José Morcate: Chirurg für Babys ab 500 Gramm
Oldenburg (zb) Einen erwachsenen Menschen zu operieren, kann sich jeder vorstellen. Aber ein Baby mit einem Gewicht von 500 Gramm zu operieren, ist schwer vorstellbar. Für Dr. José Morcate gehört das zum Arbeitsalltag. Der Direktor der Klinik für Kinderchirurgie am Klinikum Oldenburg operiert Kinder aus ganz Weser-Ems bis 16 Jahre.
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Der Berufsweg Kinderchirurg ist lang, denn die fachärztliche Ausbildung zum Chirurgen reicht nicht aus. „Wer glaubt, Kinder seien Miniaturausgaben von Erwachsenen, der täuscht sich“, klärt José Morcate auf. Sechs Jahre dauert die Weiterbildung zum Kinderchirurgen, die ein breites Spektrum umfasst. „Denn wir operieren alles von Kopf bis Fuß“, macht er deutlich.
Rund 40 Prozent der Kinder sind unter zwei Jahre
„Babys sind zwar gleich aufgebaut wie Erwachsene, aber beim Operieren fühlt sich alles anders an und die Krankheitsbilder sind andere“, erzählt er. 1200 Babys und Kinder operiert er im Jahr, davon wiegen sieben Prozent unter 1000 Gramm. 30 bis 40 Prozent der kleinen Patienten sind unter zwei Jahre. 800 Operationen sind stationär, 400 ambulant. „Ob stationär oder ambulant, Mütter und Väter sind in der Regel vor einer Operation ihres Kindes sehr aufgeregt“, erzählt er. „Sie finden die Situation unnormal und die Vorstellung, dass ich sie sogar aufschneiden muss, zerreißt ihnen das Herz.“
Der 55-Jährige sieht das ganz anders. „Die meisten Kinder kann ich von einer Fehlbildung oder einer Krankheit befreien. Das ist ein sehr gutes Gefühl, denn die Kinder haben schließlich noch ihr ganzes Leben vor sich und sollen möglichst nicht merken, dass ich sie mal operiert habe.“ Dennoch kann sich José Morcate sehr gut in die Gefühlslage der Eltern hineinversetzen. „Ich habe schließlich selbst Kinder“, sagt er, „und die habe ich auch gehütet wie meinen Augapfel. Deshalb betreuen wir nicht nur die Kinder sondern auch die Eltern psychologisch.“
Tatsächlich kommt es bei einigen Kindern zu Fehlbildungen oder sie werden nach der Geburt krank. Das Spektrum reicht von angeborenen Herzfehlern, Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten, Speiseröhrenfehlbildung bis hin zu Leistenbrüchen, Hautschwellungen, Hodenhochstand, Nabelbrüchen, Darmerkrankungen oder Krebs. „Angeborene Fehlbildungen werden in der Regel während der Schwangerschaft entdeckt“, sagt der Facharzt. „Die Mütter wissen sehr früh Bescheid, können sich mit der Situation vertraut machen und wir beheben nach der Geburt die Fehlbildung oder auch später. Das hängt von der Erkrankung ab.“
Schlüssellochchirurgie wird immer öfter praktiziert
Wenn José Morcate operiert, stehen ihm Miniaturbestecke und -instrumente zur Verfügung. Sein Vorgehen ist äußerst filigran. „Stellen sie sich ein 500 Gramm leichtes Baby vor, das mögen viele gar nicht anrühren, weil sie Angst haben, es zu zerbrechen. Wir kennen das natürlich und haben nur ein Ziel, es so zu operieren, dass keine Spuren zurückbleiben. Immer öfter praktizieren wir auch Schlüssellochchirurgie, die sehr schonend ist.“
Nach überstandener Operation herrscht große Erleichterung bei den Eltern, die ihr Glück erst fassen müssen. „Die Kinder genesen meist schnell und sind besondere Patienten“, findet José Morcate. „Sie sind ehrlich und arglos. Entweder bekommst du die volle Zuneigung oder eindeutige Ablehnung zu spüren. Mir gefällt das.“ Auch sein Leitender Oberarzt Dr. Martin Mostler schätzt die offene und unkomplizierte Art der kleinen Patienten. „Vor allem aber ist es das gute Gefühl, sie fast immer heilen zu können und ihnen ein unbeschwertes Leben zu ermöglichen“, sagt er. „Denn in der Kinderchirurgie hat sich sehr viel getan und tut sich weiterhin viel.“
Natürlich gibt es auch Kinder, die ihre Krankheit nicht besiegen und sterben müssen. „So schön wie es mit ihnen ist, wenn sie wieder auf die Beine kommen und uns anstrahlen, so schlimm ist es, wenn wir ihnen nicht helfen können“, erzählt José Morcate. „Natürlich empfinden wir es als vollkommen unnatürlich, wenn Babys oder kleine Kinder sterben müssen. Das ist extrem hart für uns, gehört aber auch in unseren Alltag. Zum Glück kommt es selten vor, aber wir sind dann alle gezeichnet.“
Kinder, so berichten die beiden Mediziner, leiden oft auch an Krankheiten, die wir eher mit Erwachsenen in Verbindung bringen. „Gallenblasensteine, Gelenkbeschwerden, Diabetes, Bluthochdruck, Krebs oder Fettleibigkeit“, zählt er nur einige Beispiele auf. „Die gesellschaftlichen Entwicklungen kommen auch bei den Kindern an. Sie essen oft zu viel und falsch, bewegen sich zu wenig und in der Folge werden sie krank.“
So bringen Kinder bis 16 Jahre durchaus mal 140 Kilogramm auf die Waage. Das, so meint der Kinderchirurg, müsse nicht sein. „Eltern sollten es gar nicht erst soweit kommen lassen. Es gibt überall Hilfe, die unbedingt in Anspruch genommen werden sollte, um Kindern eine solche Entwicklung zu ersparen“, findet der Kinderfreund, der sich ein Leben ohne die kleinen Erdenbürger einfach nicht vorstellen kann.
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