Kultur

Tatort Göttingen: „Geisterfahrt“

Maria Furtwängler und Florence Kasumba im neuen Tatort „Geisterfahrt“.

Maria Furtwängler und Florence Kasumba im neuen Tatort „Geisterfahrt“.
Foto: NDR / Christine Schröder

Oldenburg (Achim Neubauer) Amokfahrt oder medizinischer Notfall? Das ist die Frage, die sich Charlotte Lindholm und ihrer Partnerin Anais Schmitz stellt, als ein Transporter in der Göttinger Innenstadt in eine Menschenmenge gefahren ist. Am 11. Februar sendet „Das Erste“ den letzten Tatort aus der südniedersächsischen Universitätsstadt und während die eine Kommissarin wieder nach Hannover zurückkehrt, verschwindet die andere – nach einer kleinen Extra-Tour – ganz aus dem Tatort-Universum.

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Während Kriminaldirektor Liebig (Luc Feit) im Polizeipräsidium seinen Geburtstag feiert, ereignet sich in der Altstadt ein schwerer Unfall. Der Fahrer eines Paketdienstes rast mit seinem Fahrzeug ungebremst in eine Gruppe von Passanten. Ein Terroranschlag? Schnell ist zu ahnen, dass hier wohl eher die schwierigen Arbeitsverhältnisse und Übermüdung auslösende Faktoren gewesen sind. Gerade eben noch hatte Ilie Balan, der als Subunternehmer eines Subunternehmers arbeitet, ausgerechtet beim Rechtsmediziner Nick Schmitz ein Paket abgeliefert und Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) merkt bereits bei dieser zufälligen, kurzen Begegnung mit dem Unglücksfahrer, dass da irgendwas nicht richtig läuft. Ein wenig plump die Inszenierung, die – wie immer bei den Lindholm-Filmen – eine Hauptdarstellerin in den Mittelpunkt stellt, die einen Film eben nicht alleine tragen kann (Ausnahme ist hier „Der Fall Holdt“).

Bibiana Beglau und Luc Feit in „Geisterfahrt“.

Bibiana Beglau und Luc Feit in „Geisterfahrt“.
Foto: NDR / Christine Schröder

Ohnehin wird die inhaltliche Auseinandersetzung mit den prekären Bedingungen im Niedriglohnbereich der Auslieferungsfahrer nur sehr kurz abgehandelt. Stand dieses Thema in dem in der Vorweihnachtszeit 2023 ausgestrahlten Kölner Beitrag „Des anderen Last“ noch im Zentrum des Ermittlungen, so wird der Göttinger Tatort von einem Familiendrama überlagert. Insofern löst der NDR-Beitrag die selbstgestellte Aufgabe – Rätselkrimis mit „investigativen, fiktional zugespitzten Themenstellungen“ zu verbinden nur teilweise ein. Letztlich wagt es das von der Regisseurin Christine Hartmann überarbeitete Drehbuch von Stefan Dähnert nicht, allein das Thema „Häusliche Gewalt“ auszubreiten. Es versucht gleich zwei relevante Motive zu verbinden, wird damit aber weder dem einen noch dem anderen wirklich gerecht. Im Gegenteil: Es braucht einen dieser himmelschreienden dramaturgischen Zufälle um beide Motive zu verbinden.

Für Kommissarin Anais Schmitz (Florence Kasumba) bedeutet dieser Fall das Ende der Zusammenarbeit mit Charlotte Lindholm; sie hat allerdings noch einen Fall mit dem z.Zt. Partnerinnenlosen Kommissar Falke (Wotan Wilke Möhring) zu lösen. So kann am Ende der fünf gemeinsamen Göttingen-Filme von Kasumba und Furtwängler eigentlich nur die gleiche Feststellung stehen, die auch schon beim letzten Falke-Tatort „Was bleibt“ resümiert wurde. Vermutlich hätte die Figur der ersten PoC-Kommissarin mehr Erzähl-Möglichkeiten geboten; dafür wäre es allerdings nötig gewesen, sich dieser Figur auch dramaturgisch anzunehmen. Das hat die Redaktion der Lindholm-Tatorte definitiv nicht geschafft. Der Grund dafür liegt aber schon in der Rollendefinition. Wenn die Rolle der Kommissarin Lindholm als durchsetzungswillige und -fähige Einzelgängerin angelegt ist, dann kann es da keine profilierte Partnerin, keinen Partner geben. Eine Erkenntnis, die schon Ingo Naujoks (als Krimiautor Martin Felser) dazu bewog, aus dem NDR-Tatort auszusteigen.

Gut zu wissen

  • „Geisterfahrt“ wurde vom 15.November bis zum 14. Dezember 2022 in Hamburg, Göttingen und Umgebung gedreht; Arbeitstitel war „Die dunkle Seite der Liebe“.
  • Premiere hatte der Film auf dem Filmfest Oldenburg am 16. September 2023.
  • Wie alle NDR-Tatorte steht auch „Geisterfahrt“ parallel zur Fernsehausstrahlung als Hörspiel in der ARD-Audiothek zur Verfügung.
  • Konkrete Planungen zu weiteren Tatorten mit Charlotte Lindholm – dann wieder aus Hannover in ganz Niedersachsen unterwegs – stehen noch nicht fest und den Gedanken eines „Musical-Tatort“ hat Maria Furtwängler noch nicht aufgegeben.
  • Unter dem Titel „Die kälteste Maschine“ entstand im November 2023 unter der Regie von Viviane Andereggen und nach einem Drehbuch von Georg Lippert ein Tatort mit Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Anais Schmitz (Florence Kasumba), als Ausstrahlungstermin wird mit dem Jahr 2025 zu rechnen sein.
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