertes für Stickstoffdioxid festgestellt wurde, stellte die Stadt einen Luftreinhalteplan auf, der im Oktober 2012 beschlossen wurde. Der Luftreinhalteplan beschriebt verschiedene Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, die Belastung – vor allem durch Stickstoffdioxid – zu reduzieren. Als Hotspot (bei dem die höchsten Werte zu erwarten waren) wurde der Heiligengeistwall ausgemacht, die Messstation von der Nadorster Straße Anfang 2013 dorthin verlegt.
Als Maßnahme wurde die Ampelschaltung am Heiligengeistwall verändert. Um die NO2-Immissionen zu reduzieren, sollte ein stetiger Verkehrsablauf erreicht werden. Außerdem wurden weitere Maßnahmen im Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept (InEKK) und im Strategieplan Mobilität und Verkehr aufgenommen. „Es ist leider festzustellen, dass sich die Situation nicht verbessert, sondern weiter verschlechtert hat“, so die Stadtverwaltung. Es hätte sich für 2013 ein Jahresmittelwert für NO2 in Höhe von 53,5 μg/m3 ergeben. Damit wird der Jahresgrenzwert um 13,5 μg/m3 oder 33,8 % überschritten. „Wir liegen sehr deutlich darüber, ähnlich wie einige Städte in Nordrheinwestfalen“, bedauert Stadträtin Gabriele Nießen. Ein Grund dafür sei beim Bus- und dem motorisierten Individualverkehr zu suchen. „Die durch die Maßnahmen des Luftreinhalteplans erwartete Verbesserung der Immissionssituation ist damit in der Stadt Oldenburg nicht eingetreten.“
Die Feinstaubbelastung sei nicht mehr das große Thema, so ein Vertreter der Stadtverwaltung. Bei Ostwind und niedrigen Temperaturen sei der Grenzwert an vier oder fünf Tagen in 2014 bereits überschritten worden, aber 35 Tage im Jahr seien zulässig.
Die Stadtverwaltung teilt weiter mit, dass über die Ursache der hohen Werte nur Mutmaßungen angestellt werden können. Das Ausmaß der Überschreitung in Oldenburg sei kaum erklärlich. Die Politik behandelte das Thema konstruktiv. Henning Adler von der Linken-Ratsfraktion schlug vor, die Universität in die Ursachenforschung einzubeziehen. Außerdem fragte er nach der Einrichtung von Umweltzonen: „Das muss bei den erschreckenden Werten ernsthaft überlegt werden“. Ein Vertreter der Stadtverwaltung erklärte, dass das heute nicht mehr sehr wirksam wäre. Fast die gesamte Pkw-Flotte fahre mittlerweile mit einer Grünen Plakette. „Aus dem Bericht klingt Hilflosigkeit“, sagte SPD-Ratsfrau Gesine Multhaupt. Sie forderte eine Bilanz der Maßnahmen von zum Beisppiel Busschleusen, Busspuren und Tempo 30-Zonen. Sebastian Beer von der Grünen-Ratsfraktion betonte, dass das Land Niedersachsen zurzeit über Zuschüsse für die Umstellung von Bussen berate, aber Oldenburg mit der VWG sehr gut aufgestellt sei. Oldenburg könne von anderen Städten lernen, die vor zehn Jahren schlechte Werte hatten: „Wie konnten dort Besserungen erreicht werden?“ Nießen antwortete, dass das bereits bekannt sei und vieles schon umgesetzt worden wäre, weitere Maßnahmen stünden im Strategieplan Mobilität und Verkehr. „Maßnahmen zur Luftreinhaltung werden gerade vom Deutschen Städtetag evaluiert“, so Nießen. Gegebenenfalls müsste ein Ingenieurbüro zur Ursachenforschung und zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans hinzugezogen werden. Wichtig sei, die vorgeschlagenen Maßnahmen im InEEK und im Strategieplan Mobilität und Verkehr umzusetzen.
Gesundheitliche Auswirkungen
Stickstoffdioxid ist ein Reizgas und wirkt als sehr reaktive Verbindung (Oxidationsmittel). Beim Menschen löst NO2 bei Kontakt mit Geweben und Zellen insbesondere des Atemtrakts und auch der Augen Reizeffekte aus. Auch können Gewebe und Zellschäden entstehen, die dann zu möglichen Funktionsstörungen, zellschädigenden Reaktionsprodukten und entzündlichen Prozessen führen.
Für den Menschen stellt die NO2-Aufnahme über die Atmung den Hauptaufnahmeweg dar. Wirkungen auf die Atemwege können sowohl nach kurzfristiger als auch nach langfristiger NO2-Exposition auftreten. Wirkungen beim Menschen werden durch das Atemmuster, die Lungenanatomie und durch bestehende Atemwegserkrankungen sowie durch Expositionshöhe und -zeit bestimmt. Die individuelle Empfindlichkeit fällt recht unterschiedlich aus.
Aufgrund seiner geringen Wasserlöslichkeit dringt der überwiegende Anteil des eingeatmeten NO2 bis in die Lungenperipherie (dem Gasaustauschbereich) vor. Dort treffen die NO2-Moleküle auf die gut durchbluteten Lungenbläschen, die das Gas aufnehmen und chemisch umwandeln. Entstehende Reaktionsprodukte werden mit dem Blut abtransportiert. Jedoch kann NO2 bei Kontakt mit Alveolengewebe Zellschäden auslösen und entzündliche Prozesse verursachen.
Stickstoffdioxid kann zu einer Überempfindlichkeit der Bronchien führen, die wiederum als ein Risikofaktor für die Entwicklung allergischer Atemwegserkrankungen gilt. Bronchien-Überempfindlichkeit steht in Zusammenhang mit Entzündungen und Schädigungen von Lungengewebe. Durch Wirkung von NO2 mit Allergenen können sich Entzündungsprozesse bei allergischen Atemwegserkrankungen verstärken.