Tatort Niedersachsen: „National Feminin“
(Achim Neubauer) Gerade vier Wochen nach ihrem letzten Fall schickt „Das Erste“ die Kommissarinnen Charlotte Lindholm und ihre Kollegin Anais Schmitz zu ihrem nächsten Einsatz bei „National Feminin“. Am 26. April ermitteln beide im Todesfall einer „patriotischen Feministin“ und Betreiberin eines Videoblogs.
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„Das wird ein Scheiß-Tag“, sind sich die Kommissarinnen sicher, als die Leiche von Marie Jäger im Göttinger Stadtwald gefunden wird. Am Vorabend hatte sie noch einen Farbbeutel-Anschlag auf die Jura Professorin Sophie Behrens (Jenny Schily) vereitelt, nun setzen ihre Freunde aus der „Jungen Bewegung“ alles daran, für den Mord den politischen Gegner verantwortlich zu machen. Dabei setzen sie auf eine Mischung aus Falschinformationen, Behauptungen, Stimmungsmache und Unterstellungen. Es sind keine tumben, Springerstiefel tragenden Jung-Nazis, in deren Umfeld Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) und Anais Schmitz (Florence Kasumba) ermitteln, sondern sehr eloquente Jungakademiker, die die sozialen Medien sehr schlau benutzen, um Zweifel zu säen an der Arbeit der Polizistinnen, der Justiz, der Demokratie.
Dem unverhohlenen Hass, der ihr entgegenschlägt, setzt Anais Schmitz – ziemlich wortlos, aber beeindruckend klar – ihre Würde entgegen, während sich Charlotte Lindholm auf Diskussionen einlässt, die sie gegenüber den rhetorisch großartig auftretenden Gegenspielern schlecht aussehen lassen. Sowohl Jenny Schily als auch Samuel Schneider und Florence Kasumba spielen Maria Furtwängler ganz klar an die Wand. So konfrontativ der Anfang des Films gestaltet ist, so „ruhig“ wird der Tatort im Verlauf der Handlung. Die Auseinandersetzungen mit der Polizei, dem Staat, einem – wie auch immer gearteten Gegner – eskalieren so sehr, dass es zu keiner Lösung kommen kann. In diese Sackgasse geraten, brechen nun die persönlichen Widersprüche auf, die eine ganz anders zerstörerische Kraft entwickeln. Marie Jäger, die getötete Bloggerin spricht in einem ihrer Videos von dem „wunden Punkt“ in der eigenen Lebensgestaltung, der im Widerspruch zur ideologischen Überzeugung steht. Diese Diskrepanz zwischen Reden und Handeln arbeitet das Drehbuch von Florian Oeller fein heraus, ohne oberlehrerhaft mit dem Zeigefinger zu drohen. Er packt die „Junge Bewegung“ bei ihrer eigenen Unglaubwürdigkeit und so ist dann auch die Auflösung des Mordfalls, die zwischenzeitlich aus dem Fokus der Inszenierung herausfällt, keine wirkliche Überraschung
Ein Tatort, der die gesellschaftlichen Diskussionen aufnimmt und den Finger genau dahin legt, wo es weh tut. Anders (und gelungener) als in seinem Drehbuch zum Falke-Tatort „Treibjagd“ arbeitet Oeller die Bigotterie der angeblichen Patrioten heraus, deren stramm rechte Überzeugungen sich an der eigenen Biographie brechen.
Ein Tatort mit Charlotte Lindholm, der allerdings (wieder mal) die Figur der Kommissarin dramaturgisch nicht entwickeln kann. So finden sich erneut alle Zutaten mit denen die Redaktion schon seit Jahren jongliert: David, Charlottes Sohn, muss damit umgehen, dass seine Mutter keine Zeit für ihn hat. Für ein Gespräch mit Professorin Sophie Behrens wird die Lebensgeschichte von Charlotte Lindholm so verdreht, dass der zu ihrem bekannten Medizin- nun auch noch ein Jura-Studium angedichtet wird. Schließlich ist Nick Schmitz (Daniel Donskoy), der Mann ihrer Ermittler-Kollegin, derjenige, dessen wesentliche Aufgabe in diesem Film ist, die Kommissarin anzuhimmeln. Dieser Handlungsfaden spitzt sich allerdings so zu, dass der Zusammenarbeit zwischen den Kommissarinnen in Göttingen, die sich diesmal ziemlich reibungslos abspielt, eigentlich keine große Zukunft mehr beschert sein kann.
Gut zu wissen
- „National Feminin“ wurde vom 26. September bis 10. November in Göttingen und Hamburg inszeniert.
- Auch dieser NDR-Tatort steht parallel zur Fernsehausstrahlung als Podcast in der ARD-Audiothek zur Verfügung.
- Franziska Buch führte auch schon bei „Das verschwundene Kind“ Regie, dem ersten Göttingen Tatort der Kommissarinnen Lindholm und Schmitz.
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