Oldenburg (zb) – Um die Tonnenwende ging es auch in der jüngsten Ratssitzung. Es wurde in der Debatte deutlich, dass der vermeintliche Schachzug der Stadt kein Selbstläufer ist. Entsprechend intensiv wurde an die Oldenburgerinnen und Oldenburger appelliert, sich für die städtische Tonne zu entscheiden.

Die zuständige Dezernentin Silke Meyn klärte erneut darüber auf, dass die ARGE aufgrund der derzeitigen Rechtslage ihre gewerbliche Sammlung fortsetzen kann. Das heißt, ab 2014 wird es eine parallele Papiersammlung geben. In der Zeit vom 4. November bis kurz vor Weihnachten werden von einem beauftragten Unternehmen 42.000 Tonnen ausgeteilt. Sie werden an und nicht auf die Grundstücke gestellt und können dort auch stehen bleiben, falls die Grundstückseigentümer die bisherige blaue Tonne der ARGE Duales System Oldenburg weiterhin nutzen wollen.

Anzeige

Grundsätzlich können Hausbesitzer auch beide Tonnen in Anspruch nehmen oder ab Januar der ARGE mitteilen, dass sie die blaue Tonne nicht mehr brauchen, weil sie auf die städtische Tonne umsteigen. Oldenburger, die im Vorfeld schon auf eine städtische Papiertonne verzichten, müssen dennoch damit rechnen, dass ihnen eine Tonne vor die Tür gestellt wird. In einer Rückholaktion werden die nicht benötigten Tonnen wieder eingesammelt.

Was das kostet, wollte Hans-Richard Schwartz von der FDP wissen. Dazu konnte die Verwaltung derweil noch nichts sagen, will aber kurzfristig antworten. Städtische Papiertonnen, die bereits jetzt gefüllt an der Straße stehen, muss der Abfallwirtschaftsbetrieb leeren. Die ARGE leert nur ihre blauen Tonnen.

CDU und FDP kritisierten die fehlerhafte Vorbereitung. „Die Bevölkerung ist durch falsche Telefonauskünfte der Stadt, einen fehlerhaften Tonnenanhänger, der eingestampft werden musste und fehlendes Infomaterial bei Hausbesitzern vollkommen verunsichert worden“, kritisierte CDU-Ratsfrau Maike Würdemann. Dass selbst jene Haushalte eine Tonne geliefert bekämen, die sie nicht haben wollten, sei ebenfalls zu bemängeln.

Tonnenanhänger, von denen 17.000 Stück bereits dem Altpapier zugeführt wurden und die Verschickung des Infomaterials an die Haushalte schlagen im Vorfeld laut Verwaltung mit 46.730 Euro zu Buche. Wie viel Personalkosten bislang durch die geplante Tonnenwende entstanden sind, war unklar.

Hans-Richard Schwartz interessierte sich für die Kosten der Rückholaktion. Doch auch darüber konnte die Verwaltung ebenso wenig sagen wie zu der Frage, ob im Falle einer nicht kostendeckenden städtischen Papiersammlung dann auch jene Bürger zur Kasse gebeten werden, die weiterhin die blaue Tonne der ARGE nutzen.

Das Kreislaufwirtschaftsgesetz schreibt vor, dass im zweiten Jahr der Papierabfuhr eine ausgeglichene Bilanz vorliegen muss. Ansonsten ist die Stadt verpflichtet, eine Gebühr zu erheben. Gebühren werden für eine Dienstleistung erhoben. Dahinter steckt die Vermutung, dass angesichts der Tatsache, dass die Nutzer der ARGE-Tonne die städtische Dienstleistung nicht in Anspruch nehmen und folglich nicht zwingend zur Kasse gebeten werden können. Während die politischen Befürworter diese Frage „merkwürdig“ fanden, weil ihrer Ansicht nach dann alle Bürger eine Gebühr zahlen müssten, hielt sich die Verwaltung zurück und kündigte eine genaue Prüfung der Frage an.

