Justizzentrum: „Justiz ist die große Verliererin“
Oldenburg (zb) „Mittelfristig ist das Thema Justizzentrum in Oldenburg tot“, sagt Dr. Gerhard Kircher, Präsident des Oberlandesgerichts Oldenburg, der heute das abgelaufene Gerichtsjahr bilanzierte und noch einmal explizit auf die Absage der Niedersächsischen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz einging.
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Kircher ist überzeugt davon, dass in ein paar Jahren die vorhandene Bausubstanz der Gerichtsgebäude im Oldenburger Gerichtsviertel derart marode ist, dass das Land um einen Neubau nicht herumkommt. „Der wird dann aber am Stadtrand gebaut, weil es innerstädtisch kein passendes Grundstück geben wird“, ist er überzeugt. Warum die Ministerin sich nicht für die wirtschaftlichste Lösung – einen Neubau hinter dem Hauptbahnhof – entschieden hat, ist für Kircher und seinen Stellvertreter Dr. Michael Kodde nicht nachvollziehbar, zumal das Gesetz das vorschreibt.
„Außerdem ist der Koalitionsvereinbarung zu entnehmen, dass ein Justizzentrum für Oldenburg aus wirtschaftlichen Gründen gewollt ist“, erinnert Kircher. Warum die Ministerin ein Dutzend verschiedene Standorte in Oldenburg bürgernah findet, kann der OLG-Präsident ebenfalls nicht nachvollziehen. Ganz abgesehen davon kritisiert er die Sicherheitslage. Denn zurzeit können die Besucher nur stichprobenartig kontrolliert werden. „Wir haben zu wenig Personal und zu viele verschiedene Eingänge“, begründet Kircher den Notstand. Das Land sei aber nicht bereit, mehr Wachtmeister einzustellen.
„Unsere Mitarbeiter wünschen sich aber eine lückenlose Kontrolle, weil es immer wieder zu brisanten Vorfällen kommt“, berichtet Kircher. Im Rahmen einer von der Ministerin initiierten Mitarbeiterbefragung stimmten jedoch über 90 Prozent für den jetzigen Standort, der keine Sicherheit garantieren kann. Dabei kommt es immer wieder vor, dass in den Gerichtsverhandlungen Messer gezückt werden. „Es ist unglaublich, wie viele Menschen grundsätzlich mit einem Messer herumlaufen“, sagt Kircher. „Mit einem neuen Justizgebäude wäre das Problem gelöst gewesen, weil es nur einen Eingang gegeben hätte und wir nur drei Wachtmeister gebraucht hätten.“
Stattdessen rechnet der Präsident mit Flickschusterei. Denn jedes Jahr stehen für alle Liegenschaften des Landes 120 Millionen Euro zur Verfügung. Allein die Sanierung von Amts- und Landgericht sowie des OLG würden zehn Millionen Euro kosten. Die Fachgerichte sind darin nicht enthalten. „Ich bin sicher, dass wir die zehn Millionen in den nächsten Jahren nicht bekommen“, sagt Kircher. Schließlich würden viele Ministerien um das Geld kämpfen. Für dieses Jahr gibt es 243.000 Euro für neue Fenster im Amtsgericht. „Wir werden ein bisschen kleckern und damit ist die Justiz die große Verliererin“, lautet sein Fazit.
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