Kultur

Ausstellung: „Die Vier Unvergesslichen“

Einblick in die Ausstellung „Die Vier Unvergesslichen“ im Prinzenpalais.

Einblick in die Ausstellung „Die Vier Unvergesslichen“ im Prinzenpalais.
Foto: Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte

Oldenburg (am/pm) Die Ausstellung „Die Vier Unvergesslichen – Das russische Zarenhaus und der Oldenburger Hof in der Zeit von Lavater und Tischbein“ erinnert im Prinzenpalais (Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte) bis zum 17. Januar an die diplomatischen, personellen und kulturellen Verbindungen zwischen Oldenburg und Russland. Die Schau schlägt die Brücke zwischen der europäischen Freundschaft und den damals am Hofe populären physiognomischen Studien Lavaters und Tischbeins.

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Geschichtliche Hintergründe

1782 kam es in Zürich zu einem denkwürdigen Zusammentreffen: Herzog Peter Friedrich Ludwig von Oldenburg mit seiner Frau Friederike von Württemberg und der russische Zar Paul I. mit seiner Gemahlin Maria Fjodorowna, der Schwester Friederikes, lernten Johann Caspar Lavater kennen. Dieser war der Hauptvertreter der damals populären Physiognomik, nach der von äußeren Merkmalen, insbesondere des Gesichts, auf die Charaktereigenschaften eines Menschen geschlossen wurde. Die „Vier Unvergesslichen“, wie Lavater das illustre Gespann nannte, waren von diesen physiognomischen Studien fasziniert. Auch der Oldenburger Hofmaler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein stand mit Lavater in engem Kontakt und fertigte selbst Charakterstudien an, die ebenso wie Lavaters Vorbilder an den europäischen Höfen ihrer Zeit diskutiert wurden.

Die dynastischen Verbindungen zwischen dem russischen Zarenhaus und dem Oldenburger Hof reichen zurück bis ins 18. Jahrhundert: 1762 wurde Peter III. der erste Oldenburger auf dem Zarenthron. Seine Frau Katharina II., besser bekannt als Katharina die Große, war die Cousine des Oldenburger Herzogs Peter Friedrich Ludwig.

Zwischen Peter Friedrich Ludwig, seiner Frau Friederike von Oldenburg, deren Schwester Maria Fjodorowna und ihrem Mann Zar Paul I. bestand mehr als eine verwandtschaftliche Beziehung. Zahlreiche Briefe, die in der Ausstellung gezeigt werden, zeugen von einem regen Austausch über gemeinsame Interessen. So teilten beispielsweise Peter Friedrich Ludwig und seine Schwägerin Maria eine besondere Leidenschaft für englische Gärten und Botanik.

Physiognomik

Eine große Faszination der Vier war die Physiognomik. Die Methode, den Charakter eines Menschen aus seiner äußerlichen Gestalt abzuleiten, gelangte durch den Zürcher Pfarrer Johann Caspar Lavater zu großem Erfolg und war im ausgehenden 18. Jahrhundert in ganz Europa verbreitet. Die Ausstellung präsentiert zahlreiche Zeichnungen und Grafiken aus Lavaters vierbändigem Werk Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe. Diese Darstellungen von menschlichen und tierischen Gesichtern, aus denen er die Persönlichkeit las, vermitteln eindrücklich die Grundideen der Physiognomik sowie den Stil und die Vorgehensweisen Lavaters.

Obwohl sich die Physiognomik über einen langen Zeitraum einer großen Beliebtheit erfreute, sind Lavater und seine Lehre heute kaum mehr bekannt. Dabei sind seine Überlegungen aktueller denn je: In unserem digitalen Zeitalter werden Gesichter auf lesbare Informationen geprüft, algorithmisch ausgewertet und massenhaft zu Datenprofilen verknüpft.

Ausstellung

Einer der Höhepunkte der Schau ist die bisher so gut wie unbekannte Sammlung Petersburger Physiognomie. Dieses Konvolut an physiognomischen Zeichnungen schickte Lavater Ende des 18. Jahrhunderts an Maria Fjodorowna nach St. Petersburg. Es umfasste über 1000 nach Themen sortierte, meist kolorierte Handzeichnungen und Kupferstiche, die jeweils mit physiognomischen Deutungen Lavaters versehen sind. Ursprünglich waren die losen Blätter hinter Glas gelegt, damit sie aufgehängt werden konnten. Erst 1826 wurden die Blätter im Auftrag von Maria in vier Doppelfoliobände, in denen sie sich heute noch befinden, angeordnet. Zwei dieser am russischen Hof entstandenen Bände werden nun erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.

„Die Vier Unvergesslichen“ spannt das Beziehungsgeflecht zwischen den deutsch-russischen Dynastien und den Künstlern der Zeit: Auch Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, der ab 1808 als Hofmaler im Dienste Peter Friedrich Ludwigs am Oldenburger Hof stand, setzte sich intensiv mit den Lehren der Physiognomik auseinander, seit er sich 1781 für längere Zeit bei Lavater in Zürich aufgehalten hatte. Lavater zeigte sich begeistert von Tischbeins Malerei und ermutigte ihn zu intensiven Porträtstudien. So befinden sich in der Sammlung des Landesmuseums heute zahlreiche Darstellungen Lavaters von der Hand Tischbeins.

Das Prinzenpalais

Die enge Verbindung zwischen dem russischen Zarenhaus und dem Oldenburger Hof manifestiert sich auch im herrschaftlichen Gebäudeensemble, in dem sich heute das Landesmuseum befindet. Das Prinzenpalais, in dem die Sonderausstellung gezeigt wird, wurde zwischen 1821 und 1826 für die beiden Enkel Peter Friedrich Ludwigs, die russischen Prinzen Peter und Alexander, errichtet. Ihre Mutter Katharina Pawlowna hatte vor ihrem Tod verfügt, dass die Jungen zu ihrem Großvater nach Oldenburg ziehen sollten. Das einzige historisch erhaltene Zimmer aus dieser Zeit ist das sogenannte Schreibkabinett der Prinzen. Dieser prunkvolle Originalschauplatz bildet einen der Höhepunkte der Ausstellung. Darüber hinaus sind Leihgaben der herzoglich-oldenburgischen Familie, aus dem Schlossmuseum Jever und aus Privatbesitz zu sehen, die teilweise erstmals öffentlich ausgestellt werden.

Begleitpublikation

In Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa entstand eine umfangreiche Begleitpublikation (256 Seiten, ISBN 978-3-11-070749-6), die für 29,90 Euro an den Museumskassen erhältlich ist.

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