Kultur

Lühr Grolle gibt Hollandgut zurück

Margarethe Rosenbohm-Plate (links) brachte den Stein mit ihrem Aufsatz ins Rollen. Dr. Andreas von Seggern und Dr. Marcus Kenzler verständigten sich über die Sondersammlung und Lühr Grolle (von links) gibt die ersten Objekte dort hinein.

Margarethe Rosenbohm-Plate (links) brachte den Stein mit ihrem Aufsatz ins Rollen. Dr. Andreas von Seggern und Dr. Marcus Kenzler verständigten sich über die Sondersammlung und Lühr Grolle (von links) gibt die ersten Objekte dort hinein.
Foto: Katrin Zempel-Bley

Oldenburg (zb) Durch Zufall ist Lühr Grolle auf den Aufsatz im Oldenburger Jahrbuch von Margarethe Rosenbohm-Plate über „Hollandgut“ im Oldenburger Land gestoßen und schnell war ihm klar, dass zwei Erbstücke seiner Mutter ihm vermutlich nicht rechtmäßig gehören. Gestern gab er sie ans Stadtmuseum Oldenburg zurück und hofft, dass weitere Betroffene seinem Beispiel folgen.

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Beschlagnahmte Güter deportierter Juden aus besetzten Gebieten in Holland, Belgien, Luxemburg und Frankreich bezeichnete man während der Nazizeit als Hollandgut oder Hollandmöbel. Das Raubgut wurde an zentralen Orten gelagert und anschließend an Bombengeschädigte oder kinderreiche Familien verteilt oder auch verkauft. In Oldenburg gab es mehrere Orte – einer war die Turnhalle am Haarenufer, sozusagen in der Nachbarschaft der Grolles.

„Mir war das Thema Hollandgut nicht bekannt“, sagt Lühr Grolle, der gleich nach dem Krieg mit seiner Mutter und fünf weiteren Geschwistern Oldenburg verließ. „Nachdem ich den Aufsatz gelesen hatte, war ich alarmiert. Ich wusste sofort, dass das Teeservice aus Zinn und eine Zeichnung des Holländers Bouke van der Sloot mit großer Wahrscheinlichkeit auf fragwürdige Weise in unsere Familie gekommen ist“, erzählt er. „Daraufhin wollte ich Bild und Teeservice nicht länger behalten.“

Sein Vater, Jahrgang 1900, war ein überzeugter Nazi, Mitglied der NSDAP und NS-Kulturreferent in Oldenburg. Er erfüllte gleich mehrere Kriterien, um Anspruch auf Hollandgut zu haben. „Er war Nazi und kinderreich und zudem hatte er eine starke Beziehung zu erlesenen Stücken“, berichtet Lühr Grolle. Ihm war später stets erzählt worden, der Vater habe diese Stücke von Dienstreisen mitgebracht. Ihn konnte er nicht mehr fragen, weil er 1944 in Österreich fiel.

Lühr Grolle nahm Kontakt mit Margarethe Rosenbohm-Plate auf. Die wiederum sprach mit dem Stadtmuseum Oldenburg. Museumsdirektor Dr. Andreas von Seggern nahm sogleich Kontakt zu Dr. Marcus Kenzler, Provenienzforscher am Landesmuseum für Kunst und Kultur in Oldenburg auf, die beschlossen, eine Sondersammlung entstehen zu lassen, die aus Hollandgut besteht.

„Es ist einmalig in ganz Deutschland, dass jemand seine Raubkunst an eine staatliche Einrichtung, in diesem Fall ein Museum, zurückgibt, damit es die Gegenstände treuhänderisch verwaltet und im besten Fall jene Menschen findet, denen Bild und Service gehören“, sagt Andreas von Seggern. Er stellt explizit klar, dass die Objekte nicht in den Besitz des Museums übergehen. „Wir nehmen sie lediglich in Obhut.“

Bis heute werden viele Objekte aus dieser Zeit vermisst. Oft gelten sie als verschollen, doch Marcus Kenzler kann sich durchaus vorstellen, dass viele sich in Privatbesitz befinden und ihre vermeintlichen Besitzer nicht wissen, dass es sich um Raubkunst handelt. Er bezeichnet die Sondersammlung deshalb „als schöne Chance, die Objekte an ihren rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben.“

Genau das möchte Lühr Grolle erreichen. „Wir müssen nicht nur über das Thema offen sprechen, wir sollten auch handeln. Allerdings müssen nicht alle Betroffenen das öffentlich machen wie ich. Ich habe es nur getan, um dieses Thema anzustoßen und weil ich mich nicht mehr als rechtmäßigen Eigentümer sehe“, sagt er. Es geht ihm keinesfalls um Bloßstellung, sondern nur um Rechtmäßigkeit.

Dass sich im Oldenburger Land noch allerhand Hollandgut befinden muss, gilt als sicher. Hollandgut-Expertin Margarethe Rosenbohm-Plate hat intensiv geforscht und herausgefunden, dass zwischen 1942 und 1944 allein 3273 Waggons mit Hollandgut nach Delmenhorst, 884 nach Oldenburg, 441 nach Wilhelmshaven und darüber hinaus 134 nach Bremen und 1269 nach Osnabrück gegangen sind.

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