Kultur

Staatstheater: BallettCompagnie Oldenburg brilliert

„Out of Love“ von Lilit Hakobyan bildet den krönenden Abschluss des Ballettabends „Vibe(s)-Lich(t), der noch bis Mai im Kleinen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters zu sehen ist.

„Out of Love“ von Lilit Hakobyan bildet den krönenden Abschluss des Ballettabends „Vibe(s)-Lich(t), der noch bis Mai im Kleinen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters zu sehen ist.
Foto: Stephan Walzl

Oldenburg (vs) Unterschiedlicher für Augen, Ohren und Herz kann ein Tanzabend nicht sein. Was das Publikum im Kleinen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters derzeit von der BallettCompagnie Oldenburg in „Vibe(s)-Lich(t)“ sehen und genießen kann, ist ganz großes Kino. Pardon: Tanz. Tanz mit tiefen Gefühlen, ästhetischem Ausdruck sowie kraftvoller Energie und zugleich berührender Eleganz haben die drei Gastchoreografinnen mit dem Oldenburger Tanzensemble auf internationalem Niveau auf die Bühne gezaubert. Jeder der drei Teile steht für sich und löst jedes Mal beim Publikum eine Euphorie der Freude und Begeisterung aus, wie es sie im Kleinen Haus nach einer Tanzpremiere lange nicht gegeben hat.

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Diese drei derart verschiedenen Choreografien, jede als Uraufführung, präsentieren dem Publikum die Vielfalt des Tanzes in kompletter Bandbreite. Wer immer noch unschlüssig ist, ob sich ein Tanzabend lohnt, der und dem sei gesagt: „Auf jeden Fall“. Einen sehenswerten Querschnitt der Stile mit seiner eigenen Tanzsprache vom klassisches Ballett auf Spitze bis zum kraftvollen, zeitgenössischen Tanz liefern Alice Topp, So-Yeon Kim-von der Beck und Lilit Hakobyan. „Vibe(s)-Lich(t)“ ist der ideale Einstieg für Tanzneulinge. Und den Leuten die noch der Meinung sind, „Ich verstehe nicht, was die da tanzen“, sei gesagt: „Kopf aus. Augen, Ohren und Herz auf“.

„Soft Knocks“ – der Kampf um die Liebe

Im ersten Teil „Soft Knocks“ („Weiche Schläge“) der Australierin Alice Topp treffen die Tänzerinnen und Tänzer in einer Art Boxring aufeinander. Ob es Paare, Freunde/innen oder Fremde sind, ist nicht genau zu erkennen. Sie gehen aufeinander zu, kämpfen miteinander und gegeneinander und gehen wieder auseinander. Sogar ein Ringrichter ist präsent, greift ein und kürt am Ende jeder Tanzszene einen Sieger oder eine Siegerin. Alle gehen alleine, wie sie auch in den Ring gekommen sind. Nur ein Paar bleibt am Ende zusammen. Siegt am Ende doch die Liebe im stetigen Kampf um Zuneigung, Annäherung, Vertrauen und Zusammenhalt? Mit vollem Körpereinsatz bringen sich die Paare ein. Ein tänzerisches Kräftemessen um die Liebe auf höchstem Niveau. Zwischen Hoffen und Verzweifeln klammern sie sich aneinander und stoßen sich wieder ab. In „Soft Knocks“ geht es um Vertrauen, Zuneigung und Offenheit. Zu unterschiedlichen Songs des australischen Songwriters Tim Rogers lässt die Choreografin das Oldenburger Ensemble mit überraschenden Handlungsabläufen aufeinandertreffen. Spielerisch, harmonisch, romantisch, kämpferisch aber stellenweise auch humorvoll geht es in diesem imaginären Boxring zur Sache.

