Oldenburger stellen Feinstaub-Sensoren auf
Oldenburg (zb/am) „luftdaten.info“ heißt ein Projekt, das in Stuttgart ins Leben gerufen wurde. Da messen Bürger mit selbst zusammengebauten Sensoren die Feinstaubbelastung vor ihrer Haustür und zwar – wenn sie mögen – rund um die Uhr und in Echtzeit. Die Idee verbreitet sich gerade in Deutschland und hat inzwischen auch Oldenburg erreicht. „Hier gibt es mittlerweile rund zehn Sensoren“, berichtet Tobias Tiemerding, der selbst einen in Osternburg auf seiner Fensterbank installiert hat.
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„Die Messungen bedeuten keine Konkurrenz zu offiziellen behördlichen Messungen“, stellt der 30-Jährige klar. „Sie sind aber vergleichbar genau und zeitlich viel höher aufgelöst. So können sie Handlungsempfehlungen geben, wann man zum Beispiel Joggen oder Spazierengehen sollte oder besser nicht, weil die Feinstaubkonzentration gerade hoch und somit gesundheitsgefährdend ist.“
Der Informatiker entdeckte die einfache Technik durch Zufall. „Ich wollte mir eine Wetterstation bauen und entdeckte dabei zufällig die Seite luftdaten.info“, erzählt er. „Mit nur sieben kleinen Kabeln, zwei Kabelbindern sowie zwei kleinen Rohren wird der Bausatz zu einer Messstation. Jeder Laie kann die Teile, die online bestellt werden können und rund 30 Euro kosten, nach einer Anleitung aus dem Internet zusammenbauen. Tobias Tiemerding hat seinen Sensor in einer kleinen wasserdichten Kunststoffkiste verstaut, ihn über einen USB-Stecker mit dem Stromnetz verbunden und auf seiner Fensterbank platziert, wo er Feinstaub-Teilchen (PM2,5) misst. „PM2,5-Partikel sind so klein, dass sie bis in die Lungenbläschen gelangen können“, erläutert er. „Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben ergeben, dass eine erhöhte PM2,5-Belastung zu gesundheitlichen Schäden und damit zu einer Lebensverkürzung führen kann.“
„Ich kann mich jederzeit über die aktuelle Luftqualität informieren und bekomme keinen Mittelwert, so wie das zum Beispiel bei der Messstation am Heiligengeistwall der Fall ist, die Stickoxide misst und von der wir nur den Mittelwert kennen, nämlich rund 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft bis auf Sonntag jeden Tag. Fakt ist ja, dass die Luft dort nicht ständig den Grenzwert von 40 Mikrogramm übersteigt, sondern nur zu ganz bestimmten Zeiten. Es wäre also interessant zu wissen, wie die Lage dort zu unterschiedlichen Zeiten ist“, findet er. „Jetzt haben die Leute doch den Eindruck, dort ist es ständig gesundheitsgefährdend, was nicht stimmt.“
Bei der individuellen Messstation kann jeder zu jeder Zeit selbst nachsehen und dabei gleichzeitig sein Bewusstsein für eigenes Verhalten schärfen, findet Tobias Tiemerding. Der Softwareentwickler sieht morgens den Verkehr, der ganz in der Nähe seiner Wohnung auf der Bremer Heerstraße unterwegs ist. Später gehen die Feinstaubwerte rapide herunter und ab 16 Uhr steigen sie wieder kontinuierlich an. Noch gravierender war es am Silvestertag 2017. „Es war eine gute Wetterlage, die Werte waren sehr niedrig, aber um Mitternacht stiegen sie exorbitant an, so dass sich eigentlich niemand mehr draußen aufhalten durfte“, sagt er und zeigt auf seinem Handy den auffälligen Kurvenverlauf.
Wer den Sensor betreibt, bleibt zwar anonym, gleichwohl ist der ungefähre Standort im Internet auf einem Stadtplan von Oldenburg zu erkennen. Aus den übermittelten Daten generiert luftdaten.info eine sich ständig aktualisierende Feinstaub-Karte. So wird Feinstaub im besten Fall irgendwann in ganz Deutschland für jeden problemlos sichtbar. „Die Standorte weichen um gut 100 Meter ab“, klärt der 30-Jährige auf, der hofft, dass noch viele Oldenburger den Sensor betreiben und genau sehen können, wodurch schlechte Luft entsteht.
Das können nämlich auch offene Feuer, Kamine, laufende Motoren oder der Abrieb der Bremsen sein. „Je intensiver wir uns alle damit befassen, umso reflektierter verhalten wir uns“, ist er überzeugt. Weil Stuttgart seit geraumer Zeit wegen der Autoabgase im öffentlichen Fokus steht, hat sich die Bewegung dort gegründet mit dem Ergebnis, dass dort alle 300 Meter ein Sensor existiert“, erzählt Tobias Tiemerding.
An dem System gefällt ihm vor allem das Ziel des Programms, Entwicklungen im Bereich Transparenz, Open Data und Citizen Science zu fördern. Längst existieren regionale Gruppen, die sich in sogenannten Labs (Teams, die Anwendungen und Visualisierungen rund um offene Daten und digitale Werkzeuge für Bürger entwickeln) treffen und Apps entwickeln. Für Tobias Tiemerding geht es allein um Informationen für alle, an der sich die Bürger aktiv beteiligen und die Arbeit von Verwaltungen und Behörden transparenter machen.
5 Kommentare
Fein, dass ihr das publik macht!
Ein paar Nerds beim KtT sind auch an dem Thema dran und haben diverse Sensoren und Systeme zur Visualisierung getestet, inzwischen sind auch bei dem hier gezeigten System gelandet und nutzen (auch) luftdaten.info – wer sich nicht allein an den Bau traut oder Erfahrungen austauschen möchte, kann sich gern bei mir melden: pg (at) ktt (minus) ol.de
Demnächst gibt es auch einen Workshop, die Bauteile sind unterwegs 😉
Wenn das genau so gut wird, wie Eure Klingel, dann wissen wir bescheid, was man erwarten kann. Viel bla bla.
http://www.ardmediathek.de/tv/Quarks/Abgasalarm-warum-ein-Dieselfahrverbot-/WDR-Fernsehen/Video?bcastId=7450356&documentId=50418754
https://www.youtube.com/watch?v=ukbpOA2Uka8
Es gibt noch sehr viel mehr Quellen auf youtube.
Hallo zusammen,
welche App ist das denn, die auf dem Bild im Artikel zu sehen ist?
Die App ist eine Eigenentwicklung von mir und bisher noch nicht im App Store verfügbar. Eine Veröffentlichung ist nach Freigabe von Apple und luftdaten.info für Mitte April geplant.