Film

Tatort Bundespolizei: „Alles was Sie sagen“

Sabrina Amali und Wilke Wotan Möhring in Aktion im Tatort Alles was Sie sagen.

Sabrina Amali und Wilke Wotan Möhring in Aktion.
Foto: Christine Schröder/ NDR

(Achim Neubauer) Im Mittelpunkt interner Ermittlungen stehen Tatort-Kommissar Thorsten Falke und seine Partnerin Julia Grosz in ihrem neuen Fall, der am 22. April in der ARD erstausgestrahlt wird. Als während eines Einsatzes in Lüneburg eine erschossene Libanesin aufgefunden wird, beginnen noch in derselben Nacht die Anhörungen und Befragungen der beiden Bundespolizisten.

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Im Wechsel von Rückblenden und kammerspielartigen Szenen im Verhörraum entfaltet sich in den ersten gut sechzig Minuten das Geschehen des inzwischen schon zehnten Tatorts mit Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring). Seine Partnerin Julia Grosz (Franziska Weisz) und er werden zum Einsatz getrennt befragt und sie stellen jeweils ihre Sichtweise dar. In ihrem vierten gemeinsamen Fall werden die beiden Bundespolizisten endlich zu einem richtigen Team. Der Weg dahin ist allerdings weit.

Es ist der 24. Oktober 2017 um 3.42 Uhr morgens. „Alles was Sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden“, belehrt Kriminalrat Joachim Rehberg (Jörn Knebel) die Kommissare und dann werden ihre jeweiligen Aussagen den Zuschauern dargestellt. Das bedeutet auch, zwei ganz verschiedene Versionen der Handlung zu Gesicht zu bekommen, nicht sicher sein zu können, auf wessen Darstellung denn nun Verlass ist. Trügt da nur die Erinnerung? Sprechen die Vernommenen von Tatsachen oder breiten sie nur ihre Vermutungen aus? Versuchen sie gar bewusst die Ermittlungen zu manipulieren? Sprechen sie von „alternativen Fakten“? Was ist passiert als die Bundespolizisten eigentlich doch nur den Auftrag hatten, in der Heidestadt die Identitätsprüfung eines Asylbewerbers vorzunehmen?

Fest steht: Die Kugel, die die Libanesin Alima (Sabrina Amali) tötete, könnte aus der Waffe von Falke stammen. Ein schwerer Verdacht, dem natürlich nachgegangen werden muss. Insofern ist „Alles was Sie sagen“ auch das Gegenstück zu „Verbrannt“, dem Tatort, in dem Falke und seine damalige Partnerin Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) in ihrem Abschiedsfall 2015 die Geschichte eines in einer Polizeizelle gestorbenen Asylbewerbers ermittelten. Damals waren es die Bundespolizisten, die sich im Polizeiapparat als vermeintliche „Nestbeschmutzer“ auf die Suche nach der Wahrheit machten, nun müssen sich beide selbst den unangenehmen Fragen eines Kollegen stellen.

Fraglich bleibt bei den Ermittlungen, ob Falke und seine Kollegin einander überhaupt vertrauen können. Julia Grosz lässt sich ablenken in Lüneburg. Sie trifft Olaf Spieß (Marc Rissmann), einen ehemaligen Freund und Kollegen aus der Ausbildungszeit. Die beiden flirten wieder miteinander, sehr zum Missfallen von Thorsten Falke, dessen Eifersucht die Wahrnehmung zu vernebeln scheint und der schließlich zu allem Überfluss auch noch einen Maulwurf in der Lüneburger Polizei vermutet.

