Politik

Der neue Mann kämpft mit alten Problemen

Zwischenbilanz: Jürgen Krogmann ein Jahr Oberbürgermeister in Oldenburg.

Zwischenbilanz: Jürgen Krogmann ein Jahr Oberbürgermeister in Oldenburg.
Foto: Anja Michaeli

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Von Michael Exner

Oldenburg – Vor einem Jahr hat Jürgen Krogmann (51/SPD) sein Amt als Oldenburger Oberbürgermeister angetreten – und mittlerweile ist der triumphale 70:30-Wahlsieger von 2014 von der Realität eingeholt worden. Der neue Mann kämpft mit alten Problemen. Die Stadt aber ist nach den hektischen Jahren unter dem parteilosen Vorgänger Gerd Schwandner zur Ruhe gekommen.

Dass der frühere Landtagsabgeordnete (seit 2008) und vormalige Sprecher der Stadt (bis 2006) wieder in seinem Revier gelandet ist, sieht er selbst als Vorteil, auch wenn die im Vergleich zum Vorgänger ausgebaute Bearbeitungstiefe nicht alle im Rathaus entzückt. Dass der dreifache Vater und Ex-Vorsitzende des Schulausschusses im Bildungsbereich über Detailkenntnis verfügt, hat vor allem die zuständige Dezernentin gespürt. Im Rat sucht sich der bis 2021 gewählte Krogmann die Mehrheit, wo er sie findet. Das von ihm selbst 2011 noch als Ratsherr mitgeknüpfte rot-grüne Ratsbündnis existiert faktisch nicht mehr, und der Polit-Profi räumt nicht unvergnügt ein, für einen OB mit der größten Fraktion im Rücken sei „die Arbeit mit wechselnden Mehrheiten ganz bequem“. Das ist eine andere Position, als Schwandner sie einem mehrheitlich feindlich gesinnten Rat gegenüber hatte.

Sachpolitisch holte Krogmann den Papierstreit aus Schlagzeilen und Gerichtssaal an den Verhandlungstisch. Nach zehn Jahren privater Entsorgung war die Stadt selbst ins Altpapiergeschäft eingestiegen – mit mäßigem Erfolg, weil die Mehrheit der Bürger (obwohl objektiv gegen die eigenen Gebühren-Interessen handelnd) dem privaten Firmenverbund die Treue hielt und der sich gegen die städtische Untersagung juristisch zur Wehr setzte. Die Signale aus dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg deuten zwar darauf hin, dass die Stadt das Verfahren weitgehend für sich entscheiden könnte. „Aber das würde Jahre dauern“, sagt Krogmann, „und so lange Verluste einzufahren, ist nicht zu verantworten.“ Der Unterschied zwischen Recht haben und Recht behalten ist ihm offenbar geläufig.

Diese Vorliebe für pragmatische Lösungen zeigt sich häufig. Beim Thema Bahnanbindung des Jade-Weser-Ports, bei dem einige lautstarke Initiativen mit ihrer illusionären Forderung nach einer Bahnumgehung für Oldenburg die Stadt auf einen Harakiri-Kurs gegen Bahn, Land und Region getrieben haben, lässt der im Wahlkampf für seine Skepsis in dieser Frage beschimpfte Krogmann das Verfahren ruhig laufen. Am Ende, weiß er, wird die Umfahrung unspektakulär beerdigt.

Als ein großes Schulprojekt noch während der laufenden Auseinandersetzung um die angebliche Beschäftigung rumänischer Billig-Arbeiter eingeweiht wird, lädt er den Generalunternehmer von der Feier aus mit der Begründung, so lange man sich streite, sei es keine gute Idee, gemeinsam zu feiern. Aktuell entwickelt sich gerade größerer Widerstand bei einem geplanten Stadtteilzentrum im Stadtsüden, dessen Gestaltung den Verlust von Parkplätzen bedeuten würde. Etliche dort wittern Zwangsbeglückung und sehen sich durch ungeschicktes Agieren einer übereifrigen Stadtbaurätin darin bestätigt. „Ohne Einigung lassen wir die Sache; wir werden nicht gegen den Willen des Stadtteils einen Stadtteil planen“, baut Krogmann vor. Sein Motto: „Man darf den Bürgern nicht ohne Not auf die Nerven gehen.“

Der einzige größere Ärger war selbst verschuldet. Obwohl er zu diesem Zeitpunkt noch keinen Cent kassiert hatte, geriet der Rathaus-Chef durch viel zu (nach)lässiges Verhalten auf Fragen nach seinem Umgang mit der Aufsichtsratsvergütung des Energieversorgers EWE unter Beschuss. „Verbuche ich unter Erfahrung“, sagt Krogmann, der das Geld nun spenden will, was ihm gleich wieder Kritik eingebracht hat.

Außenpolitisch fokussierte der neue OB den von Vorgänger Schwandner gern in die Ferne gerichtetem Blick wieder auf das Näherliegende. Er reduzierte die China-Kontakte von elf auf zwei, behielt Südafrika bei, stellte alle internationalen Beziehungen aber auf die Basis eines gemeinsamen Ratsbeschlusses und bemühte sich parallel um bessere Beziehungen zur Region. Mit der sind die Oldenburger häufig über Kreuz, was nicht allein an Schwandner liegt, sondern – das Großherzogtum lässt grüßen – an der generellen Attitüde von Politik und Verwaltung der Stadt, die Nachbarschaft als tributpflichtiges Umland zu betrachten.

Da indes könnte es zäh werden. Martina Noske, Bürgermeisterin der Nachbargemeinde Wardenburg, hat zwar gern registriert, dass Krogmanns Besuch der erste eines Oldenburger Oberbürgermeisters in ihrer 22-jährigen Amtszeit als Hauptverwaltungsbeamtin gewesen sei und glaubt an das ernsthafte Bemühen des Kollegen. Sie sieht aber auch, „dass wir alle in Strukturen arbeiten und es dauert, bis Apparate sich ändern.“ Der Landrat ihres Landkreises Oldenburg, Carsten Harings, meint knapp, angesichts der geografischen Lage habe man Berührungspunkte – und wenn es da „etwas zu besprechen gibt, machen wir das untereinander.“ Aufkommende Euphorie klingt anders. Manche wollen gar nichts dazu sagen.

So scheint man in der Region zwar eine Klimaverbesserung zu spüren, sieht aber in konkreten Punkten auch beim neuen Rathaus-Chef wenig Bewegung. Die Oldenburger Pläne zur Ansiedlung eines großen Gartencenters an der südöstlichen Stadtgrenze etwa erfuhren die Nachbarn aus der Zeitung, und auf Bitten um Abstriche bei der Dimensionierung soll sich die Stadt eher schwerhörig geben. In solchen Fällen fühlt sich mancher sogar an Schwandner-Vorgänger Dietmar Schütz (2001-2006) erinnert, der sich ob seiner Umgangsformen den Spitznamen „Graf Dietmar“ eingehandelt hatte. Schütz-Sprecher damals: Jürgen Krogmann.

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