Mehrheit der Deutschen will Schlussstrich zur NS-Vergangenheit

Eine Mehrheit der Deutschen spricht sich für einen Schlussstrich zur NS-Vergangenheit aus. In einer Umfrage des Instituts „Policy Matters“ für die „Zeit“ stimmten 55 Prozent der Befragten der Aussage: „80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sollten wir Deutschen einen Schlussstrich unter die Vergangenheit des Nationalsozialismus ziehen“ zu. Davon teilten 26 Prozent diese Aussage „voll und ganz“ und 29 Prozent „eher“.
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Der Anteil derer, die einen Schlussstrich befürworten, ist damit gegenüber 2020, als eine vergleichbare Befragung durchgeführt wurde, um zwei Prozentpunkte gestiegen. Auch bei anderen Aussagen hat sich das Stimmungsbild in den vergangenen fünf Jahren leicht verschoben.
Der Aussage „Die Zeit des Nationalsozialismus wird viel zu einseitig und negativ dargestellt – sie hatte auch ihre guten Seiten“ schließen sich insgesamt 28 Prozent der Befragten „voll und ganz“ oder „eher“ an, 2020 waren es 22 Prozent.
Zugleich belegt die Umfrage laut „Zeit“, dass das Interesse der Deutschen an der NS-Zeit unverändert hoch sei: 66 Prozent der Befragten wollen mehr über die Geschichte des Nationalsozialismus wissen. Unter den 14- bis 19-Jährigen sind es 84 Prozent, unter den Befragten mit Migrationshintergrund 74 Prozent, so die Meinungsforscher.
Die Auswertung der Daten nach Parteipräferenz zeigt zudem, dass sich die Haltung der Deutschen zur NS-Vergangenheit offenbar entlang politischer Lager polarisiert: 90 Prozent der AfD-Anhänger fordern einen Schlussstrich, bei den Wählern der Union sind es 58 Prozent, bei denen der Grünen 20 und bei denen der Linken 28 Prozent.
Die Befragten aus dem linken und linksliberalen Spektrum (SPD, Grüne, Linke) bekennen sich heute insgesamt stärker zur Erinnerungskultur als vor fünf Jahren, während die Wähler von Union und FDP leicht von ihr abgerückt sind. Die Anhänger des BSW stehen geschichtspolitisch in vielen Punkten zwischen denen der Union und der AfD. Einen Schlussstrich begrüßen hier 63 Prozent „voll und ganz“ oder „eher“.
Die Wähler der Grünen und der Linken sehen die Bundesrepublik auch mit Blick auf Israel und den Ukraine-Krieg am stärksten in der historischen Verantwortung. „Aufgrund der Verfolgung der Juden in der NS-Zeit hat Deutschland die Verpflichtung, für das Existenzrecht Israels einzutreten“: Diesem Satz stimmen weniger als die Hälfte aller Befragten „voll und ganz“ oder „eher“ zu (45 Prozent). Zu jeweils 51 Prozent schließen sich Befragte mit CDU/CSU- und SPD-Präferenz an. Im Grünen- und im Linken-Milieu liegt der Zuspruch mit 57 und 66 Prozent am höchsten.
Ein ähnliches Bild ergibt die Befragung zum Krieg in der Ukraine. Bei der Aussage „Wir Deutschen haben eine besondere Verantwortung für die Verteidigung der Ukraine, nicht zuletzt aufgrund der dort verübten Verbrechen im Zweiten Weltkrieg“ liegt der Zuspruch im Durchschnitt bei 39 Prozent, bei den Grünen- und den Linken-Wählern ist er mit jeweils 57 Prozent („voll und ganz“ oder „eher“) am entschiedensten.
Für die Studie wurden im Januar 2025 insgesamt 1.049 deutsche Staatsbürger ab 14 Jahren befragt.
dts Nachrichtenagentur
Foto: Holocaust-Mahnmal in Berlin (Archiv), via dts Nachrichtenagentur
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