Kultur

Starke Schwestern – Doppelabend im Staatstheater begeistert

Anna Seeberger (Antigone) und Caroline Nagel (Kreon).

Anna Seeberger (Antigone) und Caroline Nagel (Kreon).
Foto: Stephan Walzl

Oldenburg (am/ki) Das Oldenburgische Staatstheater hat mit „Antigone / Schwester von“ einen beeindruckenden Theaterabend geboten, der die antike Tragödie in neuem Licht zeigt. Unter der Regie der neuen Hausregisseurin Ebru Tartıcı Borchers erlebten die Zuschauer/innen im ausverkauften Kleinen Haus ein intensives, emotional aufgeladenes Stück, das Antigone und ihre Schwester Ismene in den Mittelpunkt stellt. Die beiden Teile, basierend auf Roland Schimmelpfennigs Neuübertragung von Sophokles’ „Antigone“ und Lot Vekemans Monolog „Schwester von“, boten dabei spannende Einblicke in die unterschiedlichen Perspektiven dieser Schwestern.

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Eine Inszenierung der Gegensätze

Die Inszenierung war gekennzeichnet von starken Kontrasten – sowohl inhaltlich als auch visuell. Antigones Rebellion gegen die staatliche Macht, vertreten durch Kreon, und Ismenes stillere, fast verzweifelte Kapitulation vor dem Fluch ihrer Familie, standen sich gegenüber. Während Antigone sich gegen menschengemachte Gesetze stellt, ist Ismene gefangen in der Geschichte ihrer Familie, ihrer Ohnmacht und ihrem Überleben.

Besonders hervorzuheben ist das Bühnenbild von Sam Beklik: Graue Quader, die wie archaische Blöcke über die Bühne schwebten, und dazu flackernde Lichteffekte, die zusammen mit Nebel eine fast surreale, bedrückende Atmosphäre schufen. Es war eine Kulisse, die die Menschen in den Mittelpunkt rückte – zwischen den Polen von Gut und Böse.

Herausragende schauspielerische Leistungen

Das Ensemble des Staatstheaters überzeugte auf ganzer Linie. Ihnen zur Seite standen Oldenburgerinnen und Oldenburger als Volk von Theben auf der Bühne. Caroline Nagel als Keon und Anna Seeberger als Antigone lieferten eine herausragende Performance, doch die schauspielerische Glanzleistung des Abends kam von Tobias Schoermann als Ismene im zweiten Teil. Sein Monolog im Stück Schwester von war bewegend und erschütternd zugleich – eine intime, stille Auseinandersetzung mit Verlust, Schuld und dem Erbe der Familie. Auch wenn der Text an einigen Stellen Längen hatte, besonders im ersten Teil, wurde dies durch die eindringliche Darbietung wettgemacht.

Kreative Freiheiten und Geschlechterrollen

Die Entscheidung, die Rollen nicht genderkonform zu besetzen, erwies sich als interessanter Ansatz, der das Publikum dazu zwang, sich von traditionellen Rollenzuweisungen zu lösen. Es erinnerte an das antike griechische Theater, in dem alle Rollen von Männern gespielt wurden. Heute können glücklicherweise alle Geschlechter auf der Bühne stehen, und es ist letztlich das schauspielerische Können der Darsteller*innen, das zählt.

Sophokles – Meister der Tragödie

Sophokles, geboren um 497/496 v. Chr. in Kolonos bei Athen, gehört zu den bedeutendsten Dramatikern der griechischen Antike. Neben Aischylos und Euripides zählt er zu den großen Tragikern dieser Epoche. Sophokles schrieb über 120 Stücke, von denen jedoch nur sieben vollständig überliefert sind. Sein Werk zeichnet sich durch die tiefgründige Auseinandersetzung mit menschlichen Konflikten, Schicksal und Moral aus. Besonders seine Tragödien, wie „Antigone“ oder „König Ödipus“, hinterfragen die Beziehungen zwischen göttlichen und menschlichen Gesetzen und die Grenzen individueller Freiheit.

In „Antigone“ setzt sich Sophokles eindrucksvoll mit dem Spannungsverhältnis zwischen staatlicher Macht und familiären Pflichten auseinander – ein Thema, das bis heute von hoher gesellschaftlicher Relevanz ist. Das Stück „Antigone“ wurde vermutlich 443 v. Chr. in Athen zur Uraufführung gebracht. In Oldenburg wurde dieser Stoff in einer modernen, packenden Interpretation auf die Bühne gebracht, die sowohl durch die Inszenierung als auch durch die schauspielerischen Leistungen beeindruckte.

Lot Bekemanns – Meisterin der Unsichtbaren

Lot Vekemans ist eine niederländische Dramatikerin und Autorin, die international für ihre eindringlichen Theaterstücke bekannt ist. Sie wurde 1965 in Oss, Niederlande, geboren und begann in den 1990er Jahren Theater zu schreiben. Vekemans‘ Werke sind oft von einer intensiven emotionalen Tiefe geprägt, und sie beschäftigt sich mit Themen wie Verlust, Trauer, familiären Beziehungen und Identität. Ihr Durchbruch gelang ihr mit dem Stück „Gift“. Eine Ehegeschichte, das 2009 uraufgeführt wurde und weltweit Anerkennung fand.

Tobias Schormann als Ismene.

Tobias Schormann als Ismene.
Foto: Stephan Walzl

„Schwester von“ ist ein Monolog, der die Figur Ismene, die Schwester von Antigone, in den Mittelpunkt stellt. Während Antigone traditionell im Rampenlicht steht und als Symbol für Widerstand und moralischen Mut gilt, wird Ismene oft übersehen. Der Monolog ist dabei keine simple Nacherzählung der antiken Geschichte, sondern ein intimes, emotionales Porträt einer Frau, die im Schatten ihrer berühmten Schwester steht und mit dem Erbe ihrer Familie zu kämpfen hat.

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