Staatstheater: Paulina Hobratschk begeistert als Momo
Oldenburg (vs) Zeit ist kostbar, heißt es immer. Umso wichtiger, sie bewusst zu nutzen und zu leben. Zeiträuber sind in unserer digitalen Welt leider allgegenwärtig. In dem Buchklassiker „Momo“ von Michael Ende, treten diese Zeiträuber sogar in menschlicher Gestaltung auf und nicht in Form von Smartphone, Tablet oder Spielkonsole. Wie sich das Mädchen Momo erfolgreich dagegen wehrt und wie wichtig es ist, gute Freundinnen und Freunde zu haben, ist derzeit im gleichnamigen Weihnachtsstück im Oldenburgischen Staatstheater zu sehen. So phantasievoll und spannend wie Michael Ende diese zeitlose Geschichte geschrieben hat, so erfolgreich und absolut sehenswert ist es auch Regisseurin Katharina Birch im Großen Haus gelungen, dieses Abenteuer von Momo in überzeugenden Bildern auf die Bühne zu bringen.
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Einen großen Anteil am Erfolg der Oldenburger Inszenierung hat, neben dem insgesamt sehr guten Ensemble, die Hauptdarstellerin Paulina Hobratschk in der Figur der Momo. Mit bewundernswerter Spielfreude wirbelt die 26-Jährige nach verschiedenen TV-Rollen erstmals in einem Theater über die Bühne, sodass nicht nur die jungen Zuschauerinnen und Zuschauer ins Schwärmen geraten. Sie wollen kaum wahrhaben, dass 90 Minuten wie im Flug vergehen. Mit der Kombination aus kindlicher Neugier, ansteckender Abenteuerlust, reichlich Mut und unbändiger Herzlichkeit ohne Vorurteile gegenüber ihren Mitmenschen, gelingt es Momo die Zeiträuber der Zeitsparkasse in Gestalt der „Grauen Herren“ zu besiegen und sich ohne Umschweife in die Herzen des Publikums zu spielen. Auch ohne viel Text und mehr als Zuhörerin und Zuschauerin agierend, weiß sie komplett zu überzeugen. Sich den dunklen Mächten in der Gemeinschaft mit vereinter Kraft erfolgreich entgegenzustellen und gegen das Böse trotz Hindernissen zusammenzuhalten, ist in Michael Endes Geschichte aktueller denn je.
Neben Paulina Hobratschk in der Hauptrolle ist es Schauspieler Matthias Kleinert, der als Straßenkehrer Beppo mit seiner besonnenen und weisen Art begeistert. Als liebevoller Freund Momos, weiß er mit Bedacht der Hektik des Alltags zu entfliehen und sich nur auf den Moment zu konzentrieren und jederzeit im Augenblick zu leben. „Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur an den nächsten“, erklärt er Momo sein Lebenskredo. Mit diesem Satz hat Michael Ende bereits 1973, im Erscheinungsjahr seines Klassikers, gewusst, was wichtig ist für ein achtsames Leben. Ebenso beeindruckend ist Franziska Werner in der Rolle von Meister Hora mit ihrem besinnlichen und feinfühligen Spiel zu sehen.
Kreativteam zieht in Oldenburg alle Register
Regisseurin Katharina Birch hat in ihrer sehr gelungenen Inszenierung nichts beschönigt und zeigt die Grauen Herren in dunklen Szenen im Nebel verhüllt mit weißer Maske und mysteriöser Gestik und Stimme. Ein großes Lob geht besonders in diesen Szenen, wie aber auch im gesamten Stück, an das Kreativteam georg&paul, das ein Bühnenbild geschaffen hat, das einer Augenweide gleicht. Die technischen Abteilungen des Oldenburgischen Staatstheaters haben wieder einmal alle Register ihres Könnens gezogen. Auf, über und unter der Bühne ist alles in Bewegung. Vor allem das Reich von Meister Sekundus Minutius Hora, dem Hüter der Zeit, ist mit seinen beweglichen Stahlträgern und Stäben wie Sekunden- und Uhrzeiger in Form einer Baustelle ein Hingucker. Die entsprechende, intelligente Lichtregie trägt ebenso dazu bei, die Stimmung und Atmosphäre von fröhlich bis duster zu unterstreichen. Dazu passend auch die Musik von Lars Ehrhardt. Die Szenenwechsel von vertrautem Zuhause zu kühler Distanz gelingen perfekt. Die phantasie- und prachtvollen Kostüme von Meister Hora und der Schildkröte Kassiopeia zeigen eindrucksvoll die Kreativität der Verantwortlichen in der Kostümabteilung.
Michael Ende schreibt mit „Momo“ ein zeitloses Märchen
Die Geschichte von „Momo“ ist auch heute noch aktuell und ein Sinnbild unserer schnelllebigen Gesellschaft und für den Kapitalismus, in dem Besitztum und Macht mehr wert sind als Freundschaft, Zusammenhalt und ein friedliches Miteinander. Bleibt zu hoffen, dass (nicht nur) die jungen Zuschauerinnen und Zuschauer im Oldenburgischen Staatstheater von diesem (Lehr-)Stück ohne erhobenen Zeigefinger etwas Sinnhaftes spüren, erkennen und weitergeben. Langer, tosender Applaus und stehende Ovationen. Nach der Premiere gab es für das junge Publikum ausgiebig und in aller Ruhe Autogramme und Fotos mit dem Ensemble. Soviel Zeit muss sein.
Vorstellungstermine und Restkarten gibt es unter www.staatstheater.de.
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