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Medizinstudium ohne Einser-Zeugnis

Medizinstudent Johannes Grone, hier mit der Radiologin Dr. Claudia Klüner, neben dem CT im Evangelischen Krankenhaus, schätzt den Wechsel zwischen Theorie und Praxis sowie den intensiven Kontakt zu Ärzten besonders an seinem Studium.

Medizinstudent Johannes Grone, hier mit der Radiologin Dr. Claudia Klüner, neben dem CT im Evangelischen Krankenhaus, schätzt den Wechsel zwischen Theorie und Praxis sowie den intensiven Kontakt zu Ärzten besonders an seinem Studium.
Foto: Katrin Zempel-Bley

Oldenburg (zb) Wer in Deutschland Medizin studieren will, der muss vor allem einen exzellenten Notendurchschnitt haben. Für manch einen Abiturienten ist das nur schwer nachvollziehbar. Zu denen gehört auch Johannes Grone. Der 27-Jährige kommt aus der Nähe von Göttingen und gelangte als letzter Nachrücker mit einem Notendurchschnitt von 2,6 ins Medizinstudium in Oldenburg. Das war vor neun Semestern, als an der Uni Oldenburg das Medizinstudium gerade startete.

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Bei der European Medical School Oldenburg-Groningen (EMS) handelt es sich um ein deutsch-niederländisches Kooperationsprojekt der Universität Oldenburg und der Reichsuniversität Groningen (RUG), das in seiner Art bundesweit einzigartig ist. Der neue Medizinstudiengang sorgte wegen seines Modellcharakters für bundesweite Aufmerksamkeit. Denn hier zählt nicht nur der Notendurchschnitt und der Test für Medizinische Studiengänge (TMS), hier können Bewerber auch mit abgeschlossenen medizinnahen Ausbildungen, Teamgeist und Kommunikationsfähigkeiten punkten, weil man in Oldenburg der Ansicht ist, dass solche Eigenschaften für den Medizinberuf besonders wichtig sind.

Johannes Grone wollte ursprünglich Maschinenbauingenieur werden und hatte schon als Schüler mehrere Praktika in diesem Bereich absolviert. Nach dem Abitur entschied er sich für ein freiwilliges soziales Jahr beim DRK-Rettungsdienst. „Die Arbeit mit Menschen hat mir derart gut gefallen, dass ich mich umorientiert habe und Medizin studieren wollte. Allerdings sagte mir jeder, mit dem Notendurchschnitt kannst du nicht Arzt werden“, erzählt er.

Fortan bewarb sich der junge Mann auf Medizinstudienplätze in ganz Deutschland und wurde nur abgelehnt. Weil sein Wunsch aber feststand, entschloss er sich zu einer Ausbildung als Rettungsassistent. Danach übte er seinen Beruf zwei Jahre bis 2012 aus und erhielt unverhofft einen Anruf aus Oldenburg. Das Semester lief bereits und ein Platz wurde frei. „Ich habe keine Sekunde gezögert und mich sofort auf den Weg gemacht“, erzählt er. Mit seiner Vorbildung und seinen Kommunikationsfähigkeiten überzeugte Johannes Grone die Oldenburger und stieg verspätet ins Semester ein.

Mittlerweile studiert er im 9. Semester, hat keinen Studientag bereut und hat nicht nur sich sondern der Welt bewiesen, dass man auch mit einem Notendurchschnitt von 2,6 Medizin studieren kann. Denn der 27-Jährige ist nicht nur mit Herzblut dabei, er ist Studienbester und kommt deshalb in den Genuss eines Deutschlandstipendiums, was eine besondere Auszeichnung ist. „Ich verstehe nicht, warum die Zeugnisnoten immer noch das entscheidende Kriterium für den Arztberuf sind. Man muss als Mediziner vor allem Spaß daran haben, mit kranken Menschen umzugehen, ihnen Hoffnung zu machen“, sagt er. „Und die Studieninhalte sind auch mit meinem Notendurchschnitt durchaus zu verstehen.“

Der 27-jährige Johannes Grone gelangte als letzter Nachrücker mit einem Notendurchschnitt von 2,6 ins Medizinstudium an der European Medical School in Oldenburg.

Der Medizinstudent Johannes Grone sieht sich Aufnahmen eines Schädel-CT an.
Foto: Katrin Zempel-Bley

Zurzeit steckt der angehende Arzt in einer von vielen praktischen Phasen und fühlt sich erneut in seiner Berufswahl bestätigt. „Ich habe gern Kontakt mit Patienten. Vor allem lerne ich in der Praxis sehr viel von den erfahrenen Kollegen, die mich sehr gut in die täglichen Abläufe einbinden. Aufgrund meiner Berufsausbildung kenne ich zudem schon eine Menge und kann meine Kenntnisse einbringen.“

Den ständigen Wechsel zwischen Theorie und Praxis findet Johannes Grone besonders gut. Entweder lernt er in einem Krankenhaus oder in einer von 100 Praxen von niedergelassenen Ärzten im Oldenburger Land, die sich zu einem Lehrpraxen-Netzwerk zusammengeschlossen haben und damit die Medizinausbildung aktiv aber ehrenamtlich unterstützen, was seinesgleichen sucht.

Der Medizinstudiengang findet in der gesamten Region viel Unterstützung. Natürlich hofft manch eine Kommune, dass der ein oder andere Medizinstudent am Ende seines Studiums der Region treu bleibt, um die Arztversorgung weiterhin sichern zu können. Johannes Grone kann sich das vorstellen. „Die Atmosphäre in den Ärzteteams und bei den niedergelassenen Ärzten ist überwiegend gut und die Menschen im Nordwesten erlebe ich als sehr offen und freundlich“, sagt er und spricht von einer spürbaren Willkommenskultur.

Wenn der 27-Jährige gerade nicht studiert, geht er seinem alten Beruf bei der Freiwilligen Feuerwehr Oldenburg nach. So ist beispielsweise für jede Theateraufführung eine Brandsicherheitswache erforderlich. Johannes Grone verbringt deshalb so manchen Abend hinter der Bühne des Oldenburgischen Staatstheaters und achtet auf Brandsicherheit. „Ich habe noch nie so viel Theaterstücke und Opern erlebt wie in den letzten Jahren, aber auch das hat mir durchaus gefallen, auch wenn die Perspektive gewöhnungsbedürftig ist.“

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2 Kommentare

  1. Theresa
    26. Januar 2017 um 20.27 — Antworten

    Wie kann es sein, dass jemand mit 2,6 nachgerückt ist?

    Laut Internet „erstellt Hochschulstart eine Rangfolge der Bewerber absteigend nach der Note der Hochschulzugangsberechtigung“ und lädt daraufhin dreimal so viele Bewerber ein, wie es Plätze gibt, also 72 Bewerber.
    Diese 72 Bewerber haben doch wahrscheinlich alle ein 1,0 Abi, oder?

    Auch wenn Johannes Berufserfahrung hat, erstellt Hochschulstart die Liste nunmal anhand der Note.
    Die Wartezeit zählt im AdH schließlich nicht, also wurde er nur aufgrund der Note in die Liste der Bewerber aufgenommen.

    • W. Lorenzen-Pranger
      26. Januar 2017 um 21.43 — Antworten

      Nicht unbedingt. Oft führen viele Wege, manche sind da offenbar auch etwas sehr seltsam, nach Rom. Die richtige „Privatschule“ ist dann, so hat es den Anschein, ein sehr, sehr teurer Türöffner.
      Ich hatte, als Vater zweier eigenen Kinder zeitweilig in so einer Einrichtung, den Eindruck, daß es womöglich auf dem Straßenstrich (ohne das je ausprobiert zu haben) ehrlicher zugehen könnte.
      Jedenfalls erzählte mir meine Tochter von einer ehemaligen Mitschülerin, die jetzt Medizinerin wird – mit einem SEHR mäßigen Abi…

      Helmut Qualtinger – Der Papa wird’s schon richten

      Viel Spaß beim Song… :;)

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