Theaterkritik: Großes Schauspiel im Kleinen Haus
Oldenburg (vs) Das Oldenburgische Staatstheater beginnt die neue Spielzeit in der Sparte Schauspiel mit einem Ausrufezeichen: Das Familiendrama „Dinge, die ich sicher weiß“ von Andrew Bovell wird vom Publikum im Kleinen Haus verdientermaßen mit viel Applaus gefeiert. Dem australischen Erfolgsautor ist ein zeitgenössisches Stück mit klaren Dialogen gelungen, das ebenso für Lacher sorgt, wie auch spannend und dramatisch geschrieben ist. Das bewegende Stück ist eine zeitlose Familiengeschichte um Liebe, Vertrauen, Verlust sowie gelebte und unerfüllte Träume. Oberspielleiter und Regisseur Peter Hailer lässt seine sechs Protagonisten gleich stark agieren und gibt ihnen damit die Möglichkeit, ihre komplette Schauspielkunst fesselnd und berührend zum Einsatz zu bringen. Jedes noch so knappe Wort, jede Geste sitzt (und sticht).
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Die Zuschauer erleben vier Jahreszeiten lang das australische Ehepaar Fran (Eva Spott) und Bob (Matthias Kleinert) mit seinen vier erwachsenen Kindern Pip (Helen Wendt), Rosie (Rebecca Seidel), Mark (Rajko Geith) und Ben (Fabian Kulp). Längst sind die drei ältesten Kinder aus dem Haus und gehen ihre eigenen Wege, was für das Paar nicht immer nachvollziehbar ist. Nesthäkchen Rosie versucht sich mit einer Europareise abzunabeln. „Ich dachte, sie würden werden wie wir, nur besser als wir“, resümiert Vater Bob, der mit Gartenarbeit versucht, seinem Pensionsleben einen Sinn zu geben.
Rosie kommt unerwartet früh von ihrer Weltreise zurück in das wohlbehütete Heim. „Da muss doch was passiert sein“, versuchen die mehr besorgten als erfreuten Eltern ihrem scheinbaren Nesthäkchen zu entlocken. Pip ist die engagierte Frau mit Mann und zwei Kindern, die ihre Familie verlässt, um im weit entfernten Kanada ihre Karriere voranzutreiben. Ben ist der gemachte Selfmade-Man mit dickem Auto, dem aber Geld- und Drogenprobleme einen Strich durch die Karriere zu machen drohen. Und zu guter Letzt ist da noch Mark, der seine Eltern im Laufe des Stückes mit einer Lebenslüge erschüttert.
Familienidylle am Abgrund
Der Blick in das Beziehungsgeflecht geht nach Innen und gleicht zeitweise einem Seelenstriptease, der unterhält und zugleich unter die Haut geht. Früh ahnt man, dass die Familienidylle ins Wanken gerät. Mutter Fran gibt auf fast tragische Weise und ohne Rücksicht auf Verluste alles, um unter ihren Liebsten für einen liebevollen Zusammenhalt zu sorgen, der immer mehr zu zerbrechen droht.
Die überflüssige Pause innerhalb des 100-minütigen Stückes unterbricht das Schauspiel auf unnötige Weise, was jedoch das bestens aufgelegte Ensemble zum Glück ohne Bruch zu kompensieren weiß. So kann die Spannung stets hochgehalten werden.
Das Seelenleben der vier Geschwister wird nicht nacheinander als jeweils eigene Geschichte porträtiert, denn die gegenseitige Liebe und Abneigung fließen ineinander über und geben Einblicke in das Leben von der Kindheit bis zum Erwachsenwerden unter Eltern, die alles für ihre Kinder tun und Opfer bringen. Das Bühnenbild (Dirk Becker) bleibt dabei abstrakt. Lediglich die Küche und der Garten hinter dem Haus sind angedeutet und werden auf der sonst offenen Bühne bespielt.
Die nächsten Vorstellungen sind am 27. September sowie am 6., 11., 15. und 24. Oktober. Informationen und Karten finden sich unter www.staatstheater.de.
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