Die Autoren Jan Martin Scharf und Arne Nolting („Club der roten Bänder“) machen es den Kommissaren nicht leicht – und den Beobachtern vor dem Bildschirm auch nicht. Einen klassischen „Mitrate-Film“ haben sie entwickelt – wenn auch der etwas anderen Art. Hier geht es nicht allein um die Frage nach dem Täter / der Täterin, sondern darum zu eruieren, was denn überhaupt geschehen ist. Das Stilmittel, auf das sie dabei zurückgreifen, ist natürlich nicht neu. Verschiedene Versionen eines Geschehens als Rückblende im Bild dargestellt; das fand sich zuletzt ähnlich in den ersten Filmen der mehrfach ausgezeichneten US-Serie „True Detective“ und auch in der Reihe Tatort (zum Beispiel im Münchner Beitrag „Der Tod ist unser Leben“ mit Batic und Leitmayr oder im Lannert / Bootz Tatort „In eigener Sache“ aus Stuttgart) wird es benutzt.

Erst im letzten Drittel des Falke-Tatorts fügen sich langsam die Puzzle-Teile des Falls zusammen. Bis dahin sind Ermittler und Zuschauer im Wesentlichen in der Nacht unterwegs. Nicht nur im übertragenen Sinn tappen beide im Dunklen, bewegen sich zwischen schlecht ausgeleuchteten Straßen- und Fabriksituationen einerseits und einem klaustrophobisch anmutendem Verhörzimmer andererseits. Das Bemühen um Authentizität ist dem Regisseur Özgür Yildirim wichtig gewesen bei seinem inzwischen dritten Tatort mit Wotan Wilke Möhring, in der optischen Auflösung, aber auch darin, dass er mit real Geflüchteten arbeitete und Gesprächspassagen auf Französisch und Arabisch eben nicht untertitelte, sondern – wie im Leben – dolmetschen ließ.

Mit seinem zehnten Fall scheinen Kommissar Thorsten Falke und damit auch Wotan Wilke Möhring endlich im Tatort-Universum ihren Platz gefunden zu haben. Das war ein langer Weg, der völlig überambitionierte, übertriebene, wenn auch glänzend inszenierte, Filme hervorbrachte („Kaltstart“; „Böser Boden“ oder „Mord auf Langeoog“), aber auch ein kleines Juwel, wie den oben schon genannten Beitrag „Verbrannt“. Es bleibt nur zu hoffen, dass Christian Granderath, der Abteilungsleiter Fernsehen beim NDR, Donald Krämer, den für die Bundespolizei-Tatorte verantwortlichen Redakteur, anleitet, diesen Weg weiter zu gehen: Einfache Geschichten zu erzählen mit dem Milch trinkenden Billstedter Bullen und seiner Partnerin, die Falke jetzt auch duzen darf; „aber sag niemals Juli zu mir“.

Interessant zu wissen

  • Bereits am Mittwoch, 18. April, sendet das NDR-Fernsehen um 18.15 Uhr in der Reihe „Wie geht das?“ eine halbstündige Reportage von den Dreharbeiten zum aktuellen Falke-Tatort.
  • Arne Noltig und Jan Martin Scharf arbeiten seit Anfang der 2000er Jahre als Autorenteam zusammen und haben unter anderem Drehbücher für die Serien „Wilsberg“ und „Friesland“ geschrieben und die Mystery-Miniserie „Weinberg“ entwickelt. Für den „Club der roten Bänder“ wurden sie 2016 mit dem Grimme-Preis sowie 2016 und 2017 mit dem Deutschem Fernsehpreis ausgezeichnet.
  • Özgür Yildirim inszenierte nicht nur den ersten Falke Tatort „Feuerteufel“ (2013), sondern auch den ersten Tatort, in dem Franziska Weisz als Kommissarin Julia Grosz als auftauchte: „Zorn Gottes“ (2016).
  • „Alles was sie sagen“ wurde vom 19. Oktober bis 16. November 2017 in Hamburg, Lüneburg und Umgebung gedreht.
  • Im Herbst 2018 soll voraussichtlich der nächste Falke-Tatort ausgestrahlt werden, der mit dem Arbeitstitel „Treibjagd“ noch bis zum 5. Mai in Hamburg unter der Regie von Samira Radsi entsteht.
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