Wenn Technikangst in Begeisterung umschlägt
Von Technikangst keine Spur – im außerschulischen Lernort an der Jade Hochschule bearbeiten Mädchen und Jungen mit großer Begeisterung technische Fragestellungen aus der Realität.
Foto: Piet Meyer
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Oldenburg/Wilhelmshaven/zb – Physik und Technik, so hört man immer wieder, sollen angeblich Angst einflößend sein. Im „Lernort für Natur und Technik“ an der Jade Hochschule am Studienort Wilhelmshaven ist das nicht zu beobachten. Hier leben Kinder und Jugendliche im Umgang mit Physik und Technik buchstäblich auf. Und manch ein Kind denkt nach Jahren auch über berufliche Möglichkeiten in diesen Bereichen nach.
Der Lernort ist ein vom Niedersächsischen Kultusministerium anerkannter außerschulischer inklusiver Lernort, der personell an die Jade Hochschule angegliedert ist. „Wir machen Technik greifbar und begreifbar, indem wir Schülerinnen und Schülern der Klassen 2 bis 11 aller Schulformen mit und ohne Behinderung die Möglichkeit bieten, sich handlungsorientiert mit Fragestellungen aus der Realität auseinander zu setzen“, erklärt Per Thieme, Leiter des Lernortes, die Vorgehensweise.
Es sind die pädagogischen Konzepte vom Lernort-Team, die die Kinder und Jugendlichen faszinieren. „Wir holen sie da ab, wo sie stehen“, sagt Thieme, Förderschullehrer für Physik und Technik, der von der Landesschulbehörde an den Lernort abgeordnet ist. „Unser Alltag ist voll von Physik. Genau das zeigen wir den Kindern und Jugendlichen, die das spannend finden – und zwar ausdrücklich auch die Mädchen.“
Schulklassen ab der zweiten Klasse können sich im Lernort anmelden und sich ein Thema aus dem breiten Angebot aussuchen. Klima- und Küstenschutz gehört ebenso dazu wie die Grundlagen der Elektrizitätslehre, Mechanik, CAD/CAM bis zur Mechatronik oder Robotik. „Dabei geht es uns nicht nur um die reine Vermittlung von technischem Wissen und Verfahren, wir wollen die Schüler auch zum nachhaltigen Denken und Handeln anregen“, erklärt Per Thieme. „Wir bemühen uns zudem, ihren Blick für zukunftsorientierte und nachhaltige Einbindung von Technik in unseren Alltag zu schärfen.“
Um herauszufinden wie sich Windenergie nutzen lässt, bauen Grundschüler beispielsweise einen Segelwagen aus Papp- und Holzteilen. Eigenständiges Handeln und Bezug zu Themenkomplexen wie Luft und Mobilität stehen dabei im Vordergrund. Alternativ kann eine Zeitreise von der Eiszeit über die Entstehung von Wurten zum Deichbau bis hin zu Sielen und Schleusen unternommen werden, auf der die Schüler die Bedeutung des Küstenschutzes verstehen lernen. Dazu bauen sie Deiche im Wassertisch und arbeiten an Schleusenmodellen. Der Bau eines Solarbootes bietet einen Einstieg in die Elektrizitätslehre und in den Bereich der regenerativen Energien. Inhalte wie Stromkreis, Reihen- und Parallelschaltung von Spannungsquellen sowie das Erlernen des Lötens runden das Thema ab.
Es geht im Lernort also darum, Interesse und Begeisterung für Technik und Naturwissenschaften zu wecken. Das gelingt über die Kombination von Theorie und Praxis. „Die Schüler erleben hier Physik und Technik, indem sie Modelle mit Inhalten füllen“, erklärt Per Thieme die Vorgehensweise. So bauen sie zum Beispiel eine Maschine oder programmieren einen Roboter. Weil die einzelnen Schritte für die Schüler nachvollziehbar sind, erleben sie am Ende alle den Erfolg. „Wir betreiben bewusst keine Auslese, sondern versuchen alle mitzunehmen. Genau das kommt bei ihnen an“, beobachtet der Leiter. Und nach ein paar Stunden nimmt jedes Kind etwas mit nach Hause. Das kann ein Miniwindrad oder der Solarflitzer sein, der offiziell als Beitrag im Jahresthema 2013 „Mobilität“ innerhalb der UNESCO Weltdekade „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ von der Deutschen UNESCO-Kommission in Bonn anerkannt ist. Das Projekt darf deshalb das offizielle Beitrags-Logo führen.
Einige Kinder, die mit ihrer Schulklasse zu Gast im Lernort waren, sehen Per Thieme und seine Mitarbeiter später in den Nachmittagsangeboten wieder. „Bei ihnen ist es uns gelungen, die Begeisterung für Technik und Physik zu entfachen“, freut er sich. Dass darunter inzwischen ein Drittel Mädchen sind, findet er besonders gut. „Sie können es natürlich genauso gut wie die Jungen“, stellt er klar.
Tatsächlich haben es die jungen Techniker, die nachmittags in den Lernort kommen, weit gebracht. In den letzten Jahren haben sie mehrere Preise gewonnen und auch in diesem Jahr nehmen sie an verschiedenen Wettbewerben, wie beispielsweise der „First Lego League“ oder dem „Solarcup Oldenburg“ teil. Einige Jugendliche vom Lernort denken ernsthaft über ein technisches Studienfach bzw. einen technischen Beruf nach. „Selbst wenn das nicht der Fall ist, haben sie einen Bezug zu Physik und Technik entwickelt“, stellt Per Thieme zufrieden fest. Schulklassen, die den Lernort an einem seiner drei Standorte erkunden wollen, sind willkommen.
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