Zwischen Bürgerlichkeit und Emanzipation
Der Maler Conrad Kiesel schuf ein lebensgroßes Porträt von Emmi Lewald.
Foto: privat
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Oldenburg/zb – Emmi Lewald wurde 1866 in Oldenburg geboren und gehört zu den fast vergessenen aber zu ihrer Zeit sehr erfolgreichen Schriftstellerinnen des deutschen Kaiserreichs und der Weimarer Republik. Mit ihrem ersten Buch „Unsre lieben Lieutnants“, das 1888 erschienen ist, sorgte sie, die aus gut bürgerlicher Familie stammte, für Aufsehen und vor allem für einen gesellschaftlichen Skandal. Die Landesbibliothek Oldenburg widmet Emmi Lewald eine Ausstellung mit dem Titel „Ich hatte Schriftstellerehrgeiz“.
Ruth Steinberg, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik an der Universität Oldenburg, forscht seit Jahren über Emmi Lewald und kuratiert die Ausstellung, die bis zum 11. Januar 2014 zu sehen ist. „Ich bin durch Zufall während eines Praktikums bei der Oldenburgischen Landschaft auf die Autorin gestoßen“, berichtet sie weiter. „Es gibt dort ein Personenarchiv, das die Akte Lewald enthielt. Seinerzeit war ich schnell von dieser Person inspiriert.“
Emmi Lewald, Tochter des späteren oldenburgischen Staatsministers Günther Jansen, veröffentlichte ihr erstes Buch „Unsre lieben Lieutnants“ unter dem Pseudonym „Emil Roland“. „Zwar regte man sich in Oldenburg über das humoristische Buch mit militärischen Charakterskizzen auf, dennoch wollten es viele Menschen lesen, was die Anzeige der Buchhandlung Bültmann & Geeriets von 1889 in den Oldenburgischen Anzeigen beweist“, sagt Ruth Steinberg.
Im März 1889 berichtet Philipp zu Eulenberg als preußischer Gesandter in Oldenburg Reichskanzler Otto von Bismarck in einem Bericht über das wichtigste gesellschaftliche Klatschthema dieses Frühlings. Er schreibt: „In Leipzig ist ein Buch mit dem Titel ‚Unsre lieben Leutnants‘ erschienen. Es stellte sich heraus, dass es sich bei den kurzen Aufsätzen um Schilderungen von Offizieren der Oldenburger Garnison handelte. Das Buch hat einen weiblichen Stil, die Erregung der, in ihrer Ehre tief verletzten, Offiziere gegen die Verfasserin kannte keine Grenzen. Die Erregung aber erreichte ihren Höhepunkt, als durch eine Indiskretion einer Freundin die unverheiratete, sehr hübsche Tochter des Ministers Jansen als die Verfasserin bekannt wurde. Fräulein Jansen verließ auf Befehl ihrer Eltern sofort die Stadt. Die Offiziere verlangten eine Ehrenerklärung.“
Fortan reist Emmi Lewald sehr viel und schreibt Reiseberichte, Novellen, Romane und Lyrik. Mit ihrem von der Literaturkritik gelobten Romanerstling „Sein Ich“ (1896) und einer Reihe von Novellensammlungen begründete Emmi Lewald ihren publizistischen Erfolg. Im gleichen Jahr heiratete sie den Juristen Felix Lewald und lebt in Berlin. Dort beschäftigte sie sich mit der Frauenfrage, engagiert sich in der Frauenbewegung und kennt auch die Frauenrechtlerin und Oldenburgs Ehrenbürgerin Helene Lange. Zwischen 1894 und 1914 arbeitete sie als freie Mitarbeiterin an der von Helene Lange herausgegebenen Zeitschrift „Die Frau“ mit und fand im Vereinsnetzwerk um die gemäßigte bürgerliche Frauenbewegung ihr neues Lebens- und Arbeitsumfeld.
Die Ausstellung, die in Kooperation mit dem Institut für Germanistik der Universität Oldenburg veranstaltet wird, ist in sieben thematische Abschnitte unterteilt. So werden Emmi Lewalds Leben, ihr Werk und dessen Rezeption sowie ihre Arbeit als Berufsschriftstellerin erstmals umfassend der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Kuratorin setzt die Werke Emmi Lewalds in Bezug zum Zeitgeschehen, „um die Entstehungsvoraussetzungen der Texte, die für die Epoche charakteristischen Themen und ihren Anspruch auf literarisch-kritische Zeitbetrachtung verständlich zu machen“, erklärt Ruth Steinberg.
Als Exponate sind neben Originalausgaben der Werke, Zeitschriften und Autografen auch zahlreiche Fotografien aus dem Nachlass der Autorin und ein 1909 von dem Maler Conrad Kiesel geschaffenes lebensgroßes Porträt zu sehen. An einer Hörstation kann einer Lesung aus „Unsre Lieutnants“ gelauscht werden. Es sind verschiedene Briefwechsel mit ihrem Verlag aber auch mit Paul Heyse, der 1910 den Nobelpreis für Literatur bekam, zu sehen. „Damals war es durchaus üblich, dass Schriftsteller die Meinung ihrer Kollegen zu ihren Werke einholten“, klärt Steinberg auf.
Emmi Lewald unterhielt Kontakte zu zahlreichen Schriftstellern und Intellektuellen ihrer Zeit, unter anderem zu Helene Lange, Lulu von Strauß und den Oldenburger Karl Jaspers. Bis in die 1930er Jahre hinein war die scharfsinnige Beobachterin bürgerlich-adeliger Gesellschaftskreise schriftstellerisch produktiv. Emmi Lewald ist zwar nicht in ihre Heimatstadt Oldenburg zurückgekehrt, hat aber stets die Verbindung in die Huntestadt gehalten. 1946 starb sie in Apolda.
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