Staatstheater: „Eine nicht umerziehbare Frau“
Diana Ebert, Solène Garnier und Caroline Nagel (von links) in „Eine nicht umerziehbare Frau“.
Foto: Stephan Walzl
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Oldenburg (am) – Gestern Abend sprach der Journalist Thomas Roth im Oldenburgischen Staatstheater über seine ermordete Kollegin Anna Politkowskaja. Der Abend stand im Zusammenhang mit dem Theatermemorandum „Eine nicht umerziehbare Frau“ von Stefano Massini, das zurzeit in der Exerzierhalle zu sehen ist. Ein großartiges Stück Theater als deutsche Erstaufführung.
Die Journalistin Anna Stepanowna Politkowskaja wurde im Alter von 48 Jahren am 7. Oktober 2006 ermordet. Vier Kugeln trafen sie im Fahrstuhl zu ihrer Moskauer Wohnung. Anna Politkowskaja hatte über Machtmissbrauch, Korruption, Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen beider Kriegsparteien in Tschetschenien in der regierungskritischen Tageszeitung „Nowaja Gaseta“ berichtet. Sie schrieb das Gesehene im Kaukasus kommentar- und kompromisslos auf – getrieben von ihrem Sinn für Gerechtigkeit. Politkowskaja erzählte als eine der wenigen Journalisten in der tschetschenischen Hauptstadt Grosnyj von den Gräueltaten in einem „schmutzigen Krieg“. Sie war eine scharfe Kritikerin des russischen Präsidenten Wladimir Putin und belastete Ramsan Kadyrow (2007 von Wladimir Putin zum Präsidenten der Teilrepublik Tschetschenien ernannt) schwer. Die russisch-amerikanische Journalistin wurde bedroht, gefoltert, vergiftet und schlussendlich ermordet. Knapp acht Jahre nach dem Mord wurden die Täter verurteilt, die Drahtzieher sind bis heute nicht bekannt. Der Fall Anna Politkowskaja gilt als Symbol für die Verfolgung regierungskritischer Journalisten in Russland.
Beeindruckend, nah und beklemmend geht das theatrale Momorandum „Eine nicht umerziehbare Frau“ des italienischen Dramatikers Stefano Massini der Frage nach, wer diese Journalistin war. Abwechselnd begeben sich die Darstellerinnen Caroline Nagel, Diana Ebert und die Musikerin Solène Garnier in die Rolle der Anna Politkowskaja. Mit Zitaten, Erzählungen und Informationen über den Alltag der Journalistin und den langjährigen Krieg zwischen Russland und Tschetschenien gelingt es dem Stück, die erschreckenden Geschehnisse und die Taten übler Genossen dem Publikum intensiv erlebbar zu machen. Das Spiel aller drei Darstellerinnen ist energiegeladen und mitreißend. Sie rennen, tanzen und musizieren – inmitten einer schlichten Kulisse, die aus Paletten, einem Holzverschlag und herumliegenden Stofftieren besteht. Das Stück berührt, ohne auf Betroffenheitsgesten zurückzugreifen. Nachdem sich die kurze Verwirrung wegen der wechselnden Rollen gelegt hatte, entwickelte sich gerade die Entscheidung für eine Inszenierung des Ein-Personen-Stückes mit drei Darstellern als ein Detail, das Dynamik ins wortreiche Spiel brachte. Das Publikum belohnte die Vorstellung mit langem Applaus und Bravo-Rufen.
Caroline Nagel (vorne).
Foto: Stephan Walzl
Das theatrale Memorandum für Anna Politkowskaja ist den Journalisten gwidmet, die in Ausübung ihres Berufs und der Widmung ihres Lebens für Freiheit starben. „Reporter ohne Grenzen“ zählte 2014 weltweit 66 Todesfälle. Das Oldenburgische Staatstheater zeigt „Eine nicht umerziehbare Frau“ fast zehn Jahre nach Politkowskajas Tod, im Jahr des Mordes an Boris Nemzow, als deutschsprachige Erstaufführung. Die Aufführung dauert eine Stunde und 45 Minuten. Es gibt keine Pause. Die Oldenburger Amnesty International Gruppe begleitet das Theaterstück mit einem Informationsstand.
„Eine nicht umerziehbare Frau“ Trailer
Besetzung
Regie: Felicitas Braun
Bühne und Kostüme: Sonja Böhm
Musik: Solène Garnier
Dramaturgie: Marc-Oliver Krampe
Mit: Diana Ebert, Solène Garnier, Caroline Nagel
Vorstellungen: Sonntag, 22. November, Mittwoch, 25. November und Sonntag, 29. November.
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