Kultur

Kulturetage: Kulissendorf „Stedingsehre“ wird zur Bühne

Björn Kruse (links) und Ulf Goerges vom Ensemble des „theater k“ der Kulturetage Oldenburg proben für „Visionen für einen Unort“.

Björn Kruse (links) und Ulf Goerges vom Ensemble des „theater k“ der Kulturetage Oldenburg proben für „Visionen für einen Unort“.
Foto: Bernhard Weber-Meinardus

Oldenburg (vs) „Visionen für einen Unort“ nennt das Ensemble vom „theater k“ der Kulturetage Oldenburg ihr neuestes Stück, das am 9. September seine Premiere feiert. Gespielt wird im Kulissendorf „Stedingsehre“ in Bookholzberg, das zurzeit der Nationalsozialisten zu einem Wallfahrtsort für ihre Propaganda werden sollte. Ein „Oberammergau des Nordens“ sollte die Freilichtbühne mit 10 000 Sitzplätzen und 300 Laienschauspielern nach der Grundsteinlegung im Jahr 1934 sein. „Stedingen leevt!“ hieß das damalige Stück, das Heimatdichter August Hinrichs schrieb und dort bis 1937 aufgeführt wurde.

Anzeige

In Bookholzberg im Landkreis Oldenburg gibt es bis heute keine Hinweistafel auf diesen geschichtsträchtigen Ort, der von den Nazis auch für Massenkundgebungen genutzt wurde. Auch wenn „Stedingsehre“ „nur“ als Stätte für Theater und Propagandareden diente, schweigen die Gemeindevertreter und die ältere Bevölkerung bis heute lieber über diesen Ort, als das er zur Aufklärung der damaligen Geschichte genutzt wird. Mit dem „theater k“ rückt der „Unort“ nun wieder ein Stück in die Öffentlichkeit. Das Projekt nach der Idee von Bernt Wach, Geschäftsführer und künstlerischer Leiter der Kulturetage, traf nach Auskunft von Pressesprecherin Bettina Stiller, nicht sofort auf Sympathie, wollte man doch von Seiten der Verwaltung genau wissen, was dort geplant sei, denn das Gelände ist verschlossen und nur mit Erlaubnis zu betreten. Man will dort auf jeden Fall vermeiden, dass „Stedingsehre“ zu einem Treffpunkt der rechten Szene wird.

Ideenwettbewerb zur Zukunft von „Stedingsehre“

Die Idee zu dem Stück hatte Bernt Wach bereits vor vier Jahren bei der Recherche zu den Bauernkriegen in der Region. In diesem Zusammenhing stieß er auf die Geschichte der aufständischen Stedinger, die während eines brutalen Kreuzzuges im Jahr 1234 vernichtet wurden. Daraufhin kam er kurze Zeit später während eines Spazierganges zu dem verlassenen und geschichtsträchtigen Ort „Stedingsehre“, der ihn zu dem Theaterstück inspirierte. Herausgekommen ist neben der Geschichte eine Vision um die Zukunft dieses Geländes. Die Produktion entsteht in Zusammenarbeit mit dem Informations- und Dokumentationszentrum Stedingsehre (IDZ) und dem INN-tegrativ Berufsförderungswerk Weser-Ems.

Den Spagat zwischen Unterhalten und Nachdenken an diesem negativ besetzten Ort will das Ensemble unter der Regie von Ulf Goerges und Markus Weiß wagen. „Wir wollten keine Betroffenheitsgeschichte erzählen“, so Wach. Aus drei Teilen besteht das Stück, bei dem das Publikum nicht in der verwitterten Arena Platz nimmt, sondern die Szenen bei einem Rundgang über das Gelände und zwischen den unter Denkmalschutz stehenden Bauernhäusern erlebt. Wie ein Mosaik fügt sich das Geschehen nach den Worten von Ulf Goerges zusammen. Das Publikum erlebt einmal die Dreharbeiten zu einem Film über den Bau der „Stedingsehre“ und es nimmt an den damaligen Proben, inklusive des Besuches von Carl Röver, damalige NSDAP-Leiter des Gaus Weser-Ems und Heimatdichters August Hinrichs, teil.

Wollen die „Stedingsehre“ in Bookholzberg in die Öffentlichkeit bringen (von links): Bernt Wach, Dietmar Wietrach, Peter Hedemann, Bettina Stiller, Lisa Dirks, Malin Gloistein, Frank Bekuhrs und Ulf Goerges.

Wollen die „Stedingsehre“ in Bookholzberg in die Öffentlichkeit bringen (von links): Bernt Wach, Dietmar Wietrach, Peter Hedemann, Bettina Stiller, Lisa Dirks, Malin Gloistein, Frank Bekuhrs und Ulf Goerges.
Foto: Volker Schulze

Der dritte Abschnitt wagt den Blick in die Zukunft und zeigt einen Ideenwettbewerb, für die Nachnutzung der Freilichtbühne. Da greift auch das Publikum mit in das Geschehen ein und darf über die beste Idee abstimmen. Wunsch der Verantwortlichen vom „theater k“ ist es auch, dass es von Seiten der Verwaltung vielleicht konkret zu Überlegungen kommt, dieses Gelände mit den denkmalgeschützten Häusern für die Zukunft zu nutzen.

Arbeitskreis eröffnet Informations- und Dokumentationszentrum

Dass die Geschichte der Freilichtbühne dank der Kulturetage etwas mehr in die Öffentlichkeit rückt, trifft zumindest auf große Zustimmung der ehrenamtlichen Mitglieder des Arbeitskreises „Geschichtsort Stedingsehre“, der im Herbst auf dem Gelände in einem der historischen Bauernhäuser ein Informations- und Dokumentationszentrum eröffnet. Seit 16 Jahren engagiert sich der Förderverein um die Aufarbeitung und Entmythisierung der geschichtsträchtigen Spielstätte. „Es soll ein lokaler Geschichts- und Lernort geschaffen werden, an dem der jüngeren Generation, speziell den Schulen der Nordwestregion, die politische Verführbarkeit von Menschen vermittelt werden kann“, so der Förderverein. Der Verein besitzt dafür eine umfangreiche Sammlung an Originalzeugnissen und Materialien der damaligen Zeit. Der Arbeitskreis bietet nach Voranmeldung auch geführte Besichtigungen an.

Vorstellungstermine, Karten und Informationen zum Vorstellungsbesuch gibt es unter www.kulturetage.de.

Vorheriger Artikel

DAX lässt deutlich nach - Siemens Energy hinten

Nächster Artikel

Maas will mehr internationale Zusammenarbeit zu Afghanistan

Keine Kommentare bisher

Einen Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.