Kultur

TATORT Bundespolizei: „Im Wahn“

Gerry Fischmann, Thomas Niehaus und Wotan Wilke Möhrig (von links) in TATORT Bundespolizei: „Im Wahn“.

Gerry Fischmann, Thomas Niehaus und Wotan Wilke Möhrig (von links) in TATORT Bundespolizei: „Im Wahn“.
Foto: NDR/O-Young Kwon

Oldenburg (Achim Neubauer) Hochaktuell stellt sich das Thema des neuen Tatorts mit Hauptkommissar Thorsten Falke dar. In Hannover gibt es einen Messerangriff – zwei Personen werden tödlich verletzt und weil das Verbrechen im Bereich des Bahnhofs passiert ist, liegt die Zuständigkeit bei der Bundespolizei. Für die Ermittlungen wird eine Soko gebildet, die für die Tätersuche auf Künstliche Intelligenz setzt. Diese kann tatsächlich wichtige Hinweise auf mögliche Verdächtige liefern. Am Ostermontag, 21. April, sendet das Erste einen Film, der den Einsatz von KI in der Polizeiarbeit hinterfragt.

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Natürlich passen sie nicht zusammen: Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring), dessen biographische Wurzeln auf der Straße, in Hamburg-Billstedt liegen und der Einsatz von „Kroisus“ einem Computerprogramm, das durch Finn Jennewein (Thomas Niehaus), programmiert und betreut wird. Die Polizei in der niedersächsischen Landeshauptstadt steht unter hohem Erwartungsdruck, die Messerangriffe sorgen für erhebliche Unruhe in der Bevölkerung. Schnell kann der IT-Experte Jennewein mit Hilfe von ausgewerteten Handydaten und Bewegungsprofilen ein Täterprofil präsentieren, dass „in 98 Prozent der Fälle“ zutrifft.

Während damit die Polizeidirektorin Sell (Anna Stieblich) die Situation für so gut wie bereinigt und aufgeklärt abhaken will, ist Falkes Skepsis geweckt. Er will sich – wie das schon in vielen anderen seiner Fälle dargestellt wurde – zum einen auf seine Intuition verlassen und zum anderen Beweise finden, sich jedenfalls nicht auf die Technik verlassen. Ihm zur Seite steht die junge Kommissarin Yael Feldmann (Peri Baumeister), die dem Einsatz von KI zwar wesentlich offener gegenüber steht als ihr Kollege, sich aber von seinen Bedenken irritieren lässt und mit ihm zusammen einen Ermittlungsweg fernab der Computerdaten geht.

Autor Georg Lippert, der schon für den Falke-Tatort „Die goldene Zeit“ ein wunderbares Drehbuch geschrieben hatte, ließ sich für diesen Plot davon inspirieren, das die hessische Polizei schon seit einigen Jahren die Software „Gotham“ der US-amerikanischen Firma Palantir einsetzt und deren bundesweiter Einsatz erwogen wird. Er konstruiert nun eine Handlung, die zusätzlich davon ausgeht, dass die Fima, die Kroisus (klingt nicht nur zufällig wie „Krösus“) entwickelt, an der Börse notiert ist. Dieser Handlungsstrang führt dann zu – durchaus überraschenden – Wendungen.

Sie möge „Geschichten bigger than life“, lässt sich Regisseurin Viviane Andereggen im Pressematerial zitieren. Gleichwohl inszeniert sie Wotan Wilke Möhrig als empathischen Kommissar, einen, der Rückgrat zeigt und seine Kollegin – auch wenn es ihr definitiv noch an Erfahrung fehlt – ernst nimmt.

In den Ankündigungen des neuen Bundespolizei-Tatort wird großer Wert darauf gelegt zu erwähnen, dass die ehemalige Göttinger Ermittlerin Anais Schmitz (Florence Kasumba) als Gastkommissarin Teil der Handlung sei. Ihr Auftritt ist allerdings eine reine Enttäuschung. Sie beschreibt sich selbst in ihrer Rolle als „Touristin“ – und so ist es dann auch. Obwohl sie nur kurz und uninspiriert in der Handlung auftaucht, wird sie auf nicht weniger als sechs der 21 Pressebilder des NDR in Szene gesetzt. Die Vermutung liegt nahe, dass Kasumba vom Sender für sechs Tatorte engagiert worden war, und ihre Mitwirkung nun, nachdem Maria Furtwängler (als Kommissarin Lindholm) entschieden hat, wieder solo ermitteln zu wollen, allein einer Vertragserfüllung geschuldet ist.

„Im Wahn“ zeichnet ein durchaus differenziertes Bild vom Einsatz der Künstlichen Intelligenz in der Verbrechensbekämpfung. Die Frage, allerdings, wie Gewaltmonopol des Staates und der Einsatz privater Konzerne zusammen gedacht werden können, wird weder beantwortet, noch wirklich diskutiert. „Der Mensch ist das Problem, nicht die Maschine“, resümiert der Film. Das ist dann aber eben doch eine sehr einfache Antwort, die dem in 90 Minuten komplex dargestellten Thema nicht wirklich gerecht wird – und insofern eigentlich auch nicht der ursprüngliche Schlusssatz des Drehbuchs gewesen sein kann.

Gut zu wissen

  • „Im Wahn“ wurde unter dem Arbeitstitel „Die kälteste Maschine“ vom 07. November bis zum 07. Dezember 2023 in Hannover und Hamburg inszeniert.
  • Der nächste Falke -Tatort, die Doppelfolge „Schwarzer Schnee / Ein guter Tag“ nach Büchern von Alexander Adolph und Eva Wehrum wurde im Herbst 2024 unter der Regie von Hans Steinbichler als Niederländisch-Deutsche Coproduktion abgedreht; als Sendetermin ist derzeit erst das Jahr 2026 – dann an zwei aufeinanderfolgenden Tagen oder Wochenenden – geplant.
  • Viviane Andereggen inszenierte für das Schweizer Fernsehen 2019/2020 bereits die Zürcher-Premieren-Folge „Züri brännt“ und „Schoggiläbe“.
  • Auch der Tatort „Im Wahn“ wird parallel zur Fernsehausstrahlung als Hörspiel in der ARD-Audiothek zur Verfügung stehen.
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