Klassischer Spitzentanz in „Weiße Schwalbe“

„Weiße Schwalbe“ betitelt So-Yean Kim-von der Beck ihre Choreografie mit biografischen Zügen. Die Koreanerin hat dabei nicht nur ihren Vornamen Yean („Schwalbe“) verwendet, sondern bringt ihre Gedanken zu ihrer eigenen Karriere tänzerisch auf die Bühne. Ihren klassischen Hintergrund bekräftigt sie durch die Tänzerin, die sie auf Spitzenschuhen tanzen lässt. In ihrer Zeit in Europa lernte die Koreanerin auch viele andere Stile kennen. Somit folgt ihre besonders ästhetische Choreografie überwiegend dem klassischen Ballett. Klare Linien und Figuren ziehen sich durch ihre Arbeit. Das Trio mit zwei Männern und einer Frau tanzt zu zwei Stücken von Frédéric Chopin, welche im Original sowie in einer elektronischen Fassung des isländischen Komponisten Ólafur Arnalds zu hören sind. Im Gegensatz zu den heutigen oftmals visuell und tänzerisch überladenen Choreografien, wie So-Yean Kim-von der Beck sie vielerorts sieht, konzentriert sie sich in ihrer neusten Arbeit auf das Wesentliche und Reduzierte in der klassischen Tanzsprache. Der ständigen Reizüberflutung entgegen lässt sie das Trio nur durch ihre Bewegung in klassischen Linien überzeugen. Wenn es dadurch auch nichts Neues und Überraschendes zu sehen gibt, ist die Ästhetik dieser Choreografie sehenswert.

Die australische Choreografin Alice Topp lässt die BallettCompagnie Oldenburg in ihrer Uraufführung „Soft Knocks“, wie so oft im menschlichen Miteinander, in einem Boxkampf aufeinandertreffen.

Die australische Choreografin Alice Topp lässt die BallettCompagnie Oldenburg in ihrer Uraufführung „Soft Knocks“, wie so oft im menschlichen Miteinander, in einem Boxkampf aufeinandertreffen.
Foto: Stephan Walzl

Treibende Beats bei „Out of Love“

Zum Abschluss des gefeierten Tanzabends zeigt Lilit Hakobyan ihr Stück „Out of Love“ im Kleinen Haus. Die aus Armenien stammende Choreografin orientiert sich an die sogenannte „Samtene Revolution“ in ihrem Heimatland im Jahr 2018. Mit friedlichem Protest und aus Liebe zum eigenen Land gelang es damals der Bevölkerung den jahrzehntelangen Machthaber zum Rücktritt zu bewegen. Ihre Arbeit bewegt sich zwischen politischen Umbrüchen und der inneren Revolution in uns allen auf der Suche nach einem anderen, vermeintlich besseren, Leben. „Mit inneren Revolutionen können wir zum Beispiel festgefahrene Verhaltensmuster durchbrechen und unsere Energie in neuen Fluss bringen“, sagt Lilit Hakobyan. Zu treibenden Beats von Simon van der Veer bewegen sich die Tänzerinnen und Tänzer im Solo wie auch im Ensemble. Einige scheren aus, gehen voran, andere folgen ihnen oder verwehren sich. Mit enormem Körpereinsatz und Tempo agiert die BallettCompagnie Oldenburg auf der Bühne, dass eine Energie entsteht, die sich dem Publikum nicht entziehen kann. Athletisch, kraftvoll und auch mit Elementen des Breakdance versehen, zieht das Ensemble alle in den Bann. In der großen Gemeinschaft versöhnt, endet die Revolution mit tosendem Applaus. Wem sich bei „Out of Love“ der gedankliche Hintergrund nicht erschließt, was sich ohne Programmheft auch nicht zwangsläufig ergibt, erfreut sich auf jeden Fall an Tanz voller Dynamik, Kraft und Ästhetik.

Mehr Informationen und Karten gibt es unter www.staatstheater.de. Der Tanzabend ist noch bis Ende April zu sehen und hat seine letzte Vorstellung am 16. Mai im Rahmen der Internationalen Tanztage am Oldenburgischen Staatstheater (9. bis 18. Mai 2025).

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