Theater

Theaterkritik: „Utøya“ bewegt im Kleinen Haus

Wie schön wäre die Welt, wenn es Dramen wie Utøya, das derzeit im Oldenburgischen Staatstheater zu sehen ist, nicht geben müsste.

„Utøya“ ist eine beeindruckende Ensembleleistung im Oldenburgischen Staatstheater.
Foto: Stephan Walzl

Oldenburg (vs) Wie schön wäre die Welt, wenn es Dramen wie „Utøya“, das derzeit als deutschsprachige Erstaufführung im Kleinen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters zu sehen ist, nicht geben müsste. Auch das bundesweit erfolgreiche Stück „Terror“ gehört in diese Kategorie, das ab November wieder in Oldenburg gezeigt wird. Und auf der anderen Seite würde uns beeindruckendes und beklemmendes Theater fehlen, dass nach dem langanhaltenden Schlussapplaus zu zahlreichen Gesprächen im Foyer führt, um das Gesehene einordnen und verarbeiten zu können.

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Schauspieldirektor und Regisseur Peter Hailer, verantwortlich für beide Stücke, hat „Utøya“ vom italienischen Autor Edoardo Erba gekonnt und bewegend in Szene gesetzt. Zu Recht wurde der zur Premiere extra aus Italien angereiste 63-Jährige mit großem Applaus gefeiert. Das Stück über das unglaubliche Massaker im Jahr 2011 auf der gleichnamigen norwegischen Insel an 69 Jugendliche in einem Sommercamp und das Attentat in Oslo durch den rechtsradikalen Anders Behring Breivik an einem Tag lässt den Namen des verwirrten Norwegers außen vor. Sein Name fällt nicht, die Tat wird nicht gezeigt.

Wir sind mittendrin in einem Tag von drei Paaren, für die dieser 22. Juli unvergesslich bleiben wird. Mittendrin sind auch die Zuschauer, die zum Teil auf der Hinterbühne Platz nehmen. In den geschickt verwobenen Szenenübergängen des 80-minütigen Stückes nehmen die Darsteller immer mal wieder Platz zwischen den Zuschauern und werden so Teil des Spiels, als wenn es jeden treffen könnte. Die Bühne (Dirk Becker) ist leer, nur ein paar Holzplanken ähneln einem Steg, wie er auf der Ferieninsel sein könnte, auf der 69 hoffnungsvolle junge Menschen „wie die Fliegen“ erschossen wurden. 90 Minuten lang.

Drei Schicksale

Der Konflikt zwischen den Paaren ist von Beginn an greifbar und steigert sich mit anfänglicher Ungewissheit und zunehmender Dramatik über die abscheuliche Tat.

Da sind das zerstrittene Ehepaar Malin (als hervorragender Gast Janine Kreß) und Gunnar (kühl und sachlich: Matthias Kleinert) mitten im Rosenkrieg. Er schickte seine Tochter gegen den Willen der beiden Frauen auf die Insel, um ihr den Sozialismus nahe zu bringen. Die Hilflosigkeit der beiden tut weh beim Zuschauen.

Das Geschwisterpaar Inga (großartig wie immer: Franziska Werner) und Petter (gelungenes Erstengagement: Fabian Kulp) sind die Nachbarn des Attentäters. Er ahnt Böses und will seine todkranke Schwester warnen und eingreifen. Sie als gute Christin, schaut nicht hinter die Gardinen der Nachbarn. Hätten sie die Tat verhindern können?

Die Polizisten Unni (leicht hektisch: Helen Wendt) und Alf (machohaft und befehlshörig: Thomas Birklein) haben den Ort des Geschehens vor Augen und könnten eingreifen. Sie würde auch ohne Befehl von oben zur Waffe greifen. Er wartet auf den Einsatzbefehl. Bürokratie, die tötet.

Aus drei Perspektiven verfolgen die Zuschauer die unglaubliche Tat. Jedem der Akteure kann Sympathie und Antipathie zugesprochen werden. Wie würden wir handeln? Mut oder Feigheit sind Begriffe, die diskutiert werden. Ein sehenswertes, spannendes Stück, das hängenbleibt.

Termine und Karten gibt es unter www.staatstheater.de.

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