Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius sprach heute im Landtag über die aktuelle Sicherheitslage.
Foto: Katrin Zempel-Bley
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Hannover (am) – Nach den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln und Angriffen von Rechtsextremisten auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte machen sich zahlreiche Bürger Sorgen um ihre Sicherheit. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) eröffnete am heutigen Mittwoch die erste Sitzungswoche des Landtags in Hannover mit einer Rede zur aktuellen Lage. Er plädiert dafür, dass eine sachliche Debatte – nicht verharmlost, aber auch nicht dramatisiert – geführt wird. Pistorius warnte vor Panikmache und pauschalen Verdächtigungen.
Bisher sei eine präzise Auswertung von Delikten, in denen Flüchtlinge als Opfer oder Tatverdächtige in Erscheinung treten, aufgrund der bundesweit geltenden Erfassungsrichtlinien zur Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) nicht möglich gewesen, so Pistorius. Wegen der aktuellen Lage sei zum 5. November in Niedersachsen eine Auswertung mit Flüchtlingsbezug eingerichtet worden. „Nach erster, ich betone, vorläufiger Bewertung der Zahlen, die uns bisher vorliegen, kommen wir zu dem Ergebnis, dass Flüchtlinge keinesfalls in einem unverhältnismäßig hohen Umfang als Tatverdächtige von Straftaten registriert werden“, sagte Pistorius heute in Hannover. Es sei vielmehr so, dass nur ein kleiner Teil der Flüchtlinge überhaupt polizeilich in Erscheinung trete.
In Niedersachsen wurden im November und Dezember insgesamt 87.371 Straftaten begangen (ohne spezielle ausländerrechtliche Verstöße). In 3060 Fällen (3,5 Prozent) wurden Flüchtlinge als Tatverdächtige ermittelt. „Bei einem Großteil dieser Fälle handelte es sich um Diebstahlsdelikte“, erklärt Pistorius. Sexuelle Gewalt bei Großereignissen wie in der Silvesternacht in Köln wurde in Niedersachsen bislang nicht registriert. Allerdings wurden vereinzelt Straftaten mit sexuellem Bezug verzeichnet, bei denen Flüchtlinge als Tatverdächtige ermittelt wurden.
Seit Januar 2015 hat es 110 Straftaten gegen Flüchtlinge und ihre Unterkünfte gegeben. „Dies ist ein enormer Zuwachs, nachdem es im Jahr 2014 nur acht entsprechende Straftaten gab“, so Pistorius. Bei 89 dieser Fälle habe eine rechte Tatmotivation vorgelegen. Auf eine Flüchtlingsfamilie in Salzhemmendorf wurde ein Brandanschlag verübt. Sieben weitere rechtsmotivierte Brandanschläge richteten sich gegen Flüchtlingsunterkünfte.
Kriminalität von Flüchtlingen dürfe keinesfalls verharmlost werden, betonte Pistorius. Es könne aber keine Rede davon sein, dass der Zuzug vieler Flüchtlinge nach Niedersachsen mit einer enormen Zunahme von Kriminalität verbunden wäre. Gestiegen sei die rechtspolitisch motivierte Kriminalität. „Wir sehen jeden Übergriff auf Flüchtlinge oder deren Unterkünfte mit Sorge. Aber ich sage auch, dass wir weit entfernt sind von den Dimensionen, die sich in anderen Teilen Deutschlands zeigen“, so Pistorius.
Nach dem Beispiel der Sonderkommission „Zentrale Ermittlungen“ in Braunschweig würden ähnliche Ermittlungseinheiten, die eng mit Polizei, Staatsanwaltschaft und den Gerichten zusammenarbeiten, an den Standorten der Landesaufnahmebehörde eingerichtet, kündigte Niedersachsens Innenminister an. Das bloße Vorhandensein einer Einrichtung für Flüchtlinge sei jedoch kein Grund für eine pauschale dauerhafte Polizeipräsenz vor Ort.
Niedersachsen sei ein sicheres Land und deshalb bräuchte niemand Bürgerwehren. „Das Gewaltmonopol liegt alleinig beim Staat, und das aus guten Gründen“, sagte Pistorius in seiner Rede. Und weiter: „Was die Polizei in unserem Lande aber wirklich unterstützt, sind aufmerksame Bürgerinnen und Bürger, die verdächtige Feststellungen melden und sich bei Straftaten als Zeugen zur Verfügung stellen.“