Jonas Höpken von der Fraktion Linke/Piraten vertrat in der Debatte erneut den Standpunkt, „dass das Altpapier den Bürgern gehört und der Gewinn nicht von Privaten eingesackt werden soll.“ Die Argumente der Gegner bezeichnete er als dünn, räumte jedoch ein, „dass es mit dem Tonnenanhänger nicht ideal gelaufen ist.“ Die Frage zur möglichen Gebührenerhöhung nannte er dreist, begründete das aber nicht.

Dass CDU und FDP auf Seiten der privaten Entsorger und nicht auf städtischer Seite stehen, kritisierte Bernd Bischoff von der SPD. „Wir wollen Gebühren stabilisieren und nicht den AWB schlecht machen“, erklärte er und hob die Arbeitsplätze des AWB hervor, die nach Tarif bezahlt würden.

Fragen zu stellen bezeichnete Armin Frühauf von den Grünen als legitim. Er erinnerte nur daran, dass die Entscheidung für die Tonnenwende längst gefallen sei, weshalb jede Form von Polemik sinnlos sei. Die Stadt habe schließlich zwei Millionen Euro investiert. Wenn jetzt nicht konstruktiv vorgegangen würde, könne die Stadt schweren Schaden erleiden. „Wir dürfen nicht wackeln und umfallen“, rief er dem Rat zu und bezeichnete das Thema als „ausgelutscht“.

Olaf Klaukien von der CDU sah das anders. „Wir kritisieren nicht die Entscheidung, sondern die Umsetzung mit den zahlreichen Fehlern.“ Von Beginn an sei die Rechtslage unklar gewesen. Das würde die Stadt jetzt einholen. „Die Stadt soll sich endlich dem selbst gewählten Wettbewerb stellen und nicht heulen.“ Abschließend meinte Klaukien, dass es Aufgabe der Ratsmitglieder sei, das Vorgehen der Verwaltung zu hinterfragen. Schließlich würden hier öffentliche Mittel ausgegeben.

Franz Norrenbrock von der WFO sprach sich dafür aus, die Tonnenwende so lange auf Eis zu legen, bis die Rechtslage klar sei. Es bestünde keine Dringlichkeit. Er forderte den Oberbürgermeister auf, endlich zu reagieren. Für Hans-Henning Adler von den Linken/Piratenpartei ist die Situation „völlig klar“. Er warf den Gegnern der Tonnenwende vor, die Bürger zu verunsichern und nicht an einem Strang zu ziehen.

Vorheriger Artikel

Dennis Rohde: Vom Kandidaten zum Abgeordneten

Nächster Artikel

Stadt kauft Fliegerhorst-Areal

9 Kommentare

  1. Volker
    29. Oktober 2013 um 12.20 — Antworten

    Eine sehr gute und sachliche Zusammenfassung des Themas.
    Gab es zu dem Thema eigentlich schon einen Bericht bei extra3 ? Ist doch eine Steilvorlage.
    Wenn wer was gesehen hat, freue ich mich über Nachricht.

  2. Bernd
    29. Oktober 2013 um 13.52 — Antworten

    Der eigentliche Skandal liegt für mich hier darin, dass der private Unternehmer sich die Gewinne aus der Altpapierentsorgung sichert, sich um die kostspielige Abfuhr von Rest- und Biomüll aber einen Dreck schert und das die Stadt machen lässt. Dann soll die arge doch auch die Tonnen leeren, die Minus machen. Aber darauf soll dann die Allgemeinheit sitzen bleiben. Komisch, dass das hier ebenso wenig thematisiert wird wie die miesen Arbeitsbedingungen bei den privaten Entsorgern. Da scheint wohl nicht nur Frau Würdemann zur Heine-Lobby zu zählen …

    • Markus
      30. Oktober 2013 um 0.19 — Antworten

      Mein Papier gehört mir und ich entscheide, wem ich es überlasse. Ganz einfach. Für mein Haus habe ich die städtische Tonne wieder abbestellt.

      • brinkmann
        4. November 2013 um 9.48 — Antworten

        Hallo, eine Frage : wie kann man die blau Tonne von der Stadt abbestellen ? Habe auf der Webseite
        nichts gefunden. Mfg brinkmann

        • 4. November 2013 um 17.32 — Antworten

          Leider können wir dazu noch nicht Stellung beziehen. Unsere Information lautet, dass die städtischen Tonnen erst verteilt und dann auf Wunsch wieder abgeholt werden. Im Rahmen einer Bürgerversammlung hat eine Besucherin erklärt, dass man die Tonne zum Zeitpunkt der Anlieferung ablehnen kann. Sie habe mit der Auslieferfirma gesprochen. Ob allerdings der Zeitplan eingehalten werden kann, ist für uns momentan fraglich. Uns liegen dazu unterschiedliche Angaben vor. Wir berichten, wenn wir Genaueres schreiben können.

  3. Kevin
    30. Oktober 2013 um 7.45 — Antworten

    Aus dem gleichen Grund wie Markus entscheide ich mich selbstverständlich für die Tonne der Stadt. Warum soll denn die ARGE mit meinem Altpapier Geld verdienen?

  4. Nicole
    30. Oktober 2013 um 11.07 — Antworten

    Bin total verunsichert. Wer garantiert denn, dass die Gebühren für die Altpapierentsorgung bei null blieben, wenn die Preise für Altpapier fallen, oder die Bilanz aufgrund der hohen Investitionen nicht aufgeht, oder die gewonnen Gelder im Haushalt anderweitig verschmelzen. Firmen fangen zukünftige Verlust durch Weglegen von Kapital in guten Zeiten(nennt sich sparen…liebe Stadt) auf.
    Die Stadt schafft vier neue Arbeitsplätzte??? Die ARGE verliert 20 Arbeitsplätze??? Sollte man tatsächlich lieber miese Arbeitsbedingungen bei der ARGE(ist das wirklich so, Bernd?) akzeptieren, bevor die Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit geschickt werden?
    Wieviel weniger Gewerbesteuer erhält die Stadt denn jetzt durch die Wegnahme der Erlöse bei der ARGE???
    Hat da mal jemand was veröffentlicht?

  5. Bernd
    30. Oktober 2013 um 14.09 — Antworten

    @ Nicole: Natürlich sollte man Arbeitsplätze nicht aufrechnen. Bislang weiß aber keiner, ob bei der ARGE wirklich welche wegfallen. Das wurde bislang nur von denen behauptet (15 statt 20 übrigens). Aber ich meine, daß ein Unternehmer, der weiß, daß sein Vertrag zum 31.12.2013 ausläuft, schon vorher etwas für die Arbeitsplätze tun und sich nach neuen Betätigungsfeldern umsehen muss. Er hat da auch eine Fürsorgepflicht für die Mitarbeiter. Und wegen der miesen Arbeitsbedingungen einfach mal bei der Gewerkschaft oder bei denen fragen, die gerade erst bei den ARGE-Betrieben gegangen sind.

  6. Thomas
    30. Oktober 2013 um 15.28 — Antworten

    Ich weis nicht warum, aber mir drängt sich immer der folgende Gedanke auf:

    Eine feste Menge Papier = ein fixer Erlös. (je nach Marktpreis)
    Jetzt wollen sich 2 Akteure diesen Erlös quasi teilen.

    1.: Beide Akteure verfügen über eine entsprechende Verwaltung und Administration, die Fixkosten produzieren = höhere Gesamtkosten
    2.: Beide Akteure benötigen eine Mindestausstattung an LKW etc = Höhere Gesamtkosten, schlechtere Ökologiebilanz, höhere Belastung der Infrastruktur in der Stadt
    3.: Alle von der Politik / öffentlichen Hand (nicht nur in Oldenburg) organisierten oder koordinierten Projekte sind am Ende teurer als geplant. (Die Verwaltung konnte ja nicht einmal mitteilen, wie hoch die bisher angefallenen Kosten sind.) = deutlich höhere Gesamtkosten.

    Gleichbleibendem Erlös stehen also nun viel höhere Kosten entgegen. Bin ich der einzige dem auffällt, dass das nicht funktioniert? Ich könnte mir vorstellen wer das bezahlen muss… aber man weis ja nie!
    Grundsätzlich bin ich ja ein Freund von Wettbewerb, denn dieser belebt ja bekanntlicherweise das Geschäft. Aber hier handelt es sich nicht um echten Wettbewerb!

    Haben wir nicht genug Probleme die es zu lösen gilt, bevor wir uns mit Dingen befassen die reibungslos funktionieren UND kostenlos sind?

Einen Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.