Theater

Staatstheater: „Terror“ im Gerichtssaal

Im Saal des Oberlandesgerichtes Oldenburg gab es eine öffentliche Probe zu Terror vom Oldenburgischen Staatstheater.

Im Saal des Oberlandesgerichtes Oldenburg gab es eine öffentliche Probe zu „Terror“ vom Oldenburgischen Staatstheater.
Foto: Stephan Walzl

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Oldenburg (vs) – Immer, wenn das Oldenburgische Staatstheater neue Formate auf den Spielplan setzt oder an ungewöhnlichen Spielorten präsent ist, kommen die Oldenburger in Scharen. So auch bei der öffentlichen Probe zu dem Stück „Terror“, das am Samstag, 20. Februar, seine (ausverkaufte) Premiere im Großen Haus feiert. Das Schauspielensemble hatte vorab in den Saal I des Oberlandesgerichts Oldenburg eingeladen. Auch das Medieninteresse war groß.

Der Ort hätte nicht besser gewählt werden können: Das zurzeit an vielen Theatern gezeigte Justizdrama von Ferdinand von Schirachs beschäftigt sich mit einer Gerichtsverhandlung in der sich der junge Luftwaffen-Major Lars Koch (Yassin Trabelsi) für den Tod von 164 Flugzeugpassagieren verantworten muss. Besonderheit dieses Theaterabends: Das Publikum urteilt am Ende der Verhandlung als Richter über das Schicksal des Angeklagten. Freispruch oder lebenslänglich.

Die Karten für die 60 Plätze waren schnell vergriffen. Regisseur Peter Hailer begrüßt das erwartungsvolle Publikum mit dem Hinweis, man befinde sich acht Tage vor der Premiere und das seien „Welten“ im Theater. 40 bis 50 Prozent der Inszenierung würden jetzt erst entstehen. Die räumlichen Aufteilungen und damit die Sichtachsen der Schauspieler seien anders als auf der großen Bühne und es werde auch Texthänger geben. Im Theater herrsche Aberglaube und entsprechend würden sich die Schauspieler am Ende auch nicht verbeugen. Das passiere erst nach der Premiere. Unter langem Beifall der Zuschauer brach aber das Ensemble dieses Tabu.


Schauspieler Matthias Kleinert begrüßt als Richter die Zuschauer und stimmt sie auf ihre Rolle als Schöffen ein: „Vergessen Sie alles, was Sie bisher über den Fall gehört haben. Nehmen Sie die Verantwortung ernst. Urteilen Sie ruhig und gelassen. Bleiben Sie Mensch.“ Am Ende wurde abgestimmt: 38 für „schuldig“ und 22 für „nicht schuldig“. Gegenstand der Anklage ist der Abschuss eines entführten Passagierflugzeuges mit 164 Insassen. Terroristen haben den perfiden Plan, die Maschine in die mit 70.000 Menschen vollbesetzte Fußball-Arena in München zu lenken. Luftwaffen-Pilot Lars Koch ist als Mitglied der sogenannten Alarm-Rotte aus Wittmund mit seinem Kampfjet auf Sichtkontakt und zum Abdrängen der gekaperten Maschine aufgestiegen. Ein Warnschuss verfehlt seine Wirkung. Viel Zeit bleibt dem Piloten nicht. 164 Menschen gegenüber 70.000. Er folgt seinem „Inneren“ entgegen der wiederholten Anordnung seines Generals und des Verteidigungsministers. Er trifft eine Entscheidung: Über einem Kartoffelacker schießt Lars Koch das Flugzeug ab.

Gibt es das kleinere Übel im Kampf gegen den Terror?

Minutiös wird in der folgenden Verhandlung von der Staatsanwältin (Franziska Werner), dem Verteidiger (Leander Lichti) sowie Oberstleutnant Christian Lauterbach (Klaas Schramm) als Zeuge das Geschehen aufgerollt. Das Probenpublikum wird mit Fragen nach juristischen, moralischen und philosophischen Grundsätzen im Umgang mit Terror und dem Handeln konfrontiert. Wurde bei den anfänglichen wörtlichen Scharmützeln zwischen Verteidiger und Richter noch gelacht im Publikum, verstummt der Saal mit zunehmender Verhandlungsdauer. Als die Nebenklägerin und Witwe Franziska Weiser über die letzte SMS ihres getöteten Mannes spricht, hätte man eine Stecknadel fallen hören können.

Franziska Kleinert, Yassin Trabelsi und Leander Lichti in der Probe zu Terror.

Franziska Kleinert, Yassin Trabelsi und Leander Lichti (von rechts) in der Probe zu „Terror“.
Foto: Stephan Walzl

Ist die Würde des Menschen unantastbar, wie es das Grundgesetz als ersten Artikel festlegt? Gibt es das kleinere Übel? Sind 70.000 Leben mehr Wert als 164? Ist der Mensch eine Ware? Wieso gab es keine Anweisung, dass Stadion räumen zu lassen? Hätten Passagiere ins Cockpit dringen und die Terroristen überwältigen können? Diese Fragen der Beteiligten diskutieren angeregt auch die Zuschauer und anwesenden Juristen in der Pause. Die vielleicht entscheidende und eindringlichste Frage stellt die Staatsanwältin dem Angeklagten am Ende ihres Plädoyers: „Hätten Sie auch geschossen, wenn ihre Frau und ihr Sohn an Bord der der Maschine gewesen wären?“ Wer die Antwort wissen und spannendes Theater erleben will, wie es aktueller nicht sein kann, sollte sich „Terror“ anschauen.

Die bisherigen Abstimmungsergebnisse aus den Theatern sind unter terror.kiepenheuer-medien.de zu finden. Die nächsten Vorstellungen sind am 26. Februar (Restkarten), 12. und 15. März, sowie am 3., 19., 22. und 28. April, jeweils um 19.30 Uhr im Großen Haus. Alle Termine und Karten gibt es telefonisch unter 04 41 / 22 25-111 und www.staatstheater.de.

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