Hoffnung auf Wirkstoff gegen Demenzsymptome
Das Interesse an der Veranstaltung über Demenz im Alten Landtag in Oldenburg war enorm. Rund 300 Zuhörer aus Oldenburg und der Region informierten sich über das Krankheitsbild und neueste Erkenntnisse.
Foto: Oliver Perkuhn
Anzeige
Oldenburg (zb) – Alle 3,2 Sekunden erkrankt weltweit ein Mensch an Demenz. Und obwohl das Krankheitsbild seit 1901 bekannt ist, gibt es bis heute kein wirksames Mittel gegen die irreversible Krankheit, die mit einem Verlust der geistigen Funktionen wie Denken, Erinnern, Orientierung und Verknüpfen von Denkinhalten einhergeht. Das könnte sich bald ändern, berichtete der Mikrobiologe Prof. Dr. Franz Theuring vom Universitätsklinikum Berlin anlässlich der Veranstaltung „WissenSCHAFFT Gesellschaft – Mit Demenz leben“, zu der das DemenzNetz Oldenburg in den Alten Landtag eingeladen hatte.
Wie bedeutsam das Thema ist, zeigte das enorme Interesse. Über 300 Menschen aus Oldenburg und der Region verfolgten die Vorträge und Gesprächsrunden. Seit rund 25 Jahren versuchen namhafte Pharmaunternehmen weltweit einen Wirkstoff gegen Demenz zu entwickeln. Rund 15 Milliarden US-Dollar seien bislang vergeblich in die Forschung geflossen, bedauerte Theuring. Er meint den Grund zu kennen. Die Forscher würden seniles Plaques, das aus Eiweißbruchstücken besteht, für Demenz verantwortlich machen. Er hat jedoch das sogenannte Tau-Protein als Verursacher von Demenz im Visier.
Seit einigen Jahren forscht er mit einem Mediziner aus Aberdeen über dieses Protein und hat inzwischen einen Wirkstoff entwickelt, der 2017 auf den Markt kommen könnte. Ihre Studien befinden sich in der letzten Testphase. Das heißt, der Wirkstoff wird gegenwärtig an Patienten erfolgreich erprobt. „Es ist kein Medikament, das therapeutisch wirkt, es bekämpft lediglich die Symptome“, stellte er klar. „Das heißt, der Krankheitsverlauf wird spürbar verlangsamt.“
„Warum Menschen an Demenz erkranken, wissen wir nicht“, berichtete Dr. Eske Gertje von der European Medical School Oldenburg. „Wir wissen nur, dass es sich um jahrelange Prozesse handelt. Und je älter wir werden, umso größer ist die Chance, an Demenz zu erkranken.“ 2010 waren weltweit rund 38 Millionen Menschen betroffen, 2050, so wird geschätzt, werden es 115 Millionen sein, erklärte die Wissenschaftlerin, die darauf aufmerksam machte, dass es bislang keine sichere Methode gibt, das Krankheitsbild exakt festzustellen. „Das ist nur post mortem, also nach dem Tod möglich.“
Was also können wir tun, um Demenz zu vermeiden? „Gesund leben“, rät Dr. Jürgen Bauer, Direktor der Klinik für Geriatrie in Oldenburg. „Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes, Nikotin, Alkohol und Bewegungsmangel können Ursachen sein. Darüber hinaus ist ein kleiner Teil der Patienten erblich belastet.“ Bauer hält Bewegung für elementar. Sorgt sie doch für den Zellenaufbau im Hippocampus, „dem Dirigenten im Gehirn“, fügt Allgemeinmediziner Dr. Eberhard Hesse hinzu. Er hat in Stuhr ein SeniorenServiceBüro ins Leben gerufen und betreut dort mit der Ergotherapeutin Elisabeth Spielmann erfolgreich Demenzkranke.
Er nennt zudem Stress als eine weitere mögliche Ursache für Demenz. „Durch Stress sterben Zellen im Hippocampus ab. Durch Bewegung können neue Zellen entstehen “, erklärt er. Deshalb ist es wichtig, in jeder Beziehung im Gleichgewicht zu sein, macht er deutlich. Doch jene, die bereits fortgeschritten an Demenz leiden, brauchen jetzt Unterstützung. „Leider sind unsere Kliniken auf Demenz-Erkrankte nicht vorbereitet“, kritisiert Bauer und macht vor allem den herrschenden ökonomischen Druck dafür verantwortlich. „Innovationen sind derzeit kaum möglich. Um Demenzkranke und ihre Angehörigen angemessen behandeln und betreuen zu können, brauchen wir jedoch hochqualifiziertes Personal. Deshalb warnte er davor, die Medizin den Betriebswirtschaftlern zu überlassen.
Rita Wick, Gerd Pommer und Christiane kern vom DemenzNetz Oldenburg mit den Referenten Franz Theuring (links) und Eske Gertje (rechts).
Foto: Oliver Perkuhn
„Wir müssen eine neue Kultur leben“, forderte Dr. Gerd Pommer vom DemenzNetz. „Es geht nicht um Pflege sondern um Betreuung und eine neue Form der Zusammenarbeit aller Beteiligten“, stellte er klar. In Oldenburg wird intensiv daran gearbeitet. Zahlreiche Akteure, die mit Demenzkranken konfrontiert sind, ziehen zunehmend an einem Strang. Mit dabei ist auch die Stadt Oldenburg, deren Vertreterin Inge Vogtländer, Leiterin des Sozialamtes, Rita Wick, Christiane Kern und Gerd Pommer von DemenzNetz Oldenburg für ihr großes Engagement dankte. Sie hätten den entscheidenden Schritt getan. Die Publikumsresonanz zeige, wie wichtig und drängend das Thema Demenz sei.
Keine Kommentare bisher