Gleishalle: Erhitzte Gemüter bei Nordwestradio
Oldenburg (am) Oldenburgs Stadtbaurätin Gabriele Nießen war gestern voll in Fahrt. Gemeinsam mit vier weiteren Gästen – darunter zwei Vertreter der DB Station & Service – diskutierte sie bei Nordwestradio unterwegs über den möglichen Abriss der Gleishalle in Oldenburg. Die Livesendung „Abrissreif oder erhaltenswert?“ wurde aus dem Fürstensaal der „Klinkerburg“ am Hauptbahnhof Oldenburg übertragen.
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Der Sender Nordwestradio hat mit seinem Thema einen wunden Punkt der Oldenburger getroffen. Beweis dafür waren die zahlreiche Gäste, die gestern im Fürstensaal begrüßt werden konnten. Zu Beginn der Liveübertragung zählte Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis die drei Versionen einer Lösung auf: Abriss und Neubau, Replik oder Sanierung. „Das Fragment ist so stark beschädigt, dass es so nicht bleiben kann“, sagte er. Die Standfestigkeit und die Verkehrssicherheit seien laut Gutachter nicht mehr gegeben, deshalb müsse einiges zurückgebaut werden. „Das können wir nicht nachvollziehen, weil wir das Gutachten nur in Teilen erhalten haben“, antwortete ihm Gabriele Nießen. „Die Frage sei doch, was könne man tun, um die Standfestigkeit wieder herzustellen?“ Ihr pflichtete Folker von Hagen, Oldenburgische Landschaft AG Baudenkmalpflege, bei. Er habe die gutachterliche Stellungnahme eines Statikers eingeholt, die Standsicherheit der bestehenden Halle könne nachgewiesen werden. Außerdem könnten Traversen eingebaut werden, die Grundsicherung habe sogar beim Oldenburger Schloss funktioniert. „Wenn die Last der Gleishalle, die die Bahn annimmt, stimme, hätte die Halle nie eröffnet werden dürften“, so von Hagen.
Andrea Gebken, Bereichsleiterin Nord bei der DB Station & Service, berichtete, dass die Gleishalle alle drei Jahre untersucht würde. 2012 habe sich gezeigt, dass sie sich bewegt habe und es Verdrehungen gebe. „Das Problem liegt im Grund und Boden“, so Gebken. Deshalb müsse auch bei einer Sanierung erst die Halle abgetragen werden. Nach groben Kostenschätzungen geht die Bahn davon aus, dass ein Neubau 11 Millionen Euro, eine Sanierung 35 Millionen (zuzüglich 10 bis 15 Euro für die Grundarbeiten) und eine Replik (Nachbildung) 18 Millionen Euro kosten würden. Gebken kündigte ein weiteres Gutachten an. „Weitere Gutachten werden noch ausgearbeitet, aber das Ergebnis kennt man schon?“, fragte Nießen erstaunt nach und erntete Zwischenapplaus. Nach einem Einwurf des Nordwestradio-Moderators Stefan Pulß räumte die Vertreterin der Bahn ein: „Die Halle wird schwer zu erhalten sein.“
Ein weiterer Grund dafür sei die Oberleitung, die eineinhalb bis zwei Meter nach oben verschoben werden müsse, um dem modernen Zugverkehr Rechnung zu tragen. „Die elektrisch betriebenen Loks kommen auch jetzt durch die Halle“, so von Hagen. Es ginge dabei lediglich um eine Norm. „Wenn wir die Halle anfassen, verlieren wir den Bestandsschutz“, antwortete Meyer-Lovis. „Das würde uns dann in dieser Form nicht mehr genehmigt werden.“ Stadtbaurätin Gabriele Nießen vermutet als Anlass hinter dieser Maßnahme den Ausbau der Bestandsstrecke Oldenburg – Wilhelmshaven und den stärkeren Güterzugverkehr. „Wir sehen die Notwendigkeit nicht“, betonte Nießen.
Aus dem Publikum heraus erklärte Christian Röhlig, dass die vermehrten und schwereren Kohletransporte die Verschiebung der Halle verschuldet hätten. Meyer-Lovis schloss in seiner Entgegnung nicht aus, dass immer mehr Züge fahren und immer mehr Lasten transportiert würden. „Aber eine Kausalität habe sich durch die Untersuchungen nicht ergeben“, so der Sprecher der Bahn. „Vorausschauend für das, was der Stadt nun droht, wollen sie die Gleishalle abreißen lassen“, ärgerte sich Röhlig. Grünen-Fraktionsvorsitzender Sebastian Beer brachte noch einmal den Vorschlag vor, eine Photovoltaikanlage auf dem Dach zu installieren, was die Bahn mit dem Hinweis, kein Energieerzeuger zu sein, abgelehnt hatte. „Ich habe deutlich das Gefühl, dass ein Ergebnis vorne weggenommen wird“, sagte Beer. Dem stimmte auch Christoph Baak (CDU) zu. Er bat zudem um eine breitere Unterstützung durch die Bürger und verwies auf eine entsprechende Onlinepetition (die OOZ berichtete).
„Wir wünschen uns den Erhalt und die Sanierung des denkmalgeschützten Daches“, betonte Nießen zu Beginn der Sendung. Nießen wiederholte: „Jeder Eigentümer hat die Verpflichtung, sein Eigentum Instand zu halten. Das gilt auch für die Bahn und den Bund. Im Übrigen würde das Argument der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit hier nicht gelten.“ Als Vertreterin der Unteren Denkmalschutzbehörde forderte sie einen Gesprächstermin. „Der Rückbau erfolgte ohne Genehmigung“, sagte Nießen mit Blick auf die bisherigen Arbeiten. „Es war Gefahr im Verzug, deshalb musste das Glas entfernt werden“, entgegnete die Vertreterin der Bahn. Weitere Maßnahmen würden folgen. Egbert Meyer-Lovis setzt jetzt auf das Planfeststellungsverfahren und weitere Gespräche mit der Stadt. Das Schlusswort sprach Bahnexperte Gerald Sammet: „Die Sanierung des Empfangsgebäudes in Oldenburg sei sehr gelungen, aber jetzt sei eine ‚Vorne hui und hinten pfui‘-Situation entstanden“. Er ist sich sicher: „Jetzt braucht man einen funktionierenden Lobbyismus, denn die Bahn wird die Sanierung nicht bezahlen.